Euro am Sonntag-Aktien-Check

Linde: Reitzle bekommt seinen Weltmarktführer

01.11.18 15:40 Uhr

Linde: Reitzle bekommt seinen Weltmarktführer | finanzen.net

Der DAX-Konzern Linde hat alle Genehmigungen für die Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair erhalten. Eine Garantie für den Erfolg des Gemeinschaftsunternehmens Linde plc ist das noch lange nicht.

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von Sabine Gusbeth, Euro am Sonntag

Bis zuletzt musste Wolfgang Reitzle zittern. Seit mehr als zwei Jahren treibt der 69-Jährige den Zusammenschluss von Linde und US-Konkurrent Praxair zum weltgrößten Anbieter von Industriegasen voran. Erst am Montagnachmittag, 56 Stunden vor Ablauf der Frist, kam die erlösende Nachricht aus den USA: Die Wettbewerbs­behörde FTC gab grünes Licht, wenn auch unter Auflagen. Um diese zu erfüllen, muss Linde noch einige Geschäftsteile in den USA verkaufen.



Durch den Zusammenschluss entsteht ein neuer Weltmarktführer, der 2017 einen kombinierten Umsatz von umgerechnet 24 Milliarden Euro erzielt hätte und voraussichtlich eine Marktkapitalisierung von 75 Milliarden Euro erreicht. Zum Vergleich: Die bisherige Nummer eins, Air Liquide aus Frankreich, kam auf einen Umsatz von 20,3 Milliarden und einen Börsenwert von 45 Milliarden Euro.

Die Zusammenlegung soll rund eine Milliarde Euro an Kosten einsparen. Künftig firmiert der Gasekonzern unter dem Namen Linde plc, hat den Verwaltungssitz in Dublin und wird vom bisherigen Praxair-Chef Steve Angel geführt. Kontrolliert wird das Unternehmen von Wolfgang Reitzle, der als Verwaltungsratschef deutlich mehr operativen Einfluss haben wird denn als Aufsichtsratschef.


Der langjährige Linde-Chef hat den Zusammenschluss gegen viele Widerstände durchgedrückt. Nicht nur die Gewerkschaften fürchten um Arbeitsplätze. Reitzle wird auch vorgeworfen, Linde unter Preis in das Gemeinschaftsunternehmen eingebracht zu haben. Denn mit einem Umsatz von zuletzt 17,1 Milliarden Euro ist der DAX-Konzern deutlich größer als Praxair mit umgerechnet 9,5 Milliarden Euro. Der US-Konkurrent ist jedoch profitabler und erwirtschaftete trotz des geringeren Umsatzes 2017 knapp eine Milliarde Euro Gewinn. Bei Linde waren es 1,4 Milliarden Euro.

Grenze überschritten

Allerdings betreiben die Münchner neben dem lukrativen Gasegeschäft, mit Margen von bis zu 30 Prozent, auch den zuletzt schwächelnden Anlagenbau, der die Profitabilität beeinträchtigte. Wie es mit Letzterem weitergeht, ist bislang noch unklar. In der Angebotsunterlage zum Aktientausch ist von einer "möglichen rechtlichen Verselbstständigung des Engineering-Bereichs" die Rede.



Nicht nur intern stieß Reitzles Plan auf Hindernisse. Die von den Kartellbehörden geforderten Zwangsverkäufe fallen höher aus, als von den Unternehmen erwartet. Anfangs war von einer Schmerzgrenze von 3,7 Milliarden Euro an Umsatz die Rede. Diese wurde jedoch überschritten.

Ob der Zusammenschluss ein Erfolg wird, muss sich nun zeigen. Die Genehmigung der Wettbewerbshüter war erst der Startschuss für die Integration. In den nächsten Jahren dürfte das Unternehmen vor allem mit sich selbst beschäftigt sein.

Squeeze-out geplant

An den Börsen soll die Transaktion zum 31. Oktober abgeschlossen sein. Dazu werden die zum Umtausch eingereichten Linde-Aktien in Papiere der Linde plc umgewandelt. Diese sind ab Montag handelbar und in den Indizes DAX, Euro Stoxx und S & P 500 gelistet. Die ISIN ändert sich zu IE 00B Z12 WP8 2.

Aktionäre, die noch Anteile der alten Linde AG halten, sollen mit 188,24 Euro pro Aktie zwangs­weise abgefunden werden. Über den sogenannten Squeeze-­out muss eine außerordentliche Hauptversammlung entscheiden. Diese könnte noch 2018 stattfinden. Es ist aber davon auszugehen, dass der Beschluss angefochten wird und eventuell vor Gericht ein Aufschlag auf die angebotene Barabfindung herausgehandelt werden kann.

Den Zusammenschluss wird das nicht mehr aufhalten. Wolfgang Reitzle kann aufatmen.





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Bildquellen: Linde, The Linde Group

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