Bis zu 300 Millionen Dosen

BioNTech-Aktie legt zu: Vertrag mit EU über mehr BioNTech/Pfizer-Impfstoff steht - Impfstoff wirkt wohl gegen neue Corona-Varianten

08.01.21 22:27 Uhr

BioNTech-Aktie legt zu: Vertrag mit EU über mehr BioNTech/Pfizer-Impfstoff steht - Impfstoff wirkt wohl gegen neue Corona-Varianten | finanzen.net

Die EU-Kommission hat einen Vertrag über weitere bis zu 300 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs der Mainzer Firma BioNTech und ihres US-Partners Pfizer abgeschlossen.

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75 Millionen Dosen davon sollten bereits bis Ende des zweiten Quartals zur Verfügung stehen, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Freitag in Brüssel.

Von den bereits zugelassenen Mitteln von BioNTech (ADRs)/Pfizersowie dem US-Unternehmen Moderna hat die EU sich mittlerweile 760 Millionen Einheiten gesichert. Damit könnten mehr als 80 Prozent der EU-Bevölkerung geimpft werden, sagte von der Leyen.

Der neue Vertrag folgt auf Klagen über Knappheit von Impfstoff in Deutschland und anderen EU-Staaten. Sowohl Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch die EU-Kommission standen in der Kritik. Das BioNTech/Pfizer-Präparat war am 21. Dezember als erster Corona-Impfstoff in der EU zugelassen worden. Am Mittwoch wurde auch das Mittel des US-Herstellers Moderna genehmigt.

Bereits im November hatte die EU-Kommission für alle 27 Staaten bis zu 300 Millionen Impfstoffdosen von BioNTech/Pfizer bestellt - eine feste Bestellung von 200 Millionen Dosen und eine Option auf 100 Millionen weitere, die vor kurzem gezogen wurde. Auch die neue Vereinbarung sieht diese Aufteilung vor.

Der Impfstoff von BioNTech/Pfizer ist der bislang einzige, der in der EU genutzt wird. Von der Leyen sagte, sie sei besonders froh, dass 75 Millionen Einheiten bis Ende Juni ausgeliefert würden. Sie verteidigte die europäische Impfstrategie: "Ich bin der tiefen Überzeugung, dass dieser europäische Weg richtig ist und ich glaube, in der Rückschau wird sich das auch beweisen", sagte die deutsche Politikerin. "Europa wird mehr als genügend Impfstoff haben in einem verlässlichen Zeitrahmen." Es sei von vorneherein klar gewesen, dass man nicht "auf einen Schlag" alle impfen könne.

Wenn man eines Tages zurückschaue, werde man sehen, dass es zu Beginn etwas holprig war. "Das ist immer so bei solchen großen Veränderungen, die man angeht. Aber in der Rückschau bin ich der festen Überzeugung, dass man sehen wird, dass hier viel geleistet worden ist in den Mitgliedstaaten, die Impfungen tatsächlich auch auf den Weg zu bringen." Sie betonte, dass alle Entscheidungen über Impfstoff-Einkäufe gemeinsam mit den EU-Staaten getroffen würden. Kritik am teils langsamen Impfstart der EU-Staaten vermied die CDU-Politikerin.

In Deutschland wird derzeit ein neuer Produktionsstandort von BioNTech in Marburg aufgebaut. Wenn dieser wie geplant im Februar in Betrieb gehe, dann könne das Unternehmen die Impfstoffproduktion massiv ausbauen, sagte Spahn jüngst. "Das führt zu früheren Lieferungen bestellter Dosen."

Neben BioNTech/Pfizer gibt es bereits Rahmenverträge mit fünf weiteren Herstellern. Inklusive des neuen Vertrags mit BioNTech/Pfizer kann die EU nun insgesamt mehr als zwei Milliarden Dosen beziehen. Von Moderna hat die EU-Kommission bis zu 160 Millionen Dosen gesichert.

Neue Virus-Varianten - für die Impfstoff-Wirkung wohl keine Gefahr

Ein Gespenst mit dem kryptischen Namen B.1.1.7 geht um. In etlichen Ländern wurde diese Variante des Coronavirus inzwischen nachgewiesen, mehrfach auch schon in Deutschland. Sie ist nach derzeitigem Stand wahrscheinlich ansteckender als frühere Formen. Noch schlimmer aber wäre es, wenn die bisher verfügbaren Impfstoffe gegen B.1.1.7 und ähnliche Varianten wie 501Y.V2, kürzlich erstmals in Südafrika nachgewiesen, weniger gut oder gar nicht mehr wirken würden. Wahrscheinlich ist das aber nicht, wie eine aktuelle Analyse bestätigt.

Demnach wirkt zumindest der Impfstoff von BioNTech/Pfizer auch gegen bestimmte Varianten des Coronavirus. Untersucht wurden die Antikörper im Blut von 20 geimpften Menschen, wie aus der noch nicht in einem Fachjournal veröffentlichten und von unabhängigen Experten geprüften Studie des US-Pharmaunternehmens Pfizer und der Universität Texas hervorgeht. Demnach erreicht der Impfstoff bei den abgewandelten Formen wahrscheinlich ebenfalls eine Wirksamkeit von um die 95 Prozent.

Die Variante B.1.1.7 war im Dezember erstmals in Großbritannien nachgewiesen worden. Ähnlich wie die in Südafrika aufgetauchte Variante 501Y.V2 zeichnet sie sich durch Veränderungen im Erbgut aus, die mehrere Veränderungen beim sogenannten Spike-Protein auf der Oberfläche zur Folge haben. Mit ihm dockt das Virus an Körperzellen an, um in diese einzudringen. Das Spike-Protein ist aber auch das indirekte Ziel der in Deutschland zugelassenen RNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna.

Die Mittel regen Körperzellen an, dieses Protein herzustellen. Das gaukelt dem Körper eine Infektion vor, das Immunsystem wird aktiviert und bildet unter anderem Antikörper gegen das Protein. Sie sollen bei einer späteren Infektion bei der schnellen Abwehr des Virus helfen, indem sie an das Spike-Protein binden und es so für die Abwehr als "feindlich" markieren.

Theoretisch wäre es durchaus denkbar, dass Veränderungen am Spike-Protein von Sars-CoV-2 dazu führen, dass die gebildeten Antikörper nicht mehr binden können. Der Impfstoff wäre damit unwirksam. Doch bislang gibt es keine Hinweise darauf. Forscher sind optimistisch, dass das auch so bleibt. Denn der Immunantwort eines Geimpften ist gar nicht so leicht zu entkommen.

Das liegt unter anderem daran, dass Menschen nach der Corona-Impfung nicht nur eine einzelne Art schützender Antikörper gegen das Spike-Protein herstellen, sondern viele verschiedene, wie der Berliner Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast erklärte. Fachleute sprechen von polyklonalen Antikörpern. Dieser Antikörper-Mix kann an einer Vielzahl von Bindestellen am Spike-Protein angreifen. Deshalb dürften einzelne Veränderungen an diesem Protein erst einmal wenig Auswirkungen haben.

Sehr viel spreche dafür, "dass die Veränderungen bisher bei weitem nicht so substanziell sind, dass die jetzt kommenden Impfstoffe nicht wirken", sagt auch Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen.

Zudem gebe es durchaus Limits, wie stark sich das Spike-Protein verändern kann, erklärte Adam Lauring, Experte für die Evolution von RNA-Viren an der US-amerikanischen Universität Michigan, kürzlich in einem Podcast. "Es hat nicht unbegrenzt viele Möglichkeiten, durch Veränderungen den Antikörpern zu entkommen, weil es ja immer noch seine Aufgabe erfüllen muss." Dazu gehört es, an Körperzellen zu binden und dem Virus das Eindringen zu ermöglichen.

Drosten betont noch einen weiteren Aspekt. "Die Immunität läuft nicht nur über Antikörper." Sogenannte T-Zellen, die ebenfalls Teil des menschlichen Immunsystems sind, hätten andere Bindestellen als Antikörper. Die Bindestellen der T-Zellen seien am Anfang einer Epidemie oft noch gar nicht von solchen Mutationen betroffen. Die meisten Impfstoffe riefen wohl auch eine ganz gute T-Zell-Immunität hervor, so Drosten.

Einen Effekt wie bei der Grippe - Fachleute sprechen von Gendrift - erwartet Drosten bei Sars-CoV-2 erst in einigen Jahren, wenn das Coronavirus endemisch geworden ist. Grippe-Impfstoffe müssen wegen Veränderungen der Viren immer wieder angepasst werden.

Grundsätzlich sei es bei einer hohen Zahl an Neuinfektionen wahrscheinlicher, dass Varianten mit für sie günstigen Mutationen entstehen und sich verbreiten, sagt Jörg Timm, Leiter des Instituts für Virologie an der Uniklinik Düsseldorf. "Nach dem jetzt begonnenen Impfstart können das auch Varianten sein, vor denen die Impfantwort nicht ausreichend schützt." Daher müssten Fälle sehr gut untersucht werden, bei denen es trotz Impfung zu einer Infektion komme.

Doch selbst wenn der schlimmste Fall eintreten sollte und Corona-Varianten nicht mehr auf den Impfstoff anspringen: "Tatsächlich lassen sich gerade die RNA-Impfstoffe technisch relativ einfach modifizieren. Es müsste dann allerdings geklärt werden, wie die erneute Zulassung eines modifizierten Impfstoffs aussieht."

Mehr Impfungen mit einer Ampulle

Der knappe Corona-Impfstoff soll für mehr Menschen reichen als bisher gedacht. Denn seit Freitagnachmittag kann aus den gelieferten Ampullen mehr von dem schützenden Serum entnommen werden. Die Mengen könnten sich so voraussichtlich um bis zu 20 Prozent steigern, teilten die europäische Arzneimittelbehörde EMA und ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums am Freitag mit.

Um die Zahl der einzelnen Dosen zu steigern, ließ die europäische Arzneimittelbehörde EMA zu, dass sechs statt bisher fünf Dosen aus einer Ampulle von Biontech/Pfizer gezogen werden dürfen, wie der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums mitteilte. Diese Möglichkeit wird bereits seit Tagen diskutiert und geprüft.

Das Verfahren ist allerdings in der Umsetzung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So seien entsprechende Spritzen nötig, um sechs Dosen aus einer Ampulle zu ziehen, sagte der Sprecher. Man könne in mehreren Ampullen verbleibenden Impfstoff nicht einfach zusammengießen.

Das Ministerium von Ressortchef Jens Spahn (CDU) hatte die Möglichkeit bereits am Sonntag als eines von mehreren "aktuellen Projekten rund um die Zulassung von COVID-19-Impfstoffen" aufgelistet. Demnach enthalten die Biontech/Pfizer-Behältnisse fünf Impfdosen. "In der Praxis hat sich herausgestellt, dass aufgrund einer "Über-Füllung" der Fläschchen seitens des Herstellers mit geeigneten Spritzen und Kanülen sechs Dosen aus einem Fläschchen gezogen werden können", so das Ministerium.

Dieses Vorgehen - bei Einhaltung aller Sorgfaltspflichten - habe das Ministerium in Absprache mit dem in Deutschland zuständigen Paul-Ehrlich-Institut und dem Hersteller bereits am 27. Dezember in einem Schreiben gegenüber den Ländern befürwortet. Ein Antrag auf eine entsprechende Änderung der Zulassung liege vor, so das Ministerium damals. "Bezogen auf die bereits ausgelieferten 1,34 Millionen Impfdosen könnten so beispielsweise bis zu 1,6 Millionen Impfungen durchgeführt werden."

Ein Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde hatte bereits am Vormittag der Deutschen Presse-Agentur gesagt, dass die Hansestadt die verfügbare sechste Dosis nun verwende, "um keine Impfstoffmengen zu verschwenden". Die Restmenge musste bislang mit den Flaschen entsorgt werden. Der Leiter des zentralen Impfezentrums in den Hamburger Messehallen, Dirk Heinrich, sprach von einer "wunderbaren Nachricht".

Die BioNTech-Aktie zog im Freitagshandel an der NASDAQ um 7,15 Prozent auf 100,39 US-Dollar an. Das Pfizer-Papier zeigt sich unterdessen an der NYSE kaum bewegt bei 37,11 US-Dollar.

(dpa-AFX)

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