Welche Aktien lohnen sich in einer Rezession und welche müssen raus aus dem Portfolio?
Um sein persönliches Portfolio gut durch eine mögliche Rezession zu manövrieren, muss man frühzeitig die richtigen Weichen stellen. Denn nur die wenigsten Aktien bieten innerhalb eines Konjunkturabschwungs noch ausreichend Chancen.
Werte in diesem Artikel
• Bloomberg geht fest von Rezession aus
• Nur 5 aus 11 Branchen lohnen sich jetzt
• Nicht-zyklische Konsumgüter sind ein Basis-Investment
In einem sehr volatilen Markt kann es sich für Investoren durchaus lohnen, wenn sie ihr gesamtes Aktienportfolio, gerade inmitten einer kleinen Erholungsphase, einer genauen Prüfung unterziehen. Denn derzeit spricht vieles dafür, dass sich die Weltwirtschaft von dem vollumfassenden Corona-Shutdown nicht ganz so schnell erholen wird. So rechnen Ökonomen für das Gesamtjahr 2020 lediglich mit einem weltweiten Wachstum in Höhe von 1 bis 1,5 Prozent, was einem regelrechten Stillstand gleichkommt.
Rezessionsängste geißeln die Börsen
Gerade in den USA und Europa führen die wochenlangen Schutzmaßnahmen rund um die Corona-Pandemie zu großen wirtschaftlichen Problemen. Die expansive Geldpolitik der Notenbanken und die fiskalpolitischen Eingriffe der Regierungen dürften dabei nur das Allerschlimmste verhindern. Außerdem gehen schon jetzt viele Experten davon aus, dass auch die chinesische Wirtschaft deutlich stärker betroffen ist, als zunächst vermutet.
Dementsprechend kalkuliert der Nachrichtendienst Bloomberg die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den USA innerhalb der nächsten 12 Monate auf 100 Prozent. Angesicht der Tatsache, dass sich seit Mitte März über 30 Millionen Amerikaner zum ersten Mal arbeitslos gemeldet haben, die Mehrheit der Betriebe wegen den Schutzmaßnahmen geschlossen wurde und der Ölpreis zeitweise sogar negativ notierte, dürfte die Einschätzung nun jedoch niemanden mehr verwundern.
Darüber hinaus leben gegenwärtig viele Investoren in der Illusion, dass die Welt und die Börse, sobald die Pandemie überstanden ist, automatisch in eine glanzvolle Zukunft steuert. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass es die großen Belastungsfaktoren für die Wirtschaft, die es schon vor COVID-19 gab, nun natürlich immer noch gibt. In diesem Zusammenhang ist es sogar wahrscheinlich, dass sich einige Konflikte und Probleme noch weiter verstärkt haben. So hat die Pandemie zum Beispiel dazu geführt, dass sich die Auseinandersetzung zwischen den USA und China noch weiter verschärft hat.
Nur 5 von 11 Branchen lohnen sich in der Krise
Investoren, die ihr Portfolio nun für eine drohende Rezession vorbereiten möchten, sollten alle ihre Aktienpositionen einer jeweiligen Branche zuordnen und dann entscheiden, welche Geschäftsmodelle und welche Sektoren auch während eines konjunkturellen Abschwungs noch ansehnliche Gewinne abwerfen. Eine derartige Methode empfiehlt auch der Profi-Investor Peter Lynch: "Unterteile Aktien in Kategorien und bewerte sie entsprechend. Wenn du Aktien in Kategorein teilst, weißt du besser, was du von ihnen erwarten kannst". Diese Einteilung können Anleger nach dem GICS-Modell (Global Industry Classification Standard) vornehmen. Mit diesem Modell lassen sich nämlich alle börsengehandelten Unternehmen in 11 unterschiedliche Sektoren einordnen.
Zu diesen 11 Branchen zählen Energie, Grundstoffe, Industrie, zyklische Konsumgüter, nicht-zyklische Konsumgüter, Gesundheit, Finanzen, Technologie, Kommunikation, Versorger und Immobilien.
Defensive Branchen sind jetzt Trumpf
In einem krisenfesten Aktiendepot sollten sich Anleger auf Einzelwerte konzentrieren, die weniger von der Konjunktur abhängig sind und demensprechend auch von einer Rezession so gut wie unbeeindruckt bleiben. Zu den klassischen defensiven Branchen zählen dabei die nicht-zyklischen Konsumgüter, Gesundheit, Versorger, Kommunikation und Technologie. Dabei macht gerade die Corona-Krise deutlich, dass wir in unserem Alltag immer mehr Technologie nutzen und dieser Sektor im Laufe der Zeit somit stark an Bedeutung gewonnen hat.
Eine ebenfalls relativ hohe Sicherheit innerhalb einer Rezession bieten Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche, denn der weltweite Datenverkehr wird auch inmitten eines wirtschaftlichen Abschwungs weiter steigen. Hiervon profitieren beispielsweise Unternehmen wie AT&T, Verizon und Vodafone. Da die Kommunikations-, die Entertainment- und die Technologiebranche immer weiter verschmelzen bzw. sich zunehmend ergänzen, könnten somit auch Unternehmen wie Facebook, Amazon, Netflix, Walt Disney, Apple, Alphabet aber auch Microsoft, Slack, Zoom und TeamViewer zu den großen Profiteuren der Krise zählen.
Basis-Investments für jedes Risiko-Profil
Anleger, denen die klassischen FANG-Aktien jedoch zu suspekt erscheinen, können ihre Geld auch in den wohl sichersten Sektor der Welt investieren - die nicht-zyklische Konsumgüterbranche. Denn gegessen und getrunken wird selbst in Krisenzeiten. Dementsprechend müssen sich die globalen Giganten der Nahrungsmittel- und Konsumgüterindustrie nur wenig Sorgen machen. Zu den größten der Branche zählen dabei Nestlé, Unilever, Danone und Coca-Cola, aber auch Procter & Gamble, Colgate-Palmolive sowie Reckitt Benckiser. Ebenfalls zu den "todsicheren" Aktien zählen die Anteilsscheine der großen Tabak- uns Alkoholproduzenten wie Philip Morris, BAT, Imperial Brands, Diageo und Pernot Ricard.
Ähnlich unbeeindruckt von einer möglichen Rezession dürfte auch der Gesundheitssektor sein. Denn selbst wenn sich die Menschen in wirtschaftlich sehr schwierigen Zeiten befinden, sparen sie nicht an ihrer eigenen Gesundheit. Als Folge dessen dürften sich die Anteilscheine von beispielsweise Johnson & Johnson, Novo Nordisk, Novartis und Roche auch in einer schweren Rezession wacker schlagen.
Neben der nicht-zyklischen Konsumgüterbranche und den Gesundheitsaktien zählt man auch Versorgeraktien zu den eher konjunkturell unabhängigen Titeln. Aufgrund einer Vielzahl an politischen Reglementierungen und Restriktionen eignen sich die zwei klassischen deutschen Versorger-Aktien RWE und E.ON jedoch nicht mehr unbedingt für ein krisenfestes Depot. Langfristige Investoren setzen aus diesem Grund besser auf die Vorreiter im Bereich der erneuerbaren Energien wie zum Beispiel NextEra Energy aus Florida oder ENCAVIS aus Hamburg.
Finger weg von Zyklikern
Geldanleger, die ihr Depot sicher durch die Krise manövrieren möchten, sollten sich einen diversifizierten Aktienkorb mit Unternehmen aus den nicht-zyklischen Sektoren herauspicken und bestmöglich um alle zyklischen Unternehmen einen großen Bogen machen. Denn der Erfolg der sogenannte Zykliker hängt unmittelbar mit der konjunkturellen Entwicklung der Wirtschaft zusammen, somit bieten diese Unternehmen keine Chance, sondern lediglich ein Risiko inmitten einer Rezession.
Zu den zyklischen Unternehmen zählen dabei alle, die eine wellenförmige Nachfrage ihrer Produkte erleben und deren Gewinne von externen Faktoren wie zum Beispiel Rohstoffpreisen abhängen. Dementsprechend bieten gerade Unternehmen aus der Öl- und Rohstoffindustrie im Laufe einer Rezession nur wenige Freude. Des Weiteren entwickeln sich auch Aktien aus dem Finanz-, Grundstoff-, Immobilien-, Industrie- und dem zyklischen Konsumgütersektor während einer Rezession sehr bescheiden. Folglich könnte es sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt, je nach persönlicher Einschätzung, noch lohnen, einzelne Gewinne aus diesen Branchen zu realisieren und gegebenenfalls umzuschichten.
Auch eine Rezession bietet Chancen
Investoren, die auf die richtigen Sektoren und Aktien setzen, sollten sich trotz einer denkbaren Rezession nicht von ihren Anteilsscheinen trennen. Denn auch ein konjunktureller Abschwung bietet Chancen an der Börse. So haben gerade jetzt viele Technologie-, Pharma- und Konsumgüterunternehmen Hochkonjunktur und beglücken ihre Aktionäre trotz Pandemie, Shutdown und Handelsstreit mit steigenden Aktienkursen oder mit erhöhten Gewinnausschüttungen. Resultierend daraus ist gerade jetzt, nach der kleinen Erholungsrally, der richtige Zeitpunkt, um sein Depot krisenfest umzuschichten oder sogar selektiv neu einzusteigen. Dabei sollte man sich jedoch stets an das wohl bekannteste Motto des Investmentprofis Peter Lynch halten - "Investiere nur in Unternehmen, die du verstehst".
Pierre Bonnet / Redaktion finanzen.net
Dieser Text dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Anlageempfehlung dar. Die finanzen.net GmbH schließt jegliche Regressansprüche aus.
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