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Fällt der Preis, fällt nicht die Wirtschaft

12.03.15 09:51 Uhr

Fällt der Preis, fällt nicht die Wirtschaft | finanzen.net

Fallende Preise werden in Erinnerung an die Weltwirtschaftskrise nach 1929 als Bedrohung empfunden. Zu Unrecht - es gibt auch gute Deflation.

Die Preise fallen und die Bedenken steigen. Der Grund findet sich in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Damals führte ein Nachfrageeinbruch zu fallenden Preisen und einer Wirtschaftskrise. Dass Deflation und Krise jedoch nicht korreliert sein müssen, zeigte sich im Jahr 1986. Damals war der Ölpreisrückgang eine wichtige Ursache für eine temporäre und unproblematische Deflation in Deutschland. Auch heute trägt der Ölpreisverfall erheblich zum Preisrückgang in der Eurozone bei. Wir erwarten für 2015 im gemeinsamen Währungsraum eine leichte, durchschnittliche Deflation von 0,2 Prozent.1 Positive Inflationsraten in den USA, Japan und China zeigen, dass es sich dabei nicht um ein globales Phänomen handelt.

Die großen Unterschiede zwischen den nationalen Inflationsraten in der Währungszone geben einen Hinweis auf die regionale Ursache. Strukturanpassungen, die die Löhne belasten, sorgen in den Peripherieländern für Preisrückgänge. Bei den Preisrückgängen handelt es sich um temporäre Anpassungsprozesse, also um eine "gute Deflation". Dadurch gewinnen die Länder an Wettbewerbsfähigkeit und an Attraktivität als Investitionsstandort. Daraus resultieren wiederum Produktivitätssteigerungen, die langfristig Spielraum für Lohnerhöhungen geben. Allerdings zeigt das Beispiel Griechenland, dass die temporäre Deflation zu politischen Spannungen führen kann, was wiederum Wachstum und Preisauftrieb bremst.

Unterschiedliche Deflationen

Dass eine gute Deflation Jahrzehnte andauern kann, zeigt ein weiterer Blick in die Geschichte. So herrschte in den USA von 1870 bis 1914 Deflation. Die Preise fielen damals, doch dank Investitionen und Innovation stieg die Produktivität und damit auch das nominale Bruttoinlandsprodukt, also der Wert der produzierten Güter in US-Dollar. Davon profitierte wiederum der Aktienmarkt. Eine Defl

ation kann aber auch schlecht sein, wie die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zeigt. Geld floss damals zwischen den Ländern nicht mehr nur zur Finanzierung von Investitionen und Warenströmen, sondern in großer Höhe auch zur Begleichung von hohen Kriegsschulden und Reparationen. Die Folgen waren ein geringer Produktivitätsanstieg und ein geringes Wirtschaftswachstum. Dies sowie der Aufbau von Handelshemmnissen führten ab 1929 zu einer viele Jahre andauernden Kreditkrise, die die Nachfrage und damit das nominale Bruttoinlandsprodukt einbrechen ließ. Es kam zu einer wirtschaftlichen Depression.

Eine gute Deflation unterscheidet sich von einer schlechten darin, ob das nominale Bruttoinlandsprodukt steigt oder fällt. Ein steigendes Bruttoinlandsprodukt gibt den Unternehmen die Möglichkeit, ihren Umsatz auszudehnen. Dennoch vermittelt ein Blick auf die Ära der guten Deflation, dass das nominale Bruttoinlandsprodukt kräftig schwankte. Rigiditäten bei Güterpreisen und Löhnen führten zu diesem wirtschaftlichen Auf und Ab. Entsprechend fühlten sich die Menschen auch in einer guten Deflation nicht sehr wohl. Eine dauerhafte, gute Deflation dürfte sich auch heute wenig Popularität erfreuen.

Flexible Notenbanken

Erst der Schritt zum Papiergeldsystem gab den Notenbanken nach dem Zweiten Weltkrieg die Freiheit, mit Zinssenkungen und Geldmengenausweitungen auf Rezessionen und Krisen zu reagieren. Das führte in den vergangenen 65 Jahren zu einem stetigen Preisanstieg, trug aber wesentlich zur Verringerung der Schwankungen des realen und nominalen Bruttoinlandsprodukts bei. Dies führte aber auch dazu, dass das Bewusstsein für Risiken fiel und die Verschuldung im Privatsektor stieg. 2007 folgte die Finanzkrise.

Mit Quantitative Easing (QE), also dem Ankauf von Anleihen, pumpte die Fed von 2008 bis 2014 die Geldbasis kräftig auf. Sie verhinderte nicht nur eine deflationäre Krise, sondern sorgte auch mit für eine Erholung der US-Wirtschaft. Die Bank of Japan startete 2013 ihr QE. Die Europäische Zentralbank folgt jetzt nach. Damit steigt die globale Geldbasis weiter. Das sind klare Signale, dass eine Deflation - gleichgültig ob gut oder schlecht - dauerhaft nicht toleriert wird.

Von 1870 bis 1914 wuchs in den USA trotz Deflation das nominale Bruttoinlandsprodukt. Ökonomen prägten dafür den Begriff "gute Deflation". Fällt dagegen das Bruttoinlandsprodukt gemeinsam mit den Preisen, herrscht wirtschaftliche Depression. Dies war vor allem nach 1929 der Fall. Aber auch in Zeiten guter Deflation gab es größere Wachstumsschwankungen. Die Notenbanken wollen deswegen Deflation nicht zulassen.

In einer schlechten Deflation wie nach 1929 leiden Unternehmen unter Umsatz- und Gewinneinbrüchen. Die Folge sind kräftige Kursrückgänge bei Aktien. Bei hoher Inflation wie in den 70er Jahren bremst der Zinsanstieg Aktien aus. Derzeit befinden wir uns in einer Phase zu niedriger Inflation. Mit einer expansiven Geldpolitik streben die Notenbanken eine Phase moderater Inflation an. Aktien zählten hier in der Historie zu den Gewinnern.

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