Die Chance: Mitarbeiter als Aktionäre fördern
Bei der Privatisierung des Voestalpine-Konzerns wurden auch die Mitarbeiter beteiligt. Warum das Modell erfolgreich ist - und warum mehr staatliche Unterstützung solcher Beteiligungen sinnvoll ist.
Werte in diesem Artikel
von Wolfgang Eder, Gastautor von €uro am Sonntag
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das Rückgrat eines jeden Unternehmens." Das ist ein Satz, der jedem Unternehmer leicht von der Zunge geht. So wird daraus schnell eine Binsenweisheit. Denn die zentral zu klärenden Fragen sind: Wie fülle ich diesen Satz im unternehmerischen Alltag mit Leben? Wie setze ich gemeinsame Ziele und motiviere die Mannschaft? Was heißt Eigenverantwortung? Und schließlich: Wie beteilige ich die Belegschaft konkret an der Entwicklung des Unternehmens? Im Voestalpine-Konzern versuchen wir, diesen Fragen im Interesse aller Beteiligten immer wieder auf den Grund zu gehen. Einigkeit besteht dabei jedenfalls darüber, dass die Mitarbeiterbeteiligung zentrales Element dieses starken Rückgrats ist.
Doch drehen wir die Zeit zunächst 30 Jahre zurück: Mitte der 80er-Jahre - auf dem (ersten) Höhepunkt der europäischen Stahlkrise und damals zu 100 Prozent in Staatsbesitz - war Voestalpine schlicht und einfach pleite. In der Folge gelang es, das Unternehmen über konsequente Umstrukturierungen, eine letztlich 100-prozentige Privatisierung und eine fokussierte strategische Neuausrichtung in Europa zur Benchmark zu entwickeln. Ohne die Kompetenz und Einsatzbereitschaft unserer Mitarbeiter wäre dieser Erfolg undenkbar gewesen. Motivationstreiber war dabei, dass sie gleichzeitig überzeugte Aktionäre und engagierte Miteigentümer ihres Unternehmens im Rahmen eines neuartigen Mitarbeiterbeteiligungsprogramms wurden.
Privatisierung als
Befreiungsschlag und Chance
Die strategische Mitarbeiterbeteiligung bei Voestalpine lässt sich auf eine zentrale Fragestellung zurückführen: Wie können wir nach der Privatisierung weiterhin eine stabile Eigentümerstruktur gewährleisten und gleichzeitig zusätzliches unternehmerisches Potenzial im Unternehmen heben? Die Ausgangssituation war daher durchaus komplex: Der Staat würde als Ankeraktionär ausfallen, die Stahlbranche war nach etlichen Krisen weltweit im Begriff zu konsolidieren, wobei die Strategie der Voestalpine dabei keine Rolle im Sinne des damals vorherrschenden Mottos "Big is beautiful" vorsah. Stattdessen wollten wir uns von einem ertragsschwachen "Stahlkocher" zu einem nachhaltig profitablen und damit auch am Kapitalmarkt attraktiven Technologiekonzern weiterentwickeln.
Die zentrale Idee war, trotz Vollprivatisierung die Eigenständigkeit der Unternehmensgruppe bei gleichzeitig offensiver Entwicklung des Konzerns möglichst langfristig abzusichern. Am Ende der Diskussionen war in gemeinsamer Arbeit mit dem Betriebsrat ein Modell entstanden, das bis heute in Österreich - und vermutlich auch darüber hinaus - einmalig ist: eine signifikante und damit strategische Beteiligung der Mitarbeiter, die über eine Privatstiftung gehalten wird und in der die Aktionärsstimmrechte von aktuell mehr als 23 000 Mitarbeitern gebündelt sind.
Nach der jüngsten Kapitalerhöhung im Frühjahr dieses Jahres hält die Stiftung eine Beteiligung von 14,9 Prozent am Unternehmen, das entspricht einem aktuellen Gegenwert von rund einer Milliarde Euro. Damit sind die Mitarbeiter von Voestalpine zweitgrößter Shareholder des Konzerns. Das bringt einerseits Stabilität und Ruhe, andererseits aber auch eine verstärkte Motivation in die Gruppe und senkt Übernahmebegehrlichkeiten von vornherein.
Die Stiftung hält zwar alle Stimmrechte aus den Mitarbeiteraktien, die Dividende fließt jedoch den Mitarbeitern jeweils direkt zu. Wie auf der Hauptversammlung abgestimmt werden soll, verabredet der Betriebsrat auf europäischer Ebene in Koordination mit den Managementvertretern in der Stiftung. Darüber hinaus entsendet diese auch einen Vertreter in den Aufsichtsrat und ist so aktiv in die wesentlichen Konzernentscheidungen eingebunden. Das Unternehmen unterstützt das Eigeninvestment der Mitarbeiter - welches über einen Teilverzicht auf tarifvertragliche Erhöhungen der Bezüge finanziert wird - nicht zuletzt auch über Bonusaktien.
Hinzu kommen steuerliche Anreize. Aktuell fördert der österreichische Staat die Mitarbeiterbeteiligung mit einem jährlichen Steuerfreibetrag von 1460 Euro (in Deutschland: 360 Euro). Durch die jüngst beschlossene Steuerreform wird sich der Betrag in Österreich künftig auf 3000 Euro verdoppeln. Ein ermutigendes Signal!
Auf Mitarbeiterseite hat sich durch die Einführung des Modells nicht nur der Umgang mit den Themen Aktien und Kapitalmarkt verändert. Vielmehr ist das Bewusstsein, wie ein Unternehmen funktioniert, heute unvergleichlich ausgeprägter als vor 15 Jahren. Erfolg, aber auch Misserfolg werden für die Mitarbeiter direkt im Depot sichtbar. Natürlich hat uns für eine nachhaltige Akzeptanz des Modells geholfen, dass sich der Aktienkurs trotz teilweise großer Schwankungen im Langfristtrend deutlich nach oben entwickelt hat und die Mitarbeiter die Dividende trotz der Verfügungssperre über ihre Aktien jährlich unmittelbar ausgezahlt bekommen. Dass wir uns selbst in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise eine Dividende leisten konnten, hat ihr Vertrauen in das Programm, vor allem aber auch in ihr Unternehmen weiter gestärkt, zumal die Voestalpine seit Jahren auch zu den größten Dividendenzahlern im österreichischen ATX-Index gehört.
Win-win-Situation für
Unternehmen und Belegschaft
Nach rund 15 Jahren Erfahrung mit dem Mitarbeiterbeteiligungsmodell steht für das Management der Voestalpine außer Zweifel: Kapitalbeteiligungen am eigenen Unternehmen stärken die persönliche Motivation und Identifikation
der Mitarbeiter genauso wie ihr unternehmerisches Verständnis enorm. Als Miteigentümer verändert sich die Perspektive und damit das klassische Rollenverständnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Unternehmerischer Erfolg ist damit in mehrfacher Hinsicht ein gemeinsamer Erfolg, der sich nicht nur monetär auszahlt.
Mit Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung und die zunehmend auseinanderklaffende Vermögensschere in vielen Ländern Europas liegt sowohl der volkswirtschaftliche als auch der gesellschaftspolitische und soziale Nutzen einer derartigen "echten" Mitarbeiterbeteiligung auf der Hand. Gerade in einem historischen Niedrigzinsumfeld wäre es geboten, Vorbehalte gegen die Aktie als Anlageform abzubauen und Mitarbeiterbeteiligungsmodelle auch seitens der Politik bewusst zu fördern.
Kurzvita
Wolfgang Eder
Vorstandschef von Voestalpine
Nach Jurastudium und Gerichtspraxis begann Eder 1978 als Mitarbeiter der Rechtsabteilung im Konzern. Im Zuge einer grundlegenden Neustrukturierung des Unternehmens wurde er nach erfolgreicher Koordination des Börsengangs 1995 in den Vorstand berufen; seit dem 1. April 2004 leitet er den Konzern.
Die Voestalpine-Gruppe ist ein stahlbasierter Technologie- und Industriegüterkonzern und
ist in mehr als 50 Ländern auf allen fünf Kontinenten vertreten.
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Bildquellen: Voestalpine AG, voestalpine/Markus Nitsche
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