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Netflix: Was nach dem großen Ausverkauf bei der Netflix-Aktie kommt

09.02.22 09:02 Uhr

Netflix: Was nach dem großen Ausverkauf bei der Netflix-Aktie kommt | finanzen.net

Der Medienkonzern Netflix wächst langsamer als erwartet. Börsianer sind geschockt, das Management sieht keine großen Probleme. Was für ein Comeback der Aktie spricht.

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von Sven Parplies, Euro am Sonntag

Die Herren um Konzernchef Reed Hastings sind gut gelaunt. Es wird gescherzt, gelacht. Auch Eigenlob darf nicht fehlen: Die Netflix-Show "Squid Game" sei zu einem weltweiten Phänomen geworden. Mit "Red Notice" und "Don’t Look Up" seien Netflix die größten Filmstarts aller Zeiten gelungen. Man sei "ziemlich zufrieden" mit dem Schlussquartal 2021, resümiert Finanzchef Spencer Neumann in der über das Videoportal Youtube veröffentlichten Konferenz der Konzernspitze.

Ein Problem gibt es aber doch: Die Zahl der Abonnenten ist nicht so stark gewachsen, wie man sich das gewünscht habe, konstatiert Neumann. Konkret: Um 8,3 Millionen ist der Kundenkreis von Netflix im vierten Quartal gestiegen. Das sind 200.000 weniger, als es der Konzern in Aussicht gestellt hatte. Die Enttäuschung kam ausgerechnet in einem Quartal, in dem der Streamingdienst eine außergewöhnlich große Menge an prominenten Inhalten auf den Markt geworfen hat.

Auch der Geschäftsausblick enttäuschte. Für das laufende Quartal kalkuliert Netflix lediglich mit 2,5 Millionen zusätzlichen Abonnenten. Das wären 1,5 Millionen weniger als im Auftaktquartal des Vorjahres. Aus Sicht der Börse sind das ernüchternde Zahlen. Zwar ist Netflix mit inzwischen 222 Millionen Kunden ein Medienriese, das aber ist längst im Aktienkurs verarbeitet. Allein über die vergangenen zehn Jahre stieg der Börsenwert in der Spitze um mehr als 5.000 Prozent auf 310 Milliarden Dollar. Die Sorge ist jetzt, dass der Konzern seinen Zenit erreicht haben könnte.

Harter Wettbewerb

Zwei Interpretation der Netflix-Welt prallen aufeinander: Die Skeptiker verweisen schon seit Längerem auf den sich verschärfenden Konkurrenzkampf der Online-Videotheken. Neben Amazon, Google oder auch Apple ist vor allem Disney ein gefährlicher Rivale, weil das Maus-Haus mit seinen Filmstudios und starken Marken massehaft Filme und Sendungen produziert. Der Wettbewerb verändert den Markt: Die Produktionskosten dürften im Kampf um die besten Köpfe und Drehbücher weiter steigen; Preisanhebungen für Zuschauer werden schwerer durchzusetzen sein; Kunden dürften stärker zwischen den Anbietern springen und damit eine zuverlässige Planung erschweren. Netflix stünde damit an einem schmerzhaften Wendepunkt: Börsianer lieben stark wachsende Unternehmen - verabschieden sich aber schnell, wenn die Wachstumsdynamik abflaut.

Auch die Profitabilität von Netflix bleibt ein heißes Thema: Das Minus beim Free Cashflow hat sich im vierten Quartal auf 569 Millionen Dollar verdoppelt. Für das Gesamtjahr 2021 blieb bei dieser wichtigen Kennziffer ein Minus von 159 Millionen. Das deckt sich nur bei wohlwollender Interpretation mit der Konzernprognose eines in etwa ausgeglichenen Werts.

Bei Netflix bemüht man sich um Gelassenheit: Chef Hastings verweist auf einen langfristigen Wandel der Medienbranche - weg vom klassischen TV-System, hin zum flexibleren Internetstreaming. Das Wachstumspotenzial sei noch immer groß, betont er. Ab dem kommenden Jahr verspricht er einen positiven Free Cashflow.

Der weltweite Erfolg der südkoreanischen Serie "Squid Game" bestätigt das Geschäftsmodell: Der Thriller fesselte Zuschauer allein in den ersten vier Wochen 1,65 Milliarden Stunden an den Bildschirm. Über die sozialen Medien wurde die Serie heißt diskutiert, was für Netflix kostenlose Werbung bedeutet. Der Erfolg von "Squid Game" zeigt, dass man nicht nur mit bombastischen US-Produktionen und Hollywood-Stars wie Jennifer Lawrence und Leonardo DiCaprio, den Hauptdarstellern der Weltuntergangssatire "Don’t Look Up", erfolgreich sein kann.

Erschwert wird die Lagebeurteilung durch die Pandemie, die die Geschäftsentwicklung auch bei Netflix stark verzerrt: In der ersten Phase der COVID-Krise verkrochen sich Millionen Menschen zu Hause. Netflix mit seiner riesigen Bibliothek an Filmen und Serien half gegen Langeweile. Allein im ersten Quartal 2020 stieg die Zahl der Abonnenten um 15,8 Millionen, mehr als doppelt so stark wie erwartet. Auch im zweiten Quartal lag Netflix mit 10,1 Millionen klar über seiner Zielmarke. Eine Normalisierung nach dem Corona- Boom sollte jetzt also niemanden überraschen.

Neue Märkte

Eine unterschätzte Nebenrolle in der Konzernbilanz spielen Währungseffekte. Da die Masse der Kosten in Dollar anfallen, inzwischen aber 60 Prozent des Umsatzes in internationalen Märkten erwirtschaftet werden, drückt die zuletzt erstarkte US-Währung die Erträge: Rund eine Milliarde Dollar Umsatz werde das im neuen Jahr kosten, kalkuliert der Konzern, der auf Währungsabsicherungen bewusst verzichtet. Der internationale Markt dürfte in Zukunft weiter an Gewicht gewinnen, vor allem in Asien hat das Streamingportal deutliches Potenzial.

Die aktuell enttäuschenden Zahlen aus der Netflix-Zentrale kommen zu einem extrem ungünstigen Zeitpunkt: Börsianer sind durch die anstehende Zinswende der amerikanischen Notenbank höchst nervös. Vor allem Wachstumswerte stehen unter verschärfter Beobachtung. Der Absturz der Netflix-Aktie ist selbst in diesem Umfeld extrem: Nach Veröffentlichung der Quartalszahlen rauschte der Kurs an nur einem Tag um 22 Prozent in die Tiefe. Nach dem Rekordhoch im November vergrößerte sich das Minus auf 50 Prozent. Rund 155 Milliarden Dollar Börsenwert gingen, zumindest vorerst, verloren.

Positiver Nebeneffekt des Absturzes: Auch die Bewertungskennziffern sind deutlich runtergekommen. Auf Basis der von Analysten für das laufende Jahr erwarteten Unternehmensgewinne liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis knapp über 30. Sollte der Konzern die Erwartungen im operativen Geschäft erfüllen, würde diese Kennziffer bis zum Jahr 2024 auf etwa 22 schrumpfen. Netflix ist aktuell so niedrig bewertet wie seit über zehn Jahren nicht.

Drama: Charttechnisch ist die Lage noch immer angespannt, fundamental bietet der Kurssturz eine Einstiegsgelegenheit.









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