Österreich: Stabiles Fundament
Die Wiener Börse profitiert vom Wachstum in Osteuropa und guter Binnenkonjunktur. Was für den Einstieg spricht, welche Risiken es gibt.
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von Raja Korinek, Euro am Sonntag
Bis vor wenigen Jahren hing die Verflechtung von Österreichs Wirtschaft mit den östlichen Nachbarländern wie ein Damoklesschwert über der Wiener Börse. Gerade diese Region stand bei vielen Investoren nach der Finanz- und der Krimkrise nicht besonders hoch im Kurs.
Doch das Blatt hat sich längst gewendet. Die Länder Osteuropas weisen ein kräftiges Wirtschaftswachstum auf. Auch in der Alpenrepublik selbst ist die Konjunktur intakt. Fürs Gesamtjahr 2018 rechnet man bei Raiffeisen Research aufgrund des guten Winterhalbjahres 2017/18 mit einem BIP-Wachstum von drei Prozent - wie schon im Vorjahr. Eine Entwicklung, die sowohl von der Inlandsnachfrage als auch vom Außenhandel getragen wird.
Verständlich, dass der ATX, der Leitindex der Wiener Börse, wieder in die Gänge gekommen ist. Noch im Frühjahr 2016 notierte der Index bei rund 2.000 Punkten, bis Anfang 2018 kletterte das Barometer zwischenzeitlich auf mehr als 3.600 Zähler. Zu verdanken ist das allen voran internationalen Großanlegern. Sie investieren meist dann in Wien, wenn sie sich mit den Entwicklungen in Osteuropa wohlfühlen.
Zuletzt konnte sich jedoch auch die Wiener Börse den Ereignissen auf dem globalen Polit-Parkett nicht entziehen. Bereits im Frühjahr keimten wieder Sorgen um Italiens Finanzhäuser auf, was andere Bankaktien in Europa belastete. Nun die Türkei-Krise und die Sorgen um die Folgen des Lira-Verfalls - auch wenn Österreichs Banken nur mit rund einer Milliarde Euro direkt in der Türkei engagiert sind und die Erste Group dort derzeit gar nicht vertreten ist. Besonders hart wurden im Übrigen die Aktien des Caterers Do & Co getroffen. Der Konzern erwirtschaftet rund 30 Prozent seines Umsatzes in der Türkei.
Dass derlei Unruhe an der Wiener Börse gleich so deutlich zu spüren ist, hat vor allem einen Grund: Die Finanztitel, inklusive der Versicherungsaktien, sind mit rund 36 Prozent im ATX besonders hoch gewichtet. Doch auch andere Branchen, etwa der Immobiliensektor sowie eine Vielzahl von Industrietiteln, sind im Leitindex repräsentiert. Jetzt sind es ausgerechnet die US-Zölle auf Stahl und Aluminium, die auf einem Teil der Industrielandschaft lasten, so etwa auf Voestalpine.
Der Konzern setzt den Schwerpunkt auf die Produktion von hochwertigen Stahlerzeugnissen und die Weiterverarbeitung von Stahl. Weil höchstens drei Prozent des Gesamtumsatzes von den US-Zöllen betroffen seien, hält Alois Wögerbauer, Manager des 3 Banken Österreich-Fonds, die negative Marktreaktion für überzogen. Insgesamt verläuft Wögerbauer zufolge die aktuelle Berichtssaison mit den Halbjahreszahlen durchaus positiv, wenngleich einzelne Enttäuschungen nicht auszuschließen sind.
Erste Bank überzeugt
Das ATX-Schwergewicht, die Erste Group Bank, konnte überzeugen. Es sei sogar eines der besten Halbjahresergebnisse in der Geschichte gewesen, betonte Bank-Chef Andreas Treichl bei der Präsentation der Zahlen. Netto legte der Gewinn um 24 Prozent auf 774 Millionen Euro zu. Erstmals seit Jahren ist
im Halbjahresvergleich auch das Betriebsergebnis wieder gestiegen, es erreichte 1,3 Milliarden Euro. Das wird vor allem auf die anhaltende Wirtschaftserholung in Osteuropa zurückgeführt, wo die Erste in zahlreichen Ländern vertreten ist. Zudem konnten Vorsorgen für faule Kredite wieder aufgelöst werden, während der Anteil der notleidenden Kredite am Bruttokreditvolumen auf 3,6 Prozent gesunken ist.
Interessante Chancen findet Wögerbauer mit der Strabag auch abseits des ATX. Der Konzern ist im Hoch- sowie im Verkehrswegebau, zum Beispiel dem Straßenbau, in Österreich, aber auch in Deutschland tätig, "wo die Strabag als Marktführer von den steigenden Infrastrukturausgaben kräftig profitiert", sagt Wögerbauer. Schon Ende Mai 2018 gab der Konzern einen neuen Rekordauftragsbestand bekannt, bei dem die Marke von 17 Milliarden Euro deutlich überschritten wurde.
Übernahmewelle bei Immobilien
Für weitere Spannung dürfte im nahenden Börsenherbst vor allem jedoch die anrollende Übernahmewelle in Österreichs Immobilienbranche sorgen. Davon betroffen sind CA-Immo, S-Immo sowie Immofinanz. Sie alle sind auf Gewerbeimmobilien spezialisiert, und das in Österreich und Deutschland, aber auch in Osteuropa. Nicht ohne Grund wurde deshalb vor wenigen Monaten eine Dreierfusion als sehr wahrscheinlich gehandelt, was letztendlich jedoch an Querelen innerhalb des Trios scheiterte. Nun rechnen Experten mit einer Fusion von S-Immo mit Immofinanz, hier gibt es bereits Querverflechtungen.
Die Folgen wären auch an der Wiener Börse deutlich zu spüren, der Sektor würde noch weiter schrumpfen. Von dieser Entwicklung ist Bernd Maurer, Chefanalyst bei der Raiffeisen Centrobank, deshalb wenig erfreut: "Schon kürzlich sind mit Conwert und Buwog zwei Titel übernommen worden."
Für Anleger gibt es jedenfalls zahlreiche Gründe für einen Einstieg an der Wiener Börse, zu diesen zählt auch die günstige Bewertung des ATX. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist aufgrund der Korrektur inzwischen auf etwa zwölf gesunken, fürs kommende Jahr schätzt man es bei der Raiffeisen Centrobank sogar nur auf elf. Das sei weniger als der fünfjährige Durchschnitt von 12,5, wie Maurer erläutert. Er hält bis zum Jahresende einen ATX-Stand von rund 3.500 Punkten für möglich. Das wäre gegenüber dem derzeitigen Stand des Leitindex immerhin ein Plus von rund sechs Prozent.
Wie lange die Korrektur indes noch anhält, wird ein gutes Stück davon abhängen, ob der frisch aufgeflammte Disput zwischen den USA und Russland eskaliert. Am vergangenen Mittwoch traten nämlich neue Russland-Sanktionen in Kraft - dies könnte das Interesse von Großanlegern an einem Ost-Investment zunächst noch etwas dämpfen.
Investor-Info
Erste Group Bank
Erfolgreiche Trendwende
Österreichs größte Bankengruppe mit einer Bilanzsumme von 222 Milliarden Euro hat die Trendwende geschafft. Aufgrund der starken Verankerung in Osteuropa waren noch vor wenigen Jahren die Folgen der Finanzkrise für das Institut besonders schmerzhaft. Nun profitiert der Finanzkonzern jedoch deutlich vom Wirtschaftsaufschwung in der Region, wo die Erste beispielsweise in Rumänien mit der Banca Comercială Română und in Tschechien mit der Česká spořitelna präsent ist.
Strabag
Aufbauende Rendite
Der Baukonzern ist vor allem in Österreich sowie in Deutschland im Hochbau und im Verkehrswegebau gut im Geschäft, ein wenig wird auch Osteuropa abgedeckt. Aufgrund des Bundesverkehrswegeplans von 2016 will Deutschland bis 2030 rund 270 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte investieren, davon dürfte Strabag kräftig profitieren. Schon jetzt ist der Auftragsbestand auf einem Rekordhoch. Strabag bietet den Aktionären außerdem eine großzügige Dividendenrendite von rund vier Prozent.
3 Banken Österreich-Fonds
Sorgfältige Auswahl
Seit Jahren gehört das von Alois Wögerbauer gelenkte Portfolio zu den besten in der Kategorie der Österreich-Fonds. Die größten Positionen sind Erste Group Bank und Vienna Insurance, die vom Ostwachstum profitieren. Auch zahlreiche Industrietitel wie Andritz, Voestalpine und Palfinger sind enthalten, die allerdings sensibel auf einen fortgesetzten Handelskrieg reagieren könnten. In dem Fall zahlt es sich aus, wenn ein breit gestreutes Portfolio Rücksetzer besser abfedern kann.
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