Euro am Sonntag-Analyse

Glaubenskrieg 2.0: Warum bei der Allianz die Aktionäre applaudieren

19.07.17 03:00 Uhr

Glaubenskrieg 2.0: Warum bei der Allianz die Aktionäre applaudieren | finanzen.net

Mit einer zügigen Umsetzung der Digitalisierung von Europas größtem Versicherer will Chef Oliver Bäte das Gewinnwachstum in Schwung bringen. Die Mitarbeiter schimpfen.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Der blaue Versicherungsriese muss kämpfen. Wie schon im Vorjahr erwarten Analysten fürs laufende Geschäftsjahr im Stammgeschäft der Münchner Allianz mit Versicherungsprämien knapp drei Prozent weniger Einnahmen. Zudem dürfte der Nettogewinn pro Aktie nach Einschätzung der Experten im Vergleich zum Vorjahr stagnieren.



Wie die meisten der ebenbürtigen Konkurrenten steckt auch Europas Nummer 1 im Versicherungsgeschäft seit geraumer Zeit in einer Wachstumsfalle fest. Versicherer legen den weit überwiegenden Teil der milliardenschweren Prämien in festverzinslichen Papieren an. Über Jahrzehnte wurden damit am Kapitalmarkt zusätzlich zum Versicherungsgeschäft hohe Renditen eingefahren. Doch die Zinsen an den Kapitalmärkten sind seit der Finanzkrise und der anschließenden Schuldenkrise der Länder in der Euro-Peripherie auf historischem Tiefststand. Das setzt dem eigentlich so lukrativen Geschäftsmodell stark zu. Eine Besserung für die Assekuranz-Konzerne ist trotz der Anhebung des US-Leitzinses in kleinen Schritten noch in weiter Ferne.

Dennoch legt der Aktienkurs der Allianz kontinuierlich zu - seit Jahresbeginn um 17 Prozent. Investoren setzen darauf, dass Chef Oliver Bäte, seit Mai 2015 an der Spitze des DAX-Konzerns, an den richtigen Stellen ansetzt, um das Schwergewicht mit 127-jähriger Geschichte wieder in Schwung zu bringen.

Stillstand geht gar nicht

Den Stillstand beim Wachstum hatte der Manager, der 2008 vom internationalen Beraterkonzern McKinsey zur Allianz gewechselt war, bereits im Frühjahr angeprangert. Bewegung in die Gewinnentwicklung soll die Digitalisierung bringen. Bäte warnt seine Führungskräfte eindringlich davor, den Einfluss dieses Megatrends zu unterschätzen. "Bisher haben uns das Verhalten der Kunden und die Regularien der Branche davor bewahrt. Das ändert sich jetzt."

Je stärker jedoch Bäte die Digitalisierung der Allianz forciert, umso größer wird der Widerstand gegen die Anpassung des Geschäftsmodells. Auch weil damit die Firmenkultur verändert wird. Der Konzern sei auf dem Weg zum "Versicherer mit Fließbandfertigung", schimpfen Mitarbeiter anonym im Intranet der Allianz. Bäte nimmt das in Kauf und drückt aufs Tempo.



So sickerte kürzlich durch, dass Allianz Deutschland bei der Bearbeitung von Schadensfällen 700 Vollzeitstellen streichen wird. Viele Arbeitsprozesse wurden durch Software automatisiert. Aus ähnlichem Anlass hatten Ende 2016 mehr als 500 Mitarbeiter Altersteilzeitverträge unterschrieben.

Mehr Rendite durch eine effizientere Digitalisierung soll auch die Tochter Allianz Technology liefern, die für den Aufbau der globalen IT-Infrastruktur sowie für Daten- und Softwaresicherheit bei der Allianz zuständig ist: 300 Stellen - 15 Prozent der Jobs der Sparte in Deutschland - werden eingespart.

Darüber hinaus muss die Konzerntochter künftig darauf achten, Service im Unternehmen zu "marktgerechten Preisen" anzubieten. Für Dienstleistungen, die zu teuer sind, könnte der Vorstand ansonsten externe Dienstleister ins Boot holen, warnt Chef Bäte.

US-Tochter Pimco zieht wieder

Dieser unbedingte Fokus auf Rendite, um das Gewinnwachstum im stagnieren Markt in Gang zu bringen, kommt bei Aktionären gut an. Genauso wie der überraschende Rückenwind aus der Vermögensverwaltersparte. Schließlich liefert der Bereich, zu dem auch die renommierte amerikanische Fondsgesellschaft Pimco gehört, in guten Zeiten ein Fünftel des Konzerngewinns.

Nachdem jedoch Pimco-Mitgründer und Anleiheguru Bill Gross die Firma 2014 im Streit verlassen hatte, bekam die Allianz die milliardenschweren Abflüsse bei Kundengeldern von Pimco deutlich zu spüren. Jetzt scheint die Wende geschafft. Im ersten Quartal legten Kunden im Vergleich zum Vorjahr 21 Milliarden Euro mehr an. Unterm Strich buchte die US-Tochter 25 Prozent mehr operativen Gewinn. Damit sind die Amerikaner, die in der Vermögensverwaltung der Allianz drei Viertel der Erträge einspielen, wieder das Zugpferd in der wertvollen Sparte. Dieser positive Trend dürfte weiter bestehen.

Investor-Info

Allianz
Neue Zuversicht

Versicherungen dürfen nach einer längeren Durststrecke mittelfristig wieder mit Prämienwachstum rechnen, prognostizieren Studien. In Deutschland hat die Allianz vor allem in der Sachversicherung zuletzt wieder leicht zugelegt. Die Solvabilitätsquote, die Kennzahl für die Höhe der Reserven in der Bilanz, lag zuletzt bei 212 Prozent - klar über dem gesetzlichen Minimum von 100 Prozent. Die Quartalszahlen gibt es am 8. August. Aktie mit attraktiver Dividendenrendite, moderat bewertet.

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