Euro am Sonntag-Analyse

Bau-Aktien: Diese Titel muss man haben!

09.08.16 15:00 Uhr

Bau-Aktien: Diese Titel muss man haben! | finanzen.net

Die Baubranche profitiert von Großprojekten wie dem Schweizer Gotthard-Tunnel. Auf welche Spezialisten Anleger setzen sollten.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Der wuchtige Bohrkopf hat sich millimetergenau durch das Gestein gefressen. Fahnenschwenkend bejubeln Mitarbeiter den Durchbruch für einen Abschnitt des neuen Gotthard-Tunnels in den Schweizer Alpen. Ab Dezember sollen in dem mit 57 Kilometern längsten Eisenbahntunnel der Welt zwischen Erstfeld im Schweizer Kanton Uri und Bodio im südlichen Tessin Züge mit bis zu 250 Stundenkilometern rasen.



Knirschend hatten sich mächtige Bohrköpfe 14 Jahre lang mit Urgewalt ihren Weg durch jahrtausendealtes Gestein gefräst. Auf fast zehn Meter Durchmesser bringt es eine solche Maschine. Bis zu 400 Meter messen die Ungetüme vom Heck bis zum Bohrkopf. Entwickelt werden die gigantischen Bohrer von Herrenknecht, einem Familienunternehmen im badischen Schwanau.

Bei solchen Großprojekten ist es üblich, dass sich mehrere Firmen für den Bau zusammentun. Dem Konsortium in der Schweiz gehörte auch Deutschlands größter Baukonzern Hochtief an. Vorhaben wie der elf Milliarden Euro teure Gotthard-Tunnel oder das Crossrail-U-Bahn-Projekt in London sind die vielleicht spektakulärsten Projekte im sogenannten Infrastrukturgeschäft.


In der britischen Hauptstadt wird für geschätzte 18 Milliarden Euro ein 42 Kilometer langer Tunnel unterhalb der Themse und durch den Untergrund der britischen Hauptstadt gebohrt. Auch dort wühlen sich Herrenknecht-Maschinen durch den Grund - und auch hier im Auftrag von Hochtief.

Das MDAX-Unternehmen, bei dem der spanische Konkurrent ACS seit 2012 die Mehrheit besitzt, ist eine Größe im Infrastrukturgeschäft. In Asien ist die börsennotierte Hochtief-Tochter Cimic ausschließlich auf Infrastruktur spezialisiert. Cimic, ehemals Leighton, baut Straßen und betreibt Projekte im Minen- und Rohstoffsektor, der in Australien besonders stark ist.


Aber auch Trassen für Schnellbahnen und Hochgeschwindkeitszüge gehören zum Kerngeschäft von Cimic. Die Baubranche profitiert hier vom steigenden Mobilitätsbedürfnis in vielen Ländern. Das globale Schienennetz für Schnellbahnen wird sich bis 2025 auf 54.000 Kilometer fast verdoppeln, schätzt der US-Finanzinformationsdienst Bloomberg.

Urbanisierung treibt an

Große Verkehrsprojekte sind nur ein Aspekt der zunehmenden Urbanisierung. Rund 2,5 Milliarden Menschen werden bis 2050 in urbane Regionen ziehen. Zwei Drittel der Weltbevölkerung werden dann in Städten leben, heute sind es 54 Prozent. Mehr Menschen brauchen neben besseren Straßen auch eine geeignete Strom- und Wasserversorgung, größere Schienennetze und neue Flughäfen. Das globale Bauvolumen soll während der nächsten 15 Jahre um 85 Prozent auf insgesamt 15,5 Billionen Dollar steigen, prognostizieren Marktforscher von Oxford Economics. Knapp 60 Prozent der Zuwächse sollen aus China, Indien und Amerika kommen. Baustofflieferanten wie HeidelbergCement profitieren bereits. Dank der florierenden Baukonjunktur in Europa und den USA verdiente der DAX-Konzern im zweiten Quartal mehr als erwartet. Amerika ist der größte Markt der Kurpfälzer.

Im globalen Infrastrukturgeschäft breit aufgestellt ist die französische Vinci Gruppe. Der Konzern ist mit 280.000 Baustellen und 2.100 Firmen in 100 Ländern präsent. Mit 38 Milliarden Euro Umsatz ist das Unternehmen im Vergleich zu den 21 Milliarden von Hochtief ein Riese. Vom Bau bis zum Betrieb von Abwasserreinigungsanlagen, Straßen, Tunneln oder Flughäfen deckt Vinci viele Nischen ab. Die Bausparte liefert knapp 40 Prozent des Umsatzes und hat sich auf Gebiete wie die Bodentechnik, den Bereich Erdöl und Erdgas oder Kraftwerksbau sowie zahlreiche Felder im Infrastrukturgeschäft spezialisiert.

Cash mit Konzessionen

Nachhaltig viel Geld verdienen Konzerne in dieser Branche, wenn sie Konzessionen für Objekte wie Mautstraßen, Flughäfen, Brücken, Tunnel und Schienenstrecken besitzen. Weil solche Genehmigungen oft für mehrere Jahrzehnte gelten, bringen sie stabile Geldzuflüsse.

Vinci ist Europas Nummer 1 bei Konzessionen. Die Sparte lieferte 2015 fast zwei Drittel der 1,3 Milliarden Euro Nettogewinn. Der stabile Geldfluss aus Konzessionen bringt Flexibilität. Am Freitag erhielt das von Vinci angeführte Konsortium den Zuschlag für den Kauf von 60 Prozent am Flughafen in Lyon. Der Wert des viertgrößten französischen Airports wird auf eine Milliarde Euro taxiert. Mit dem Kauf von Portugals Flughafenbetreiber ANA ist Vinci seit drei Jahren der weltweit größte Flughafenbetreiber. Das Geschäft ist mit mehr als 800 Millionen Euro Umsatz kleiner als Mautstraßen mit 4,8 Milliarden Euro, doch es wächst beständig.

Auch mittelständische Firmen haben Chancen bei Großprojekten. So baut der österreichische Baukonzern Porr im Nahen Osten U-Bahnen und Fußballstadien. Die Projekte sind Teil der Vorbereitungen für die Fußball-WM 2022 in Katar.

Porr ist auch im Konsortium des deutschen Bahnhofsprojekts Stuttgart 21. Dass der Konzern dort als Tiefbauspezialist dabei ist und Maschinen von Herrenknecht einsetzt, macht den Chef Karl-Heinz Strauss stolz. Der Baulöwe strahlt, wenn er von deren Einsatz erzählt. Strauss hat die vor Jahren angeschlagene Firma saniert. "Wir wollen nicht die Größten, aber die Besten sein", sagt der Boss.

Großprojekte wie Stuttgart 21 sind jedoch permanent gefährdet, wenn die Öffentlichkeit davon nicht überzeugt ist. "Wir rechnen mit dem sicheren Scheitern von Stuttgart 21", drohte jüngst Norbert Bongartz, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen das Bahnbauprojekt Stuttgart 21. Strauss, früher Banker, hat vorgesorgt: "Wenn es so kommen sollte, greifen andere Klauseln in unseren Verträgen."

Wer im Infrastrukturgeschäft überleben will, muss eben harte Steine bohren können.

Investor-Info

Vinci
Global Player

Gestern legte Vinci Zahlen vor. Ihnen zufolge stieg der Auftragseingang um sechs Prozent auf gut 29 Milliarden Euro. Die Interimsdividende wurde stärker als erwartet auf 63 Cent pro Aktie (Vj.: 57 Cent) erhöht. Vinci ist breit aufgestellt und in 100 Ländern präsent. Was den Konzern von Konkurrenten unterscheidet, ist das große, lukrative Geschäft mit Konzessionen. Moderat bewerteter Global Player mit nachhaltiger Dividendenrendite.

Hochtief
Auf Kurs

Soeben überraschte das Unternehmen, an dem der spanische Baukonzern ACS die Mehrheit hält, mit guten Quartalszahlen. Trotz eines Umsatzrückgangs von 15 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro stieg der operative Gewinn um knapp 30 Prozent auf 88,4 Millionen Euro. Für 2016 stellt Hochtief ein Plus von bis zu 35 Prozent in Aussicht. Beim Nettogewinn pro Aktie erwarten Analysten 25 Prozent mehr. Die Aktie ist sehr teuer. Halten.

Porr
Solides Comeback

Karl-Heinz Strauss, Großaktionär und Chef von Österreichs zweitgrößtem Baukonzern, hat das einst von der Pleite bedrohte Unternehmen saniert und neu aufgestellt. Die Abspaltung des Immobiliengeschäfts vor zwei Jahren hat Porr entschuldet. Der breit aufgestellte Mittelständler mischt auch in Konsortien von Infrastrukturprojekten mit. Für 2016 und 2017 erwarten Analysten jährliche Gewinnzuwächse von 21 bzw. 16 Prozent. Gemessen am KGV ist die Aktie günstig bewertet und bietet eine attraktive Dividendenrendite.

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Bildquellen: Stephen Mcsweeny / Shutterstock.com, Andreas G Karelias / Shutterstock.com

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