Analyse

Volkswagen im Fokus: Schwergewicht in der Branche - Leichtgewicht an der Börse

11.07.19 08:34 Uhr

Volkswagen im Fokus: Schwergewicht in der Branche - Leichtgewicht an der Börse | finanzen.net

Der Autobauer Volkswagen steht an einem wegweisenden Punkt.

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Anleger stellen sich vor allem die Frage, ob Vorstandschef Herbert Diess nach der Dieselkrise dem Börsenkurs nun endlich wieder Beine machen kann mit seinen Plänen. Denn in der Autoindustrie mag Volkswagen (VW) der Platzhirsch sein - an der Börse ist der Konzern eher ein Leichtgewicht. Wie es bei VW läuft, was Analysten sagen und wie die Aktie läuft.

DAS IST LOS BEI VOLKSWAGEN:

Diess ist nun über ein Jahr Konzernchef beim weltgrößten Autokonzern. Sein erklärtes Ziel für die Investoren: Den VW-Konzern nach dem Dieseldesaster wertvoller machen. Dazu will er VW zu einem Tech-, Software- und Mobilitätsunternehmen umformen, der Börsenwert soll dann in Sphären von Amazon, Google oder Apple steigen, wie er der "Bild am Sonntag" vor einem Jahr sagte. Doch der Weg dahin ist steinig im Volkswagen-Reich mit über 665 000 Mitarbeitern.

Ein Beispiel: Zuletzt hatte das Unternehmen anvisiert, bei der Kernmarke zusätzlich zum seit 2016 laufenden Sparpakt in der Produktion auch in der Verwaltung Stellen zu streichen, 7000 Arbeitsplätze weniger sollten es durch Modernisierung der IT sein. Übrig blieben nach Verhandlungen noch 4000 Stellen, die wegfallen sollen - und im Gegenzug sollen 2000 neue Arbeitsplätze entstehen. Betriebsratschef Bernd Osterloh sagte kürzlich noch der Branchenzeitung "Automobilwoche": "Wirtschaftlichkeit und Beschäftigung bleiben bei Volkswagen gleichrangige Unternehmensziele."

Diess hat aber mittlerweile einen weiteren Ansatzpunkt, den Kapitalmarktanalysten über Jahre gefordert hatten: Das Riesenreich an Beteiligungen, Töchtern und Partnerschaften da aufzubrechen, wo es keine sinnvollen Möglichkeiten zur Zusammenarbeit gibt. Zuletzt brachte der Konzern seine Lkw- und Bustochter TRATON trotz schwachen Umfelds an die Börse und erlöste mit dem Ausgabepreis von 27 Euro weniger als ihm lieb gewesen wäre.

Doch Diess machte dadurch auch deutlich, dass es ihm ernst ist. Beim Maschinenbauer Renk und bei der Großmotorentochter MAN Energy Solutions prüft der Konzern, ob er noch der richtige Eigentümer ist. In den vergangenen Jahren waren Versuche, Randgeschäfte wie den Motorradbauer Ducati zu verkaufen, noch gescheitert. Analysten wie Arndt Ellinghorst vom Investmenthaus Evercore ISI rechnen mit deutlichen Aufwärtschancen für den Marktwert, würde der Konzern anders aufgestellt, etwa in einer Holdingstruktur, in der die Spitze abgegrenzten Konzernbereichen mehr Freiheiten gibt.

Auf der anderen Seite könnte nun eine weitreichendere Allianz mit dem US-Autoriesen Ford gelingen. Bei kleinen Nutzfahrzeugen will VW schon zusammen mit den Amerikanern Modelle entwickeln und die Werke auslasten, um Geld zu sparen. Die Zeichen stehen gut, dass der Aufsichtsrat an diesem Donnerstag grünes Licht gibt auch für die gegenseitige Nutzung von Volkswagens Elektroplattform MEB und Fords Technologie bei autonomen Fahrsystemen. Damit würden zwei der größten Autokonzerne der Welt in wichtigen Zukunftsbereichen zusammenarbeiten.

Diess muss aber auch die Rendite im Konzern weiter im Auge behalten. Die Premiumtochter AUDI muss sparen, genauso die Kernmarke mit dem blauen VW-Logo, damit milliardenschwere Investitionen in Elektroautos und neue Technik möglich werden. Das könnte an mancher Stelle auch noch schmerzhaft werden - etwa im Verhältnis zwischen der Wolfsburger Kernmarke und der tschechischen Tochter Skoda. Kritiker aus Wolfsburg halten dem Konzern vor, dass die Marken sich an vielen Stellen zu stark überlappen - auf Kosten der Kernmarke.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Für die Zahlenexperten kommen die Wolfsburger derzeit ausgesprochen ordentlich mit der schwachen Marktlage in Europa und China klar. Analyst Marc-Rene Tonn spricht von einer "soliden Bewältigung eines stürmischen Branchenumfelds" und erwartet für das gerade abgelaufene zweite Quartal weiter eine gute Ergebnisentwicklung. Die stelle unter Beweis, dass VW mit der Ausrichtung auf teurere SUVs richtig liege und dass das europäische Geschäft sehr profitabel sei. Dass VW den Anteil von Fahrzeugen auf Basis der Gleichteileplattform MQB weiter ausweite, dürfte zudem Belastungen durch höhere Ausgaben für insbesondere Elektroautos abfedern.

Auch UBS-Experte Patrick Hummel sieht ein starkes zweites Quartal für VW wegen der steigenden SUV-Verkäufe. Zudem könnten eine ausgeweitete Kooperation mit Ford und Neuigkeiten zum geplanten Abstoßen von Randbereichen zum Kurstreiber für die VW-Aktien werden.

Auch im Gesamtbild der im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysen kommt VW gut weg. 12 der 17 Analysten, die in diesem Jahr Studien verfasst haben, raten zum Kauf der im DAX notierten Vorzugsaktie, der Rest ist neutral. Ihr durchschnittliches Kursziel liegt bei 187 Euro und damit gut ein Fünftel über dem derzeitigen Kursniveau von unter 160 Euro.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Im Zuge der Dieselkrise hatte sich die VW-Vorzugsaktie von einem Hoch Mitte März 2015 bei 262,45 Euro auf ein Tief von 86,36 Euro im Oktober 2015 gedrittelt. Nach dem dramatischen Einbruch ging es in den folgenden Jahren wieder langsam bergauf. Seit dem Zwischenhoch im Januar 2018 bei 192,46 Euro, dem höchsten Wert seit der Krise, verlor die Aktie aber mit dem Ausbruch der Branchentristesse wieder. Seit Mitte vergangenen Jahres bewegt sie sich in einem vergleichsweise schmalen Korridor um die 145 Euro, aktuell rund 10 Euro darüber.

Im Vergleich zum europaweiten Index Stoxx Europe 600 Automobile & Parts, in dem die Hersteller wie Zulieferer Europas zusammengefasst sind, haben sich die VW-Vorzüge in den letzten zwölf Monaten jedoch deutlich besser entwickelt: Während der Index rund 15 Prozent im Minus liegt, kommt VW auf ein Plus von rund 5 Prozent.

Beim Börsenwert hat Diess aber noch viel Arbeit vor sich: Volkswagen ist derzeit am Markt rund 77,5 Milliarden Euro wert - Amazon bringt mit 980 Milliarden Dollar (873 Mrd Euro) mehr als das Zehnfache auf die Waage. Die Google-Mutter Alphabet ist mit 780 Milliarden Dollar ebenfalls weit weg, Apple mit 926 Milliarden Dollar ebenfalls.

WOLFSBURG (dpa-AFX)

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Bildquellen: yousang / Shutterstock.com, Vytautas Kielaitis / Shutterstock.com

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