Deutsche Börse drückt weiter aufs Tempo
Seit Carsten Kengeter Mitte des Jahres das Ruder übernommen hat, weht ein frischer Wind durch die Hallen der Deutschen Börse.
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Kengeter hat in seiner kurzen Zeit als Vorstandsvorsitzender mit dem Käufen von STOXX und 360T nicht nur zwei größere Übernahmen gestemmt. Er hat auch damit begonnen, den Börsenbetreiber zu verschlanken und fit für die Zukunft zu machen. 2016 dürfte Kengeter dort weiter machen, wo er 2015 begonnen hat. Dabei werden vermutlich auch im kommenden Jahr volatile Finanzmärkte den Eschbornern Rückenwind geben.
Die Zeiten des vorsichtigen Lavierens von Kengeters Vorgänger Reto Francioni sind vorbei. Kengeter hat bereits angekündigt, nach weiteren Übernahmezielen Ausschau zu halten. Dabei dürfte er es wie bei der Devisenplattform 360T vor allem auf Fintechs abgesehen haben, also Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Finanzdienstleistern und Technologiefirmen. Häufig handelt es sich bei Fintechs um Start-ups, die durch den Einsatz von Technologien bestehende Finanzdienstleistungen weiterentwickeln und automatisieren.
Deutsche Börse könnte selektiv weiter zukaufen
Andreas Pläsier, Analyst bei Warburg, erwartet Übernahmen in einer Größenordnung wie die jüngsten Käufe. Für 360T legte die Deutsche Börse 725 Millionen Euro auf den Tisch. Während die Eschborner die bisherigen Übernahmen mit Eigenmitteln und der Emission von Anleihen finanzierten, dürften in Zukunft auch Kapitalerhöhungen eine Rolle spielen. Andernfalls geriete das "AA"-Kreditrating der Deutschen Börse unter Druck.Mit größerem Widerstand seitens der Aktionäre, die sich Sorgen um eine mögliche Verwässerung ihrer Anteile machen könnten, rechnet der Analyst nicht. "Solange die Käufe als wachstumsfördernd vermittelt werden, dürften die Aktionäre mitspielen", sagt Pläsier.
Große Übernahmen erwarten Beobachter indes nicht. Die Zeit der Branchenkonsoldierung in Europa ist weitestgehend abgeschlossen. Zu hoch sind die politischen Hürden. Auch dürfte die Deutsche Börse die bitteren Lektionen der Vergangenheit verinnerlicht haben: Die geplanten Fusionen mit der London Stock Exchange oder der Euronext scheiterten. Auch beim Kauf von International Securities Exchange (ISE) hatten die Eschborner keine glückliche Hand. Über einen Verkauf der US-Tochter wird daher immer wieder spekuliert.
Kengeter geht bei Akquisitionen den Mittelweg
Wie die jüngsten Käufe nahelegen, scheint Kengeter einen Mittelweg gehen zu wollen. Analysten halten das für die richtige Entscheidung. "Prinzipiell muss man am Geschäftsmodell der Deutschen Börse nichts ändern", sagt Philipp Häßler von Equinet. Der Analyst spricht in diesem Zusammenhang von "Finetuning". Was passt, werde gekauft. Dass die Fintechs der Deutschen Börse das Wasser abgraben könnten, glaubt Häßler indes nicht.Die Deutsche Börse will aber nicht nur durch Zukäufe wachsen. Der jüngste Akquisitionskurs hat die Asienstrategie dieses Jahr zwar etwas in den Hintergrund gedrängt, die Wachstumsregion bleibt aber hochinteressant. "Ab Mitte nächsten Jahres könnte hier wieder Tempo aufgenommen werden", sagt Warburg-Analyst Pläsier. Beobachter gehen davon aus, dass die Deutsche Börse in Asien weiter vor allem auf Kooperationen mit etablierten Playern setzen wird. Im Oktober haben etwa die Shanghai Stock Exchange, die China Financial Futures Exchange und die Eschborner einen gemeinsamen Marktplatz für Renminbi-Offshore-Produkte gegründet.
Im zu Ende gehenden Jahr waren auch kleinere Rücksetzer in der Region zu verkraften. So verzögert sich der ursprünglich für 2016 geplante Start der Derivatebörse Eurex Asia in Singapur. Hintergrund scheinen Probleme mit der IT-Infrastruktur zu sein. Die Deutsche Börse hält an dem Projekt aber fest genauso wie an der Gründung eines ebenfalls in Singapur angesiedelten Clearinghauses. Beide sollen nun 2017 an den Start gehen. Die Finanzziele bleiben aber zunächst bescheiden - mittelfristig werden für Eurex Asia Erlöse von gerade einmal etwas mehr als 20 Millionen Euro erwartet. Zum Vergleich: Für 2018 strebt die Deutsche Börse Nettoerlöse von insgesamt 2,8 bis 3,2 Milliarden Euro an.
Wachstumsprogramm liegt gut im Plan
Kengeter wird im kommenden Jahr den Blick aber nicht nur nach außen richten, sondern weiter an der Verschlankung des Börsenbetreibers arbeiten. Seit seinem Amtsantritt wurden neue Vorstandsressorts geschaffen und Verantwortlichkeiten im Konzernvorstand neu geordnet. Zudem hat die Deutsche Börse einigen Managern Abfindungsangebote unterbreitet, die von vielen auch angenommen wurden. Mit diesen Maßnahmen und mit der Auslagerung von Stellen in der IT sollen die hohen Kosten der Börse gedrückt werden.Unter anderem wegen der hohen Kostenstruktur hat Kengeter das Wachstumsprogramm "Accelerate" ins Leben gerufen. Im Rahmen von "Accelerate" soll zukünftig ein Wachstum der Nettoerlöse im mittleren einstelligen Prozentbereich mit unveränderten Kosten erreicht werden. Bei einem zweistelligen Plus der Nettoerlöse sollen die Kosten um rund fünf Prozent steigen. Analysten sehen die Deutsche Börse bei der Umsetzung von "Accelerate" auf einem guten Weg.
Marktumfeld dürfte günstig bleiben
Positive Überraschungen auf der Kostenseite könnten Aufwärtspotenzial für die Aktie der Deutschen Börse eröffnen. Auch das allgemeine Marktumfeld sollte dem Papier weiter Rückenwind bieten. 2015 sorgten vor allem die Schuldenkrise in Griechenland sowie Wachstumssorgen rund um China für Volatilitäten an den Märkten. Kursschwankungen sind gute Nachrichten für die Eschborner, da diese einen erhöhten Portfolio-Absicherungsbedarf bei Anlegern zur Folge haben. Das zeigt sich im Kurs: Während der Dax 2015 bislang rund 10 Prozent zulegte, stieg die Deutsche-Börse-Aktie fast 35 Prozent an.Im kommenden Jahr dürfte die Volatilität an den Finanzmärkten weiter hoch bleiben. Nach der ersten Leitzinserhöhung seit neun Jahren erwarten Volkswirte, dass die US-Notenbank die Zinsen noch mehrfach anheben wird. Ende 2016 könnte der Leitzins dann bei gut einem Prozent stehen. Steigende Zinsen sind traditionell schwierige Phasen an den Märkten und lösen typischerweise Verwerfungen über alle Vermögensklassen hinaus aus. Damit rechnen Marktstratege auch dieses Mal - sehr zur Freude der Deutschen Börse.
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