thyssenkrupp: Warum die Aktie neu bewertet wird
Die Stahlhochzeit mit Tata ist auf dem Weg, Bilanz und Ergebnisse des DAX-Konzerns sollen spürbar profitieren. Für einen Abschluss braucht der Chef aber auch das Okay der Arbeitnehmer.
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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag
Der Chef war sichtlich erleichtert. Heinrich Hiesinger tat mit guter Laune kund, womit Börsianer wie auch Tausende Mitarbeiter des Stahl- und Industriekonzerns schon lange gerechnet hatten: Die Essener wollen ihre europäischen Stahlaktivitäten mit dem Europa-Geschäft der indischen Tata verschmelzen - so die Absichtserklärung.
Anfang kommenden Jahres soll der endgültige Vertrag für ein 50 : 50-Joint-Venture unterzeichnet werden, Ende 2018 soll der Abschluss erfolgen, mit dem Hiesinger den gordischen Knoten durchschlagen will, an dem er sich seit seinem Amtsantritt vor gut sechs Jahren in Essen abmüht: einer Lösung für das problembehaftete einstige Kerngeschäft Stahl.
Während die Industriegütergeschäfte wie die Aufzugsparte, der Anlagenbau oder das Komponentengeschäft beinahe stetig wachsen und ordentliche Gewinnmargen abliefern, setzt der hochvolatile Stahlbereich die Ergebnisse des DAX-Konzerns immer wieder unter Druck. "Wir haben die Edelstahlaktivitäten bereinigt, lange und hart an einem Verkauf von Steel Americas gearbeitet und hier jüngst einen Abschluss erreicht. Jetzt haben wir eine nachhaltige Lösung für das europäische Stahlgeschäft", sagte Hiesinger.
Das Grundproblem der Branche sind Überschusskapazitäten und permanenter Preisdruck. Der führe dazu, dass die Stahlsparte "alle drei bis vier Jahre" ein Sparprogramm aufsetzen müsse, so der Vorstand. Der anhaltende Restrukturierungsdruck sowie der hohe Kapitalbedarf von Hochöfen, Stahlwerken und Weiterverarbeitungsstufen schreien geradezu nach Größe.
Starke Nummer 2
Mit Tata wollen sich die Essener hinter Marktführer ArcelorMittal zu einer "wirklich starken Nummer 2" in Europa aufstellen. Rund 15 Milliarden Euro Jahresumsatz soll die künftige thyssenkrupp Tata Steel mit ihren etwa 48.000 Mitarbeitern stemmen. Die Partner haben sich schon vor der Hochzeit schön schlank gemacht. Auch das größte Werk von Tata in Großbritannien, im walisischen Port Talbot gelegen, schreibt laut Hiesinger inzwischen operative Gewinne. So dürfte ein ansehnlicher operativer Gewinn des Stahl-Joint-Ventures herausspringen. Das Düsseldorfer Bankhaus Lampe schätzt ihn auf über 1,5 Milliarden Euro jährlich.
Große Synergien
Die Unternehmen ergänzen sich gut, Tata ist in Benelux und Großbritannien stark, wo thyssen Lücken hat. Zudem sei das Kunden- und Produktspektrum komplementär, hieß es. Tata beliefere hauptsächlich die Industrie, während der Stahl von thyssen vor allem in die Automobilproduktion gehe.
Synergien soll es vor allem in der Verwaltung sowie im Einkauf geben, das bringt bis 2020 pro Jahr 400 bis 600 Millionen Euro - geht aber nicht ohne Jobabbau. 4.000 Mitarbeiter müssen weichen, die Hälfte davon bei thyssenkrupp. Die Gewerkschaften organisierten eine erste Demonstration am Freitag, es kam zu Produktionsausfällen.
Für thyssenkrupp - und seine Aktionäre - wäre die Fusion, erhielte sie im Aufsichtsrat grünes Licht, ein strategischer Durchbruch. Denn nicht nur die Ergebnisse dürften sich verstetigen, auch die noch immer wackelige Bilanz würde deutlich aufgewertet.
Rund vier Milliarden Euro an Verbindlichkeiten, davon etwa 3,6 Milliarden an Pensionsverpflichtungen, will thyssenkrupp im Joint Venture auslagern. Kennziffern wie die Eigenkapitalquote oder der Verschuldungsgrad würden deutlich verbessert - und somit letztlich die Kreditwürdigkeit. Die Kapitalkosten dürften sinken. "Aus Investorensicht ist die Stahlfusion mit Tata ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Technologiekonzern. Eine zügige Umsetzung muss jetzt oberste Priorität haben, damit thyssenkrupp endlich wieder auf ein solideres Fundament gestellt wird", sagt Experte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment.
Jetzt muss sich der Vorstand erst mal mit der Belegschaft auseinandersetzen. "Herrn Hiesinger muss klar sein, dass er am Ende für die Umsetzung einer Fusion die Zustimmung des Aufsichtsrats braucht", hieß es von Arbeitnehmervertretern. Seine gute Laune wird Hiesinger brauchen, er hat noch ein hartes Stück Arbeit vor sich.
Investor-Info
thyssenkrupp
Blick wandelt sich
Die Grundstruktur einer Stahlfusion steht, die Auseinandersetzung mit der Arbeitnehmerseite aber kommt noch. Die Chancen stehen jedoch ziemlich gut, dass der Deal durchgeht. Das würde die Bilanz deutlich entlasten. Langfristig kann sich thyssenkrupp dann auf die rentablen Industriegütersparten konzentrieren. Noch wird der Titel von Börsianern eher als Stahl- denn als Industriegüterkonzern gesehen und bewertet. Höhere Multiplikatoren aber bringen dauerhaft Kurspotenzial.
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Bildquellen: thyssenkrupp AG
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