Corona-Krise

Lufthansa im Fokus: Flügellahmer Kranich braucht Hilfe

17.04.20 08:49 Uhr

Lufthansa im Fokus: Flügellahmer Kranich braucht Hilfe | finanzen.net

Die Corona-Krise hat der Lufthansa binnen weniger Wochen die Flügel gestutzt.

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Statt Wachstumsträumen und Übernahmeplänen geht es beim Kranich-Konzern wie bei vielen anderen Airlines plötzlich ums nackte wirtschaftliche Überleben. Auch Europas größter Luftverkehrskonzern werde die Krise wohl nur mit staatlicher Unterstützung überstehen, räumte Lufthansa-Chef Carsten Spohr kurz vor Ostern ein. Was bei dem Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEIM UNTERNEHMEN:

Die Corona-Pandemie stürzte die Luftfahrt in eine ungekannte Krise. Das Virus traf wohl keine Branchen so stark wie Flug und die Touristik. Experten rechnen auch langfristig mit einem veränderten Reiseverhalten der Menschen. Gerade bei Geschäftskunden auf Langstreckenflügen, an denen die Lufthansa bisher viel Geld in der Business Class verdiente, könnte die Nachfrage nach der Krise deutlich schwächer ausfallen als zuvor.

So brachte das Coronavirus den weltweiten Flugverkehr binnen weniger Wochen weitgehend zum Erliegen. Inzwischen wird wegen der Reiseverbote und der eingebrochenen Nachfrage auch innerhalb Europas kaum noch geflogen. Der Lufthansa-Konzern lässt fast alle seiner 763 Flugzeuge am Boden und will seine Flotte um ein Zehntel verkleinern.

Führende Airline-Manager trauen sich bisher keine konkrete Einschätzung zu, wann der Flugverkehr wieder starten oder gar auf das vor der Krise erreichte Niveau wachsen könnte. Zusätzliche Flugzeuge können viele Airlines derzeit überhaupt nicht gebrauchen. Wie andere Airlines verhandelt auch die Lufthansa mit den Herstellern Boeing und Airbus darüber, unter welchen Bedingungen sie bestellte neue Maschinen erst später annehmen kann.

Airbus fährt die Flugzeugproduktion denn auch wegen der Pandemie vorerst um rund ein Drittel herunter. Ob das ausreicht oder wann es wieder aufwärts gehen kann, hängt laut Airbus-Chef Guillaume Faury davon ab, "inwieweit die Airlines in den kommenden Monaten sich Kreditlinien beschaffen können, um die Flugzeuge zu bezahlen."

Das gilt auch für die Lufthansa, die schon 2019 nach zwei Spitzenjahren im laufenden Geschäft einen Einbruch des operativen Gewinn um 29 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro hinnehmen musste. Zur Bilanzvorlage am 19. März hatte sich der Konzern mit Blick auf die Krise bereits zusätzliche Kredite gesichert und seine flüssigen Mittel auf diese Weise auf 5,1 Milliarden Euro aufgestockt. Zudem könne er eigene Flugzeuge im Wert von 10 Milliarden Euro als Sicherheit bei Banken einbringen, hieß es. Die Aktionäre sollen zudem auf die Dividende verzichten.

Inzwischen räumte Spohr zudem ein: So schwer und lange, wie diese Krise zu werden droht, kann auch die Lufthansa kaum aus eigener Kraft überleben. "In Summe verlieren wir daher jede Stunde eine Million Euro unserer Liquiditätsreserve - Tag und Nacht, Woche für Woche und wohl auch noch Monat für Monat", sagte er vor Ostern in einer Videobotschaft an die Mitarbeiter, von denen zehntausende bereits in Kurzarbeit sind. Deshalb sei absehbar, dass das Unternehmen die Krise nur mit staatlicher Unterstützung überstehen werde.

Noch ist weder aus Frankfurt noch aus Berlin zu hören, wie genau diese Hilfe aussehen wird. Auch mit den Regierungen in Belgien, Österreich und der Schweiz ist das Management im Gespräch. In diesen Ländern ist der Konzern mit seinen Töchtern Brussels, Austrian und Swiss vertreten.

Allein für Austrian sind Berichten zufolge vor allem Staatsgarantien zwischen 500 und 800 Millionen Euro im Gespräch. In Deutschland wird neben Garantien und Krediten auch über einen Einstieg des Staats als Anteilseigner oder stiller Teilhaber spekuliert. Die Verhandlungen zwischen der Lufthansa und der Bundesregierung sowie der staatlichen Förderbank KfW laufen allerdings noch. Spohr zeigte sich zuletzt optimistisch, dass die Gespräche positiv enden werden.

Die Zeit scheint im Vergleich zu manchen anderen Airlines nicht ganz so sehr zu drängen. "Unsere Bilanz ist stärker, die Eigentumsquote ist höher als bei fast allen unseren Wettbewerbern", hatte Spohr im März gesagt.

DAS MACHT DIE AKTIE:

An der Börse versetzte die Corona-Krise der ohnehin seit Monaten taumelnden Lufthansa-Aktie einen weiteren Schlag. Seit Beginn des Corona-Crashs gab der Kurs um rund 45 Prozent nach und ist damit im DAX nach der MTU der zweitgrößte Corona-Verlierer - anders als viele andere Titel konnte sich das Papier auch kaum vom Krisentief lösen.

Mit der Talfahrt seit Februar setzte die Aktie seine Misere der vergangenen Monate fort. Für die Lufthansa-Aktie gab es schon seit dem Börsen-Hype um die Teilübernahme von Air Berlin im Jahr 2017 praktisch nur noch eine Richtung, und zwar nach unten. Wer darauf spekulierte, dass der Kranich-Konzern nach dem Ende von Air Berlin die Ticketpreise bestimmen und seine Gewinne weiter nach oben treiben könnte, wurde schnell eines Besseren belehrt - und an der Börse abgestraft.

Seit dem Rekordhoch von 31,26 Euro Anfang 2018 ging es bis Mitte Februar peu a peu bereits auf zirka 15 Euro nach unten - und dann schlug die Corona-Krise mit voller Wucht zu. Inzwischen kostet das Papier gerade mal noch etwas mehr als acht Euro. Das Papier ist damit so billig wie seit Anfang des Jahrtausends nicht mehr, als die Aktie wegen der Folgen der Terroranschläge zeitweise weniger als sieben Euro gekostet hatte.

Mit den Krisen-Verlusten seitdem summiert sich das Minus seit Anfang 2018 auf fast 75 Prozent - mehr hat in diesem Zeitraum kein Dax-Titel verloren. Mit einem Börsenwert von gerade mal noch knapp vier Milliarden Euro liegt die Lufthansa in dieser Wertung abgeschlagen auf dem letzten Platz des deutschen Leitindex - ein Abstieg aus dem Dax, von dem die Lufthansa-Aktie die vergangenen Jahre schon ein paar Mal bedroht war, rückt damit in greifbare Nähe.

Aber selbst im MDAX würde die Lufthansa damit nur noch im Mittelfeld landen - hinter Unternehmen wie zum Beispiel Bechtle, Fuchs Petrolub (FUCHS PETROLUB SE Vz), HelloFresh, Nemetschek (Nemetschek SE), Scout24 oder TeamViewer.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Branchenexperten haben ihre Kursziele für die Lufthansa-Aktie in den vergangenen Jahren im Schnitt zunächst immer weiter nach oben gesetzt - und seit Anfang 2018 immer weiter zusammengestrichen. Damit folgte die Horde mehr oder weniger der aktuellen Kursentwicklung. Rund um die Air-Berlin-Pleite stieg das durchschnittliche Kursziel der Experten bis Ende 2017 auf fast 30 Euro. Dann ging es bis Mitte Februar 2020 auf knapp 17 Euro abwärts. Zuletzt lag es nur noch bei rund neun Euro.

Obwohl die Lufthansa-Aktie nach dem jüngsten Kurseinbruch an der Börse etwa zu diesem Preis gehandelt wird, raten derzeit 15 von 26 Analysten zum Verkauf der Papiere. Nur drei Experten würden die Aktie kaufen, acht raten zum Halten.

Zu den Optimisten gehört Daniel Roeska vom Analysehaus Bernstein. Er bekräftigte am Donnerstag seine Empfehlung "Outperform" für die Aktie mit einem Kursziel von 13,60 Euro. Die derzeitige Krise sei für die Flugbranche beispiellos. Die Kombination aus einem Schock auf der Angebots- und Nachfrageseite sei einzigartig. Aus der Situation dürften nur die besten Fluggesellschaften gestärkt hervorgehen.

Anders sieht das Roeskas Kollege Mark Manduca von der US-Bank Citigroup. Er hatte sein Kursziel für die Lufthansa schon Ende März von 10 Euro auf nur noch 50 Cent zusammengestrichen. Eine Kapitalspritze sei für die meisten europäischen Airlines wohl unvermeidlich, argumentierte er. Bei der Lufthansa taxiert er den Kapitalbedarf auf 4,5 Milliarden Euro. Das wäre mehr, als der Konzern derzeit insgesamt an der Börse wert ist.

Analyst Jaime Rowbotham von der Deutschen Bank schätzt den Bedarf mit 3,5 Milliarden Euro etwas geringer ein. Ihm zufolge dürfte es für den Konzern dennoch schwierig werden, diese Summen von privaten Anlegern zu erhalten. Er nimmt an, dass die Bundesregierung neue Lufthansa-Aktien zu einem Preis erwirbt, der dem Kursniveau kurz vor der Krise in Höhe von 15,30 Euro entspricht. Er strich sein Kursziel in diesem Zuge von 18 Euro auf 5,70 Euro zusammen und stufte das Papier von "Hold" auf "Sell" ab.

/stw/zb/mis

FRANKFURT (dpa-AFX)

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