DAX-Konzerne: Welche sich über den starken Euro freuen
Der Euro ist der überraschende Gewinner des bisherigen Börsenjahres. Das bringt viele deutsche Unternehmen in Bedrängnis. Einige können aber jubeln.
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von Sven Parplies, Euro am Sonntag
Donald Trump giftet gern gegen die deutschen Autokonzerne. Weil sie angeblich zu wenig Jobs in den USA schaffen. Was der Präsident offenbar nicht weiß: Das größte Werk von BMW steht nicht in Deutschland, sondern in der amerikanischen Provinz. Über 400.000 Fahrzeuge der X-Reihe - das sind die SUVs - hat der DAX-Konzern im vergangenen Jahr in Spartanburg produziert. Mehr als an jedem anderen seiner Standorte. Über 9.000 Menschen arbeiten für BMW im Bundesstaat South Carolina.
Das Werk in Spartanburg ist ein guter Deal für alle Seiten. Einer der Vorteile für BMW: Der Standort in den USA hilft den Münchnern, sich besser gegen die oft wilden Ausschläge der Devisenmärkte zu schützen. Denn anders als etwa am Stammsitz in München fallen in Spartanburg die meisten Kosten in Dollar an. Das erspart dem Konzern viel Aufregung.
Durch die weltweite Expansion sind Währungsschwankungen für Unternehmen zu einer großen Herausforderung geworden. Nach Hochrechnung der Unternehmensberatung EY erwirtschafteten die DAX-Konzerne im vergangenen Jahr die Hälfte ihres Umsatzes außerhalb Europas: 26 Prozent in Nordamerika, 18 Prozent im asiatisch-pazifischen Raum, weitere sechs Prozent im Rest der Welt.
Selbst die Deutsche Post, die ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt noch immer in der Heimat hat, ist rund um den Globus in mehr als 220 Ländern und Territorien unterwegs. Somit gehen viele Währungen durch die Bilanzen. Die Deutsche Lufthansa kam im vergangenen Jahr auf 66 verschiedene Zahlungsmittel.
Viele davon bringen nur kleine Summen in die Kasse und können darum vernachlässigt werden. Tückisch sind einige größere Währungen wie der russische Rubel und der argentinische Peso, die sich aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Situation dieser Länder in der Vergangenheit oft extrem bewegt haben.
Viele Dollar-Verlierer
Am wichtigsten für die Bilanzen ist die größte Währung - der amerikanische Dollar. Seit Jahresbeginn hat der Euro gegenüber der inoffiziellen Weltwährung rund 13 Prozent an Wert gewonnen. Für die meisten DAX- Konzerne ist dieser Kurssprung eine schlechte Nachricht.
Die Commerzbank schätzt, dass - ohne Berücksichtigung der Unternehmen aus dem Finanzsektor - bei 21 von 24 DAX-Unternehmen ein langfristig zum Dollar steigender Euro das Jahresergebnis belastet.
Am stärksten betroffen ist Fresenius. Der Gesundheitskonzern, der sein Geld unter anderem mit Dialysedienstleistungen, Arzneimitteln oder auch Spezialnahrung für Patienten verdient, erwirtschaftete im vergangenen Jahr 47 Prozent seines Umsatzes in Nordamerika. Auch der Chiphersteller Infineon, der Automobilzulieferer Continental sowie die Pharmakonzerne Merck und Bayer sind anfällig für Währungsverluste bei steigendem Eurokurs.
Ein Blick auf die Kurstafel zeigt tatsächlich ein Muster: Seit der Euro seinen Aufwärtstrend Mitte April beschleunigt hat, haben sich die fünf größten Euroverlierer des DAX als Paket im Schnitt mehr als zwei Prozentpunkte schlechter entwickelt als der Index.
Auch die Geschäftsberichte der Unternehmen senden erste Alarmsignale. So hat Merck aufgrund der starken Aufwertung des Euro seine Umsatzprognose für das laufende Jahr leicht gesenkt. Bayer stutzt seine Jahresziele ebenfalls, unter anderem mit Verweis auf die ungünstige Währungsentwicklung.
Der größte Profiteur des Euro-Revivals im DAX ist Adidas. Der Sportartikelkonzern lässt Turnschuhe und Klamotten vor allem bei Dienstleistern in Asien fertigen - dort wird in Dollar abgerechnet.
Das gilt auch für die Materialbeschaffung. Ein starker Euro ist also ein Vorteil für die Franken. Adidas verkauft auch Produkte in den USA, also in Dollar. Unter dem Strich aber überwiegen eindeutig die Vorteile des starken Euro.
Auch ProSiebenSat.1 profitiert. Der Medienkonzern strahlt sein Programm im deutschsprachigen Raum aus, kauft aber viele Senderechte für Filme und Serien in Hollywood ein. Abgerechnet wird dabei in der US-Währung.
Komplexe Modelle
Die Lufthansa profitiert vom erstarkten Euro bei der Treibstoffrechnung, da Flugbenzin in Dollar notiert. Auch bei der Airline fließen viele Faktoren in die Gesamtrechnung ein: Ein extremer Kursanstieg des Euro würde Europäer zu Reisen in die USA animieren, zugleich aber Amerikaner von Reisen nach Europa abhalten. Derzeit bewegen sich die Währungen offenbar in einer für Urlauber auf beiden Seiten des Atlantiks angenehmen Zone - die Lufthansa verzeichnet im bisherigen Jahresverlauf einen Passagierrekord. Unter dem Strich seien die operativen Ausgaben in Dollar höher als die Umsätze in dieser Währung, heißt es bei der Airline.
Alle DAX-Unternehmen - egal ob Gewinner oder Verlierer eines starken Euro - versuchen, Währungsschwankungen einzugrenzen. Denn die Geschäftszahlen sollen die reale Entwicklung des operativen Geschäfts abbilden. Besonders praktisch ist die "natürliche" Absicherung durch Produktion vor Ort - wie bei BMW in Spartanburg. Dazu sind große Investitionen in den Aufbau von Fabriken notwendig. Diese Kosten würden aber auch dann anfallen, wenn ein Werk im Heimatland errichtet wird.
Die Tricks der Konzerne
Weil ein Unternehmen nicht überall selbst produzieren kann, wird ein großer Teil des Währungsrisikos über Derivate am Finanzmarkt abgedeckt. Das kostet Geld, erspart den Unternehmen aber Turbulenzen. So hatte Daimler bereits Ende Juni 90 Prozent seines Dollar-Nettoengagements für 2017 abgesichert. Für das kommende Jahr sind es zwei Drittel. Das dämpft den finanziellen Schaden eines steigenden Euro. Bei ProSiebenSat.1 lag zu Jahresbeginn die Absicherungsquote bei 77 Prozent. In diesem Fall gehen dem Konzern jetzt zwar positive Währungseffekte verloren, entscheidend ist aber auch hier der langfristige Effekt der Absicherung.
Auch Fresenius hat eine Balance gefunden. Der Konzern erwirtschaftet den überwiegenden Teil des Umsatzes mit Dienstleistungen, die in den jeweiligen Ländern erbracht werden, und mit Produkten, die man auch dort herstellt. Kosten und Erlöse entstehen damit in derselben Währung. Schwankungen des US-Dollar oder anderer Fremdwährungen gegenüber dem Euro wirken sich dadurch bei der Umrechnung in die Berichtswährung Euro aus, haben aber wenig Einfluss auf die Profitabilität.
Auf lange Sicht gleichen sich Währungsbewegungen oft aus. Der Euro schwankte in seiner Historie zwischen 83 US-Cent und 1,60 Dollar, also recht deutlich. Zum Start im Januar 1999 notierte die europäische Einheitswährung bei 1,18 Dollar - fast exakt auf dem aktuellen Niveau.
Investor-Info
Währungskurve
Starkes Comeback
Der Euro hat sich zum Dollar deutlich erholt. Charttechnisch wichtig war der Ausbruch über das Vorjahreshoch von 1,15 Dollar. Ein Anstieg bis 1,25 Dollar wäre keine Überraschung. Selbst dann wäre der Euro noch immer weit entfernt vom Top des Jahres 2014.
Adidas
Euro-Meister
Für den Sportartikelkonzern kommen derzeit viele positive Faktoren zusammen: Im operativen Geschäft läuft es gut. Adidas ringt dem US-Rivalen Nike Marktanteile ab. Der steigende Euro drückt zugleich die Kosten der Franken. Handicap ist die hohe Bewertung der Aktie. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist durch steigende Gewinnschätzungen zuletzt aber etwas gesunken. Charttechnisch attackiert die Aktie das im August markierte Allzeithoch. Für offensive Anleger.
Fresenius
Substanz entscheidet
Die Aktie des Gesundheitskonzerns hat seit Juni mehr als zehn Prozent an Wert verloren. Ein Grund dürften die Währungsturbulenzen sein. Langfristig orientierten Anlegern bietet der Rückschlag eine Einstiegsgelegenheit. Fresenius sollte als Gesundheitskonzern von großen Trends wie der alternden Gesellschaft profitieren. Negative Währungseffekte sollten inzwischen im Kurs verarbeitet sein. Die Aktie bleibt ein Favorit der Redaktion.
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