Baumann-Abgang 2024

Bayer-Aktie steigt: Aktivistischem US-Investor wäre ein Chef von außen lieber - Xarelto-Nachfolger mindestens genauso umsatzstark

10.01.23 17:55 Uhr

Bayer-Aktie steigt: Aktivistischem US-Investor wäre ein Chef von außen lieber - Xarelto-Nachfolger mindestens genauso umsatzstark | finanzen.net

Der aktivistische Investor Jeff Ubben fordert vom Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer, außerhalb des Unternehmens nach einem neuen Chef zu suchen.

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Sein Hedgefonds Inclusive Capital, der sich jüngst an Bayer beteiligt hat, "würde einen externen Kandidaten" bevorzugen, sagte Ubben im Gespräch mit der "Financial Times" (Dienstag). Das wäre ein klarer Schnitt, nachdem in der Vergangenheit der neue Chef intern gefunden wurde. Offiziell geplant ist der Abschied des wegen der kostspieligen Monsanto-Übernahme oft kritisierten Bayer-Chefs Werner Baumann für 2024.

Aktuell läuft die Suche nach einem Nachfolger. Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann suche intern und extern nach Managern und wolle einen Kandidaten bis zur nächsten Hauptversammlung im April 2023 präsentieren, hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg im September unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtet. Es sei zudem nicht klar, ob Baumann schon vor dem Ende seines Vertrages im April 2024 ersetzt werden solle.

Inclusive Capital hatte zum Wochenstart mitgeteilt, knapp 8,2 Millionen Bayer-Papiere zu halten, was einer Beteiligung von rund 0,8 Prozent entspricht. Die Bayer-Aktien hatten am Montag daraufhin zugelegt und waren mit einem Plus von 2,6 Prozent aus dem Handel gegangen. Damit ist Ubbens Anteil gut 420 Millionen Euro wert.

Bayer ist ein interessantes Ziel für aktivistische Investoren, die auf die Geschicke eines Unternehmens direkt Einfluss nehmen wollen. So ist der Aktienkurs weiter schwer von den Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten in den USA gezeichnet, wenngleich es hier mittlerweile deutlich besser aussieht.

Zudem monieren einige Branchenexperten immer wieder die Konglomeratstruktur des Konzerns. Druck macht aber wohl auch der singapurische Staatsfonds Temasek, der mit mehr als drei Prozent einer der größten Anteilseigner ist. Man stehe mit dem Bayer-Aufsichtsratschef in "konstruktivem Dialog", was die "strategische Fokussierung und die generelle Struktur des Unternehmens" angehe, hatte Temasek-Europachef Uwe Krüger dem "Handelsblatt" im vergangenen Jahr gesagt.

Das Bayer-Management lehnt eine Aufspaltung früheren Angaben zufolge aber ab und verweist auch auf Überschneidungen bei der Pharma- und der Agrarforschung, etwa mit Blick auf Gentechnik. Eventuell könnte sich das unter einem neuen Konzernchef ändern.

Bayer: Nachfolger für Bestseller Xarelto mindestens genauso umsatzstark

Bayer will mit seinem potenziellen neuen Blutverdünner mindestens an die Erfolge des Vorgängers Xarelto anknüpfen, dessen Patente bald auslaufen. Der Medikamentenkandidat mit dem Namen Asundexian, für den im Sommer zwei entscheidende klinische Phase-III-Studien gestartet wurden, soll in der Spitze mehr als 5 Milliarden Euro Jahresumsatz liefern, wie Pharma-Chef Stefan Oelrich anlässlich der diesjährigen J.P. Morgan Healthcare-Konferenz in San Francisco mitteilte.

Für die vier wichtigsten potenziellen Wachstumstreiber im Pharma-Portfolio der Zukunft zusammen - neben Asundexian auch das Nierenmedikament Kerendia, das Prostatakrebspräparat Nubeqa und der noch in der Entwicklung befindliche Menopause-Wirkstoff Elinzanetant - prognostiziert Bayer nun Spitzenumsätze von mehr als 12 Milliarden statt wie zuvor mehr als 5 Milliarden Euro. Ursächlich dafür ist auch, dass die Umsatzerwartungen an Kerendia hochgenommen wurden: In der Spitze verspricht sich Bayer von dem Mittel zur Behandlung nierenkranker Diabetiker mehr als 3 Milliarden Euro Einnahmen jährlich und nicht wie bisher mehr als 1 Milliarde Euro.

Die Kerendia-Verschreibungskurve der Ärzte in den USA, wo das Mittel bereits seit 2021 zugelassen ist, zeige extrem nach oben, begründete Oelrich die optimistischere Einschätzung im Interview mit Dow Jones Newswires. Hier sei eine der erfolgreichsten Markteinführungen auf dem US-Markt gelungen. Der Manager sieht dadurch all jene Skeptiker widerlegt, die Bayer einen solchen Rollout ohne bestehende Vertriebsorganisation für dieses Geschäft in den USA nicht zugetraut hatten. Auch in China, wo die Zulassung nur ein halbes Jahr zurückliegt, habe man bereits einen Preis für das Medikament, der zweite Markt mit "Riesen-Potenzial".

Mit der Prognose für den Gerinnungshemmer Asundexian, mit dem Bayer seine starke Position im lukrativen Markt mit kardiovaskulären Erkrankungen mindestens verteidigen will, stellt Oelrich die Erwartungen der meisten Analysten deutlich in den Schatten. Laut Citi-Analyst Peter Verdult rechneten diese im Schnitt nur mit 1 bis 2 Milliarden Dollar Peak Sales. Verdult selbst ist mehr als 6 Milliarden Dollar schon länger deutlich optimistischer.

Asundexian wird derzeit in der zulassungsrelevanten Studie III als Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern untersucht, aber auch bei bestimmten Patienten, die bereits einen Schlaganfall erlitten haben. Bis zu 30.000 Studienteilnehmer sind geplant. "Wir rekrutieren schnell und früh, und wir glauben, dass wir das Rennen hoffentlich gewinnen können", sagt Oelrich.

Denn für die noch junge Wirkstoffklasse der XIa-Hemmer gibt es mit Bristol-Myers Squibb (BMS) auch einen potenten Konkurrenten. Der US-Konzern treibt zusammen mit der Johnson & Johnson-Tochter Janssen den vergleichbaren Wirkstoff Milvexian voran, hat aber anders als Bayer noch nicht die Phase-III-Studie gestartet. "Wir haben uns jetzt da einen Vorsprung erarbeitet, den wollen wir auch beibehalten", sagt der Bayer-Manager.

2026 will Bayer mit dem Mittel auf den Markt kommen: Erster in dieser neuen Wirkstoffklasse zu sein, wäre ein echter Vorteil auf dem 30-Milliarden-Dollar-Markt. Anders als beim Xarelto-Wirkstoff Rivaroxaban entwickelt Bayer Asundexian nämlich allein und kann mit den weltweiten Rechten das volle Potenzial des lukrativsten Pharmamarktes USA ausbeuten.

Darüber hinaus greifen Faktor-XIa-Hemmer an anderer Stelle in die Blutgerinnung ein als die etablierten Mittel. Das Risiko unerwünschter Blutungen sinkt, wodurch es auch für Hochrisikopatienten infrage kommt. "Ich glaube, dass Patienten, die durch existierende Medikamente nicht vernünftig bedient werden, sofort in den Fokus von Asundexian geraten", sagte Oelrich. "Und dann werden auch alle, die Antikoagulazien nehmen und schon mal einen Blutfleck auf der Hand hatten, dieses Risiko ausschalten wollen."

Vorgänger Xarelto ist seit 2014 Bestseller unter den Medikamenten des Bayer-Konzerns. 2021 spülte das Medikament weltweit 4,7 Milliarden Euro in die Kassen - fast ein Viertel der Pharma-Einnahmen insgesamt und so viel wie nie zuvor. Doch das ändert sich. Wenn Bayer in Kürze die Bilanz für 2022 vorlegt, wird sich zeigen, dass die Einnahmen erstmals rückläufig waren: In Brasilien ist der Patentschutz nämlich schon ausgelaufen und in China der Erstattungspreis aufgrund von Ausschreibungsverfahren deutlich gesunken.

In den nächsten zwei bis drei Jahren werden sich die Umsatzverluste noch verstärken. Kurzfristig setzt Oelrich deshalb auf das Wachstum von Nubeqa und Kerendia sowie darauf, dass das Augenmedikament Eylea - das zweitwichtigste Pharmaprodukt von Bayer - mit dem neuen, längeren Dosierungsintervall von 16 Wochen konkurrenzfähig und ein Umsatztreiber bleibt. "Wir haben mit Eylea 8 Milligramm noch ein zweites Leben bekommen für das Medikament, wenn Sie so wollen", so Oelrich.

Längerfristig sollen dann die Zukäufe, die seit seinem Amtsantritt 2018 getätigt wurden, das Wachstum im Pharmageschäft bringen - etwa die Zell- und Gentherapieplattformen von BlueRock und AskBio, mit denen Bayer neben Krebserkrankungen verstärkt auch seltene Erkrankungen ins Visier nehmen will, oder die Biotechfirma Vividion, die in der Immunologie unterstützen soll. Das bisher wichtigste Projekt einer Behandlung für die verbreitete Parkinson-Erkrankung soll im Sommer Zwischendaten aus der ersten klinischen Phase liefern. Er sei "sehr positiv gestimmt", sagt der Bayer-Pharmachef. Doch auch wenn alles gut geht, wird es für die zugekauften Forschungsplattformen noch bis zum Ende der Dekade dauern, bis ihre Entwicklungen Erträge liefern - vielleicht sogar bis Anfang des nächsten Jahrzehnts. Sehen wird man die Erfolge nach Oelrichs Worten zunächst bei den klinischen Studien: Aufs Jahr gesehen soll ihre Zahl künftig mindestens zweistellig ergänzt werden.

Investoren freuen sich über weitere Kurstreiber für Bayer

Die Papiere von Bayer stehen auch am Dienstag bei den Anlegern hoch im Kurs. Sie übersprangen am Nachmittag ihr Vortageshoch und gewannen an der DAX-Spitze via XETRA zeitweise rund vier Prozent auf 53,91 Euro. Damit überwanden sie zugleich die exponentielle 200-Tage-Linie, die Hinweise auf den längerfristigen Trend gibt.

Auslöser des Kurssprungs am Dienstag waren Prognosen des Pharmakonzerns für neue Medikamente, dank derer die Leverkusener die perspektivisch wegbrechenden Erlöse mit den Kassenschlagern Xarelto und Eylea mittelfristig mehr als wettmachen wollen. Vier wichtige Wachstumstreiber sollen es in Summe auf einen Spitzenumsatz von mehr als zwölf Milliarden Euro bringen.

Am Vortag hatten die Papiere bereits kräftig angezogen, nachdem bekannt geworden war, dass mit Jeff Ubben ein aktivistischer Investor aus den USA bei Bayer an Bord ist und daher damit gerechnet wird, dass der Druck auf das Management für Veränderungen im Konzern steigt.

So sieht Analystin Emily Field von der britischen Bank Barclays den Einfluss Ubbens positiv. Die seit Monaten negative Stimmung der Investoren gegenüber der Aktie könnte sich dadurch drehen, schrieb sie in einer aktuellen Studie. Investoren hätten zuletzt häufig auch einen Mangel an Kurstreibern beklagt, ergänzte sie mit Blick auf Forderungen nach einem neuen Vorstandschef.

Seit Jahresanfang haben die Bayer-Anteile nun schon 11,5 Prozent gewonnen und sind damit unter den DAX-Favoriten im noch jungen Börsenjahr 2023. Im XETRA-Handel legte die Bayer-Aktie letztlich 4,05 Prozent auf 53,96 Euro zu.

LONDON (dpa-AFX) / FRANKFURT (dpa-AFX / Dow Jones)

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Bildquellen: Taina Sohlman / Shutterstock.com, Bayer

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