Singulus: Der helle Wahnsinn!

von Stephan Bauer, €uro am Sonntag

Es war eine brutale Zeit. Binnen drei Jahren sind wir von 100 auf null ­abgebremst worden", erinnert sich Stefan Rinck. Seit acht Jahren arbeitet der Vorstandschef bei Singulus. Ursprünglich wollte er mit Maschinen zur Herstellung von DVDs und Blu-Rays gute Geschäfte machen. Doch dann kaufte plötzlich niemand mehr die Anlagen des Maschinenbauers mit Sitz in Kahl am Main. Der Siegeszug des Videostreaming ließ das Geschäft abrupt abstürzen.

Konzernfinanzen und Aktienkurs stürzten mit. Nur knapp schrammte Singulus an der Insolvenz vorbei. Zäh hat Rinck seither mit seiner Mannschaft am Neustart gearbeitet. Mit Erfolg: Das Know-how bei Ober­flächentechnologien kommt wieder bei den Kunden an. Als Rettung erwies sich eine Technologie zur Beschichtung von Glas. Heute sind Maschinen zur Produktion von Dünnschicht­solarzellen das Kerngeschäft.

Der Durchbruch gelang Mitte 2016, als der chinesische Staatskonzern CNBM einen Großauftrag über 110 Millionen Euro ­unterschrieb. Der Baustoffkonzern, größter Zementhersteller im Reich der Mitte, produziert auch Glas. Die Chinesen wollten ihre Produktpalette ausbauen und aus Glasscheiben mithilfe der Singulus-Technik Dünnschichtsolarzellen herstellen.

Anlagen für zwei Werke haben die Hessen an den Baumaterialhersteller schon geliefert. Derzeit arbeitet Rinck an einem Folgeauftrag über zwei weitere Anlagen. Der Chef rechnet sich große Chancen aus. "Diese Anlagen sind maßgeschneidert für CNBM. Ich gehe davon aus, dass das klappt", sagt der Vorstand. Die Zusammenarbeit ist so eng, dass die Chinesen laut Rinck bereits eine mögliche Beteiligung signalisiert haben. Auch hier ist allerdings noch nichts konkret.

Die Abhängigkeit vom Großkunden, der in diesem Jahr für etwa 35 Prozent des Gesamtumsatzes steht, will Rinck dennoch verringern. Deshalb erweitert Singulus seit einiger Zeit das Portfolio. "Wir sehen uns alle möglichen Produkte an, die hochwertig behandelte Oberflächen benötigen", sagt der Chef.

Beschichtete Kunststoffe für die Automobilindustrie sind ein Feld, ein anderes die Medizintechnik. Soeben hat die Novartis-­Tochter Alcon Maschinen zur Herstellung von Kontaktlinsen für über zehn Millionen Euro bei den Hessen geordert.

Finanziell ist Singulus allerdings immer noch zartbesaitet. Das Geschäft ist kapitalintensiv, die Zahlungseingänge erfolgen typischerweise sehr punktuell. In diesem Jahr führt das dazu, dass die Firma operativ Geld verliert, sprich einen negativen Cashflow erwirtschaftet. In den ersten neun Monaten flossen rund 18 Millionen Euro ab. Um den Bedarf auch für die Alcon-­Maschinen zu decken, haben die Hessen kurzfristig eine Kapitalerhöhung um zehn Prozent angesetzt. Gute zehn bis elf Millionen Euro sollen reinkommen, die dünne Eigenkapitalquote - zuletzt lag sie bei 16 Prozent - soll etwas dicker werden.

Gewinnschwelle nah

Für 2018 rechnet Rinck mit ­einem Mittelzufluss aus dem laufenden Geschäft. Zugleich soll - nach dem geplanten Erreichen der Gewinnschwelle vor Steuern im laufenden Jahr - auch ein deutlich positives Ergebnis herausspringen. In den ersten neun Monaten 2017 gelang der Turn­around auch deshalb, weil die Kosten reduziert wurden. "Wir schaffen die Gewinnschwelle jetzt mit geringerem Umsatz", sagt Rinck.

Bei Dünnschichtsolarzellen rechnet er sich große Chancen aus. Auftrieb soll auch ein Joint Venture mit GDC bringen, dem größten Hersteller von Siliziumwafern in China. Mit ihm will Rinck hocheffiziente kristalline Solarzellen herstellen. "Wir wollen wachsen und Gewinne schreiben", lautet das Ziel des Vorstands für 2018.

Investor-Info

Singulus
Heiße Technologieaktie

Die Aktie hat einen tiefen Absturz hinter sich. Der Kurs zog nach der Beinahepleite wieder langsam an. Zuletzt sorgten mehrere positive Meldungen für stark steigende Kurse. Erfreulich ist der Erfolg im Medizinbereich, auch das Joint Venture bei kristalliner Solartechnik birgt Chancen. Die Aktie ist aber immer noch sehr riskant: Die Konzernfinanzen sind fragil. Springt Großkunde CNBM ab, droht eine neue Krise. Noch nicht zu teuer. Mutige kaufen, ­limitieren aber ihre Order.