Drastische Maßnahmen

TUI-Aktie bricht massiv ein: TUI zieht Jahresprognose - Großteil des gesamten Reisegeschäfts eingestellt

16.03.20 18:06 Uhr

TUI-Aktie bricht massiv ein: TUI zieht Jahresprognose - Großteil des gesamten Reisegeschäfts eingestellt | finanzen.net

Der weltgrößte Touristikkonzern TUI setzt wegen der Coronavirus-Pandemie den Großteil seines Reisegeschäfts aus.

Der Schritt betrifft Pauschalreisen, Kreuzfahrten und den Hotelbetrieb. Am Montag stoppte das Unternehmen ähnlich wie die kleineren Rivalen FTI und Alltours vorerst alle Reisen aus Deutschland. "Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, alle Urlauber wieder zuverlässig nach Hause zu bringen?, sagte TUI-Deutschlandchef Marek Andryszak. Einem Sprecher zufolge geht man im Unternehmen davon aus, den Betrieb in einigen Wochen wieder aufnehmen zu können. Dennoch will TUI jetzt Staatsgarantien beantragen.

Nachdem das Auswärtige Amt inzwischen von nicht notwendigen Auslandsreisen abrät, sagte TUI Deutschland das komplette Reiseprogramm bis 27. März ab. "Im Moment befinden wir uns alle in einer nie dagewesenen Ausnahmesituation", sagte TUI-Manager Andryszak. Für Kunden, die bereits verreist sind, gelte: Viele Rückflüge würden wie geplant durchgeführt. Für die übrigen Gäste finde TUI eine Lösung.

"Für TUI bricht damit vorübergehend nahezu die gesamte Geschäftsgrundlage weg", schrieb Branchenexperte Wolfgang Donie von der Landesbank NordLB. "Das wichtige Ostergeschäft dürfte komplett ins Wasser fallen." Zudem erwartet er negative Folgen für die Hauptreisezeit im Sommer: Selbst wenn die Einschränkungen in einigen Wochen aufgehoben würden, werde die hohe Verunsicherung in der Bevölkerung wohl auch zu einem deutlichen Rückgang der Buchungen für den Sommer führen.

Zuvor hatte der Konzernführung um TUI-Chef Fritz Joussen den weitgehenden Betriebsstopp damit begründet, dass das Unternehmen "einen Beitrag zu den weltweiten Bemühungen der Regierungen leisten" wolle, die Folgen der Verbreitung des Covid-19-Erregers abzuschwächen. Zudem haben die Regierungen wichtiger Urlaubsländer wie Italien und Spanien wegen der Virusfolgen Ausgangssperren verhängt. In Europa ist Spanien nach Italien am stärksten von der Krise betroffen.

"Wir arbeiten daran, die Gäste auch von dort zurückzuholen", sagte der TUI-Sprecher. "Uns ist klar, dass die Gäste nicht mehr in einem Hotel bleiben wollen, in dem die Bar vielleicht noch eine Stunde am Tag geöffnet hat." Auch aus Marokko, von wo es zuletzt kaum noch Rückflüge gab, will TUI seine Gäste etwa aus dem Robinson Club Agadir zurückholen. "Wir sind im Austausch mit den marokkanischen Behörden", sagte der Sprecher. Aber man könne nicht alle Gäste über Nacht nach Hause bringen.

Die Urlauber auf den TUI-eigenen Kreuzfahrtschiffen müssen darauf hoffen, dass sie im nächstgelegenen, geeigneten Hafen an Land gehen dürfen. Denn nicht alle Häfen lassen Schiffe herein oder Urlauber an Land. "Die Gäste werden dann zurück in die Heimat geflogen", sagte der Sprecher. Von der deutschen Tochter TUI Cruises seien noch zwei Schiffe unterwegs, der Rest laufe jetzt aus. Die letzten beiden Kreuzfahrten von Hapag-Lloyd Cruises würden vorzeitig beendet. Zuvor hatte die Rostocker Kreuzfahrtreederei Aida Cruises alle Fahrten wegen der Coronavirus-Ausbreitung bis Anfang April eingestellt.

Kunden, die bei TUI bereits Reisen etwa für die Sommermonate gebucht haben, müssen sich vorerst gedulden. Eine kostenfreie Stornierung sei derzeit nicht möglich, sagte der Sprecher. Der Konzern gehe davon aus, dass der Betrieb in absehbarer Zeit wieder starten könne. Wann genau es dazu komme, könne man aber derzeit noch nicht einschätzen.

Unterdessen versucht das Management, die Ausgaben des Reisekonzerns zu drosseln. "Wir haben sämtliche Investitionen auf Eis gelegt, bei denen wir nicht vertraglich gebunden sind", sagte der Sprecher. Mitarbeiter sollten Überstunden abbauen oder Urlaub nehmen. Zudem erwäge das Unternehmen, Beschäftigte in Deutschland in Kurzarbeit zu schicken. Die Bundesregierung hat bereits die Bedingungen dafür gelockert, um Unternehmen und Mitarbeitern in der Krise unter die Arme zu greifen.

Ganz stoppen kann TUI den Betrieb in dieser Lage nicht. Mitarbeiter an den Kunden-Hotlines sind schwer gefragt, andere organisieren die Rückholung der Urlauber. Auch die Flugzeugflotte steht noch nicht am Boden. "Wir brauchen jetzt natürlich unsere Flugbegleiter und Piloten", sagte der Sprecher.

Damit der Konzern nicht in Schieflage gerät, will TUI Staatsgarantien zur Unterstützung beantragen, bis die normalen Abläufe wieder aufgenommen werden können. Bürgschaften für Hilfskredite gehören zu den Maßnahmen, mit denen die Bundesregierung Beschäftigung in vom Virus schwer getroffenen Branchen sichern will. Derzeit verfüge TUI über flüssige Mittel in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro, hieß es. Analyst Donie von der NordLB zeigte sich angesichts der angekündigten Staatsbürgschaften zuversichtlich, dass der Reisekonzern diese Krise übersteht.

Eine Prognose für die weitere Geschäftsentwicklung im laufenden Jahr traut sich die TUI-Führung jedoch nicht mehr zu. Bei der Hauptversammlung am 11. Februar hatte sich Vorstandschef Joussen noch optimistisch gezeigt, den um Sonderposten bereinigten operativen Gewinn (bereinigtes Ebit) auf bis zu 1,05 Milliarden Euro zu steigern. So versprach er sich Rückenwind davon, dass der bisher größte Rivale Thomas Cook (Neckermann Reisen) 2019 pleite gegangen war. Allerdings hatte sich die Coronavirus-Epidemie laut Joussen bis Anfang Februar noch nicht spürbar auf das Buchungsverhalten der Kunden ausgewirkt.

So reagiert die TUI-Aktie

Die Anleger bekommen die Viruskrise immer stärker zu spüren. Die Papiere reagierten mit einem erneuten Kurssturz um zeitweise mehr als ein Drittel auf die Nachricht, dass der Reisekonzern wegen der Coronavirus-Pandemie den überwiegenden Teil des Reisegeschäfts unterbricht und nach Staatsgarantien ruft. Zum Handelsschluss lag der Kurs in London, wo die Papiere mittlerweile ihre Hauptnotierung haben, mit 12,72 Prozent im Minus bei 314 Pence. Sie erreichten damit ein Tief seit der Ende 2014 vollzogenen Verschmelzung mit der ehemaligen Tochter TUI Travel.

Die Aussetzung des Geschäfts betrifft Pauschalreisen, Kreuzfahrten und den Hotelbetrieb. Wann der Konzern wieder Reisen durchführe, sei noch nicht genau zu sagen. Damit der Konzern nicht in Schieflage gerät, will der Konzern Staatsgarantien zur Unterstützung beantragen, bis er die normalen Abläufe wieder aufnehmen kann. Eine Prognose für die weitere Geschäftsentwicklung im laufenden Jahr traut sich der Vorstand nicht mehr zu.

Analysten wurden angesichts der Bedrängnis des Reisekonzerns reihenweise pessimistisch mit Blick auf die Aktien. Verkaufsempfehlungen gab es etwa von der DZ Bank und der NordLB, eine Abstufung auf "Reduce" kam von der Commerzbank. Experte Herbert Sturm von der DZ Bank sieht sich ähnlich wie der Konzern selbst nicht mehr in der Lage dazu, eine neue seriöse kurz- und mittelfristige Ergebnisprognose zu erstellen. In seinem Bewertungsmodell berücksichtigte er nun einen 50-prozentigen Bewertungsabschlag.

"Die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie überschlagen sich", fasste Wolfgang Donie von der NordLB zusammen. "Für TUI bricht damit vorübergehend nahezu die gesamte Geschäftsgrundlage weg. Das wichtige Ostergeschäft dürfte komplett ins Wasser fallen." Er fürchtet, dass die Krise bei den Kunden ihre Spuren hinterlässt: Selbst wenn die Einschränkungen in einigen Wochen aufgehoben würden, werde die hohe Verunsicherung in der Bevölkerung wohl auch zu einem deutlichen Rückgang der Buchungen im Sommer führen.

Immerhin macht NordLB-Experte Donie aber Hoffnung, dass es für TUI einen Weg aus der Krise geben wird. "Nachdem die Bundesregierung am vergangenen Freitag angekündigt hat, den deutschen Unternehmen mit unbegrenzten Kreditprogrammen zu helfen, sind wir zuversichtlich, dass das Unternehmen diese Krise überstehen wird", betonte der Experte.

HANNOVER (dpa-AFX)

Bildquellen: TUI, Tupungato / Shutterstock.com

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DatumRatingAnalyst
15.02.2023TUI Market-PerformBernstein Research
15.02.2023TUI SellUBS AG
15.02.2023TUI UnderweightBarclays Capital
15.02.2023TUI HoldDeutsche Bank AG
14.02.2023TUI UnderperformJefferies & Company Inc.
DatumRatingAnalyst
19.02.2020TUI kaufenNorddeutsche Landesbank (Nord/LB)
09.10.2019TUI OutperformBernstein Research
26.09.2019TUI buyJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
25.09.2019TUI OutperformBernstein Research
11.08.2017TUI overweightJP Morgan Chase & Co.
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15.02.2023TUI Market-PerformBernstein Research
15.02.2023TUI HoldDeutsche Bank AG
14.02.2023TUI Market-PerformBernstein Research
16.12.2022TUI HoldDeutsche Bank AG
14.12.2022TUI Market-PerformBernstein Research
DatumRatingAnalyst
15.02.2023TUI SellUBS AG
15.02.2023TUI UnderweightBarclays Capital
14.02.2023TUI UnderperformJefferies & Company Inc.
05.01.2023TUI SellUBS AG
22.12.2022TUI SellUBS AG

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