Ukraine-Krieg: Erste russische Einheiten dringen in Kiew vor
Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine sind nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums die ersten russische Einheiten in die Hauptstadt Kiew vorgedrungen.
Die russische Armee ist bei ihrem Angriffskrieg auf die Ukraine bis in die Hauptstadt Kiew vorgedrungen. Das ukrainische Verteidigungsministerium meldete am Freitag russische "Saboteure" im nördlichen Stadtbezirk Obolon. Außenminister Dmytro Kuleba berichtete zudem von "schrecklichen russischen Raketenangriffen" auf die Millionenstadt. Seit Beginn der großangelegten Invasion wurden auf ukrainischer Seite nach offiziellen Angaben mehr als 130 Soldaten getötet.
Russland hatte nach monatelangem Truppenaufmarsch an den Grenzen am Donnerstag eine Offensive aus verschiedenen Richtungen gestartet. Während Panzer in die ehemalige Sowjetrepublik vorstießen, gab es Luftangriffe im ganzen Land. In Kiew flüchteten die Menschen zum Schutz auch in U-Bahnhöfe.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind inzwischen in der Ukraine schon 100 000 Menschen auf der Flucht. Die UN stellen sich aber auf bis zu vier Millionen ein, sollte sich die Situation weiter verschlechtern. Schon jetzt seien Tausende in Nachbarländer wie Polen, Moldau, die Slowakei und auch Russland geströmt, hieß es vom Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Die Ukraine hat annähernd 42 Millionen Einwohner.
Putin hatte am Donnerstag nach monatelangem Truppenaufmarsch an den Grenzen eine Offensive aus verschiedenen Richtungen gegen das Nachbarland gestartet. Während Panzer in die ehemalige Sowjetrepublik vorstießen, gab es Luftangriffe im ganzen Land. In Kiew flüchteten die Menschen zum Schutz auch in U-Bahnhöfe.
>Die genaue militärische Lage blieb undurchsichtig. Russland setzte eigenen Angaben zufolge insgesamt 118 ukrainische Militärobjekte "außer Gefecht" - darunter elf Militärflughäfen. Dem Verteidigungsministerium zufolge wurden auch fünf ukrainische Kampfflugzeuge und ein Hubschrauber abgeschossen. Ein Militärsprecher bestätigte zudem, dass die Russen das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl erobert haben, knapp 70 Kilometer von Kiew entfernt.
Nach ukrainischen Angaben erlitten die russischen Truppen ihrerseits schwere Verluste. Das Verteidigungsministerium sprach von 30 zerstörten russischen Panzern, 130 Panzerfahrzeugen, 7 Flugzeugen und 6 Hubschraubern. Etwa 800 russische Soldaten seien getötet worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einer Videobotschaft, die ukrainische Armee habe am ersten Tag der Invasion 137 Soldaten verloren, 316 Soldaten seien verletzt worden. Russland habe das gesamte Staatsgebiet angegriffen und gehe auch gezielt gegen die Zivilbevölkerung vor. Die Russen machten entgegen ihrer Zusicherung keinen Unterschied zwischen militärischen Zielen und Wohnhäusern, so Selenskyj. Zugleich hielt er dem Westen mangelnde Unterstützung vor: "Wir verteidigen unseren Staat allein. Die mächtigsten Kräfte der Welt schauen aus der Ferne zu."
Selenskyj mutmaßte, dass der Angriff dazu dienen soll, ihn zu stürzen. "Nach unseren Informationen hat mich der Feind zum Ziel Nr. 1 erklärt, meine Familie zum Ziel Nr. 2", sagte er - eine Einschätzung, die die US-Regierung teilt. Schon am späten Donnerstagabend hatte Selenskyj eine allgemeine Mobilmachung angeordnet, die für 90 Tage gelten soll und die Einberufung von Wehrpflichtigen und Reservisten vorsieht. Wie viele Männer betroffen sein werden, sagte der 44-Jährige nicht.
Nach Angaben des Generalstabs in Kiew lieferten sich ukrainische Truppen in der Nähe der Hauptstadt heftige Gefechte. In der Metropole heulten mehrfach die Sirenen, wie ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Die U-Bahn-Stationen der Hauptstadt mit etwa 2,8 Millionen Einwohnern dienten als Schutzräume. Angriffe wurden auch aus anderen Landesteilen gemeldet, auch aus dem Süden.
Angst vor russischem Vorstoß in Kiew
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew herrscht angesichts eines erwarteten russischen Vorstoßes Angst auf den Straßen. Ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur berichtete, mit Sturmgewehren bewaffnete Patrouillen seien in der Innenstadt unterwegs. Straßen und Plätze waren leer. Außenminister Dmytro Kuleba hatte zuvor von "schrecklichen russischen Raketenangriffen" auf die Stadt mit knapp drei Millionen Einwohnern berichtet.
Das ukrainische Verteidigungsministerium rief die Bevölkerung dazu auf, russische Militärfahrzeuge überall zu blockieren. "Kommt mit ukrainischen Flaggen auf die Straßen, filmt die russischen Besatzer. Zeigt ihnen, dass sie hier nicht erwünscht sind, dass ihnen jeder Widerstand leisten wird", hieß es in einem emotionalen Appell. Von Kampfhandlungen sollten sich die Bewohnerinnen und Bewohner aber fernhalten, damit das ukrainische Militär "seine Arbeit erledigen" könne.
Unterdessen verbrachten auch im Osten des Landes Menschen die Nacht in Luftschutzbunkern. "Es kamen immer mehr Menschen, je länger die Nacht dauerte", schrieb die 34-jährige Jewgenija Andrejewna aus der zweitgrößten Stadt Charkiw der Deutschen Presse-Agentur. "Alle kamen mit ihren Haustieren." Am Morgen habe sie zunächst wieder in ihre Wohnung zurückkehren können.
Ukrainischer Militärsprecher: Kämpfe nahe Kiew
Das ukrainische Militär kämpft im Großraum Kiew eigenen Angaben zufolge gegen russische Truppen. Mit Blick auf zwei Orte im Nordwesten der Hauptstadt sagte Militärsprecher Olexij Arestowytsch am Freitag vor Journalisten: "Dort gibt es jetzt schon Kämpfe." Kiew selbst bereite sich auf Verteidigung vor. Die ukrainische Armee habe "einige" russische Hubschrauber und Militärtechnik zerstört. Solche Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Zuvor hatte das Verteidigungsministerium die Bevölkerung in Kiew aufgerufen, sogenannte Molotow-Cocktails zum Kampf vorzubereiten und Sichtungen über russische Militärtechnik zu melden. Einwohner sollten ihre Wohnungen nicht verlassen. Das ukrainische Heer warnte, russische Einheiten nutzten teilweise eroberte ukrainische Technik.
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KIEW (dpa-AFX)
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