Bayer: Milliardenvernichter teuer eingekauft
Der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer hat ein bedeutendes Gerichtsverfahren in den USA verloren. Nun drohen dem davon offenbar überraschten Unternehmen sehr hohe Schadenersatzforderungen.
von Matthias Fischer, Euro am Sonntag
Die milliardenschwere Übernahme des US-Agrarchemie-Unternehmens Monsanto könnte für Bayer zum Desaster werden. Monsanto hat nicht nur weltweit einen schlechten Ruf, sondern stellt auch das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat her. Das Mittel steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Bayer streitet das vehement ab - und hat nun in den USA eine herbe Schlappe erlitten: Eine Jury des zuständigen Bundesbezirksgerichts in San Francisco entschied, dass Glyphosat ein wesentlicher Faktor für die Lymphdrüsenkrebserkrankung des Klägers Edwin Hardeman gewesen sei.
Wegweisendes Verfahren
Dem Prozess bekommt eine besondere Bedeutung zu: Bei ihm handelt es sich um ein Verfahren im Rahmen einer sogenannten Multidistrict Litigation. Dabei wird die Beweiserhebung für mehrere Klagen an einem Gericht gebündelt. Der Hardeman-Prozess gilt deshalb als wegweisend für über 600 weiterer Klagen.
Nun geht das Verfahren in die zweite Runde, in der geklärt werden soll, ob Hersteller Monsanto über die Risiken nicht richtig aufgeklärt hat und wie hoch der mögliche Schadenersatz ausfällt. Das ist auch der Grund, warum die Bayer-Aktie massiv fällt und angesichts ihres großen Gewichts im DAX den ganzen Index mit nach unten zieht. Sollte Monsanto nämlich für haftbar befunden werden, wird dies den Leverkusener Traditionskonzern in der Folge eine Menge Geld kosten. Denn gegen Monsanto ergießt sich eine ganze Klagewelle, Ende Januar waren es 11.200 Stück.
Daraus könnten sich gigantische Schadenersatzforderungen ergeben. Die Prognosen von Analysten lassen gruseln: Mainfirst schätzt elf Milliarden Euro, Kepler Cheuvreux gar 20 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Aktuell liegt der gesamte Börsenwert des Konzerns bei knapp 60 Milliarden Euro.
Besonders bitter: Bayer scheint selbst von der Entwicklung überrascht zu sein. Bei der Bilanzvorlage Ende Februar hatte Konzernchef Werner Baumann eingeräumt, dass noch keine verlässliche Abschätzung der Kosten möglich sei. "Wir müssen eine gewisse Anzahl von Verfahren durchprozessieren, um Klarheit zu bekommen, in welche Richtung es geht", zitiert ihn die "Börsenzeitung". Für mögliche Schadenersatzzahlungen rund um Glyphosat hat Bayer nach eigenen Angaben aber noch keine Rückstellungen gebildet.
Bittere Pillen
Für die Aktionäre des Konzerns sind das gleich aus mehreren Gründen ziemlich schlechte Nachrichten. Zum einen wird sich die Bayer-Aktie allein wegen der risikobehafteten Perspektiven kurzfristig kaum zum Überflieger entwickeln. Der Druck auf die Aktie könnte sich vielmehr noch verstärken. Denn die etwaigen Milliarden Euro, die an Schadenersatz fällig würden, stünden in der Folge nicht mehr für die Aktionäre zur Verfügung. Dabei hatte Bayer ihnen zuletzt angesichts des mauen Kursverlaufs versprochen, Aktien zurückzukaufen und die Dividende zu erhöhen. Und das, obwohl schon jetzt der Konzern ohne Schadenersatzforderungen unter einer hohen Schuldenlast ächzt.
Damit scheint sich zu bewahrheiten, was der ehemalige Bayer-Chef Marijn Dekkers schon im Jahr 2016 geahnt hatte: dass der Kauf von Monsanto, der schon damals in Erwägung gezogen worden war, zu riskant sei. Sein Nachfolger Werner Baumann hatte weniger Hemmungen, kaufte Monsanto und hat sich so große Risiken in den Konzern geholt.
Der Börsenwert von Bayer, einst das teuerste börsennotierte Unternehmen Deutschlands, hat sich im Gefolge der Monsanto-Übernahme halbiert.
Eines steht jedenfalls schon jetzt fest: An Glyphosat wird Bayer noch ziemlich lange zu knabbern haben. Solche Verfahren können in den USA mehrere Jahre dauern.
Die Aktie wurde nach dem Urteil abgestraft, der charttechnische Aufwärtstrend ist gebrochen. Engen Stopp setzen.
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