Air Berlin

"Starker Zulauf von Geschäftsreisenden"

15.12.09 16:20 Uhr

Der Air Berlin-Chef Joachim Hunold spricht im Euro-Interview über neue Kunden, das optimale Preisniveau, Wachstumsmärkte in Osteuropa und Nordatlantik und wie er das defizitäre Städtenetz von TUIfly profitabel machen will.

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Der Vorstandschef von Air Berlin, Joachim Hunold, im Interview mit Sabine Gusbeth, Euro

€uro: Herr Hunold, seit Ende Oktober fliegt Air Berlin die Strecke Hamburg - Frankfurt. Die Lufthansa wertet das als Frontalangriff. Greifen Sie wirklich an?
Joachim Hunold:
Das Ganze ist in der Presse sehr hochgespielt worden. Aber das war eine gute Werbung für uns. Denn jetzt weiß jeder, dass wir diese Strecke anbieten. Innerhalb weniger Wochen haben wir dort einen Marktanteil von 30 Prozent erreicht. Ich rechne damit, dass wir auf der Strecke schon bald schwarze Zahlen schreiben.

Warum haben Sie gerade die Strecke Frankfurt - Hamburg gewählt?
Hunold:
Weil die Nachfrage von Firmenkunden so hoch war. Aufgrund der hohen Preise der Lufthansa auf dieser Monopolstrecke hatten viele Firmen ihren Mitarbeitern nur noch die Geschäftsreisen per Zug oder Auto erlaubt. Die Strecke Hamburg - Frankfurt war für uns also ein absolutes Muss.

Sie jagen der Lufthansa vor allem die zahlungskräftigen Geschäftskunden ab.
Hunold:
Nicht nur der Lufthansa. Wir haben auf der Strecke Hamburg - Frankfurt auch Geschäftskunden von der Bahn zurück gewonnen. Außerdem wurden in der Wirtschaftskrise viele Businessclass-Flüge gestrichen. Und wenn man Economy Class fliegen muss, hat Air Berlin heute ein viel günstigeres Preisniveau als die Konkurrenz. Deshalb bekommen wir im Moment sehr starken Zulauf von Geschäftsreisenden.

Sehen Sie sich als Krisengewinner?
Hunold:
Ich würde mich nie so bezeichnen. Ich habe aber auch nichts dagegen, wenn Sie das schreiben. Immerhin haben wir im dritten Quartal die drittbeste EBIT-Marge, also Rentabilität, aller Airlines in Europa.

Auf den Kontinentalflügen von Air Berlin gibt es nur eine Klasse. Befürchten Sie, dass ihre Neukunden wieder an die Business-Class der Lufthansa verlieren, sobald es aufwärts geht?
Hunold:
Ich glaube nicht, dass im Kontinentalverkehr die Business Class noch einmal die Größenordnung erreicht, die sie mal hatte. Die Firmen haben jetzt das Sparpotential gesehen. Und sie haben erkannt, dass Air Berlin ein gutes Angebot macht. Wir haben inzwischen 1100 Firmenreiseabkommen abgeschlossen. Wir werden unsere eine Klasse beibehalten, so wie sie ist. Mit unserem berühmten Schokoladenherzchen und dem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.

Branchenexperten gehen davon aus, dass insgesamt das Preisniveau von Air Berlin etwa 30 Prozent unter dem der Lufthansa liegt. Die Lufthansa selbst spricht von „Dumpingpreisen“.
Hunold:
Wir haben das klassische 29 Euro Eckpreisangebot, das es auf vielen Strecken gibt. Das heißt, es gibt einige wenige Plätze für diesen Preis. Das Preisniveau schwankt natürlich je nach Strecke. Aber ja, es dürften etwa 30 Prozent sein.

Wäre das auch der Spielraum für Preiserhöhungen, die Sie vor Kurzem angekündigt haben? Höhere Preise, aber immer noch günstiger als bei der Lufthansa?
Hunold:
Nein, nicht unbedingt weniger als die Lufthansa. Der optimale Preis ist der, mit dem wir eine Gewinnmarge erreichen, mit der wir zufrieden sind.

Auf der folgenden Seite verrät Joachim Hunold welchen Marktanteil Air Berlin inzwischen erreicht hat und welcher Geschäftsbereich am meisten Umsatz bringt.

Was ist Ihnen wichtiger, Marktanteile zu gewinnen oder die Marge?
Hunold:
Mit Marktanteilen allein kann man kein Geld verdienen. Aber man muss ein gewisses Angebot an bestimmten Flughäfen haben, sonst ist man für Geschäftsreisende nicht attraktiv. Wir nennen das Citypräsenz. Dort müssen bestimmte Routen mehrmals täglich angeboten werden, damit die Kunden flexibel sind. Deswegen führt manchmal der Marktanteil erst dazu, dass man Marge machen kann.

Air Berlin ist die zweitgrößte deutsche Airline. Wie hoch ist Ihr Marktanteil?
Hunold:
Im innerdeutschen Netz haben wir inzwischen einen Marktanteil von 40 Prozent.

Die Lufthansa hat angekündigt als Reaktion auf die wachsende Konkurrenz ebenfalls engere Sitzreihen, weniger Service und billigere Tickets anzubieten. Wächst damit auch der Druck auf Air Berlin?
Hunold:
Nein, der Konkurrenzdruck war immer schon da. Wir sind aber gut aufgestellt, weil wir auf mehreren Beinen stehen: Wir haben die Veranstalterkunden, die über einen Reiseveranstalter gebucht haben. Wir haben Touristen, die unsere Linienflüge nutzen. Und wir haben jetzt in stärkerem Maße auch Geschäftsreisende. Wenn andere versuchen sich an unser Modell anzugleichen, dann kann das ja nicht so falsch gewesen sein.

Welcher der drei Bereiche macht den größten Anteil am Umsatz aus?
Hunold:
Im Moment immer noch das Touristengeschäft. Denn da sind die Strecken länger und damit umsatzstärker. Der Anteil liegt etwa bei 40 Prozent. Bei Geschäftsreisenden sind es über 35 Prozent des Gesamtumsatzes.

Nach dem Erfolg der Strecke Frankfurt – Hamburg: Welche weitere Strecke würden Sie gerne befliegen?
Hunold:
Eine Wunschstrecke gibt es nicht. Aber wir wollen unser Netz im Inland, aber auch in Europa weiterentwickeln. Dazu werden wir unser Hub in Berlin verstärkt ausbauen. Wir sehen uns vor allem Strecken ab einer Entfernung von etwa 400 Kilometer an. Alles was kürzer ist, da sind Bahn oder Auto besser.

Sind durch die Wirtschaftkrise mehr attraktive Routen frei?
Hunold:
Eigentlich ja. Denn im Grunde müssen Strecken, die weniger als 80 Prozent der Zeit genutzt werden, zurückgegeben werden. Aber die EU hat diese so genannten Großvater-Rechte aufgrund der Wirtschaftskrise diesen Sommer und im Winter ausgesetzt.

Air Berlin hat wegen der Krise das Langstreckennetz, das aus der LTU-Übernahme stammt, stark zusammengestrichen. Wollen Sie sich künftig stärker auf Kurz- und Mittelstrecken konzentrieren?
Hunold:
Vom Grundsatz her steht das Langstreckennetz nicht zur Debatte. Aber wir sehen uns jede Strecke genau an, ob sie profitabel ist oder nicht. Das Langstreckengeschäft ist im Moment sehr schwierig. Aber deswegen ist es gut, dass wir im Kontinentalgeschäft so gut aufgestellt sind und uns auf profitable Strecken konzentrieren.

Welche sind denn die profitablen Strecken von Air Berlin?
Hunold:
Ich mache doch die Konkurrenz nicht schlau! Aber da wir unter dem Strich ein positives Ergebnis für dieses Jahr prognostizieren, heißt das auch, dass alle Strecken zusammengenommen profitabel sind. Routen, die wir mittel- oder langfristig nicht als rentabel sehen, streichen wir.

Für das Städtenetz der TUIfly, dass Air Berlin seit Oktober in den Flugplan übernommen hat, rechnen Sie aber im November und Dezember mit einem Verlust von zehn Millionen Euro.
Hunold:
Das stimmt. Aber nächstes Jahr zum Sommer werden wir auf diesen Strecken schon profitabel sein.

Wie wollen Sie das machen?
Hunold:
Das Problem der TUIfly ist, dass sie viel zu klein war. Durch die Übernahme profitieren diese Strecken automatisch von unserem Netz. Das heißt, wir kreieren zusätzlichen Umsteigeverkehr. Dadurch wird eine Strecke wesentlich schneller profitabel als wenn sie nur isoliert geflogen wird. Das Netzwerk ist das A und O.

Für dieses Jahr geht der internationale Luftfahrtverband IATA von einem Umsatzrückgang von 15 Prozent für die gesamte Branche aus. Wie entwickelt sich Ihr Umsatz?
Hunold:
Das ist noch verfrüht zu sagen. Aber beim Ergebnis wollen wir über dem Vorjahreswert von 14,2 Millionen Euro landen.

Auf der folgenden Seite erläutert Joachim Hunold, wie er mit Air Berlin in den kommenden Jahren weiter wachsen will.

Die Aktionäre scheinen nicht so recht an die Wachstumsperspektive zu glauben. Air Berlin hat heute an der Börse nur noch einen Bruchteil des Wertes vom Börsengang 2006.
Hunold:
Die Airline-Branche ist natürlich sehr volatil. Ich hätte mir auch gewünscht, dass der Kurs nach den guten Zahlen schneller nach oben geht. Im Moment klettert die Aktie zwar von Tag zu Tag. Aber dass ich mit dem derzeitigen Kurs nicht zufrieden bin, ist klar.

Birgt die niedrige Marktkapitalisierung auch die Gefahr einer Übernahme?
Hunold:
Kein börsennotiertes Unternehmen ist vor einer Übernahme gefeit. Aber durch unsere zwei neuen Großaktionäre ESAS und TUI travel haben wir inzwischen eine gewisse Stabilität.

ESAS ist ein strategischer Investor, zu der auch die türkische Pegasus Airlines zählt. Gibt es da Pläne für eine engere Zusammenarbeit?
Hunold:
Ja, wir überlegen auf welchen Feldern wir kooperieren können zum Beispiel durch Codeshare-Abkommen oder ähnliches.

Der Einstieg der beiden Großaktionäre im Rahmen von Kapitalerhöhungen war auch wichtig, um das Eigenkapital zu erhöhen und die Verschuldung zu drücken.
Hunold:
Tatsache ist, dass wir die Nettoverschuldung bis Jahresende unter 600 Millionen Euro verringern wollten. Das haben wir nun schon Ende September erreicht. Wenn es uns noch gelingt, das ein oder andere Flugzeug zu verkaufen, dann können wir die Nettoverschuldung noch weiter herunterfahren.

Ist das ein Level mit dem Sie zufrieden sind?
Hunold:
Man kann nie zufrieden sein. Unser Ziel ist natürlich, die Schulden weiter abzubauen.

Im vergangenen Jahr hat der Air Berlin-Vorstand auf die Hälfte seiner Boni verzichtet. Haben Sie sich diese Jahr wieder den vollen Bonus verdient?
Hunold:
Das wird unser Remuneration-Kommitee entscheiden und das hat dieses Jahr noch nicht getagt. Und wir müssen unser Jahresendergebnis abwarten.

Sie haben doch gerade gesagt, das soll höher ausfallen als im vergangenen Jahr.
Hunold:
Sie locken nichts aus mir raus, auch wenn Sie noch so nett lächeln.

Wie und wo soll Air Berlin denn im kommenden Jahr wachsen?
Hunold:
Wir werden, je nachdem wo Strecken frei werden, unsere Netz optimieren und dadurch die Kapazitäten ausbauen. Wir sehen zum Beispiel im Kosovo noch Wachstumsmöglichkeiten. Dorthin gibt es einen starken ethnischen Verkehr, der sich gut entwickelt. Das sind klassische neue Märkte. Auf dem bestehenden Streckennetz werden wir die Produktivität erhöhen.

Was bedeutet das?
Hunold:
Wir steigern die Anzahl der Stunden pro Jahr, die unsere Flugzeuge in der Luft sind. Durch das gewachsene Netz, haben wir die Möglichkeit Parkzeiten zu verringern. Eine Air Berlin-Maschine ist im Durchschnitt nur 32 Minuten am Boden, bevor es weitergeht.

Gibt es Pläne durch weitere Übernahmen oder neue Kooperationen zu wachsen?
Hunold:
Wir sehen uns natürlich immer nach Codeshare-Partnern um. Das sind Partner mit denen wir gemeinsam Flüge anbieten, wie zum Beispiel die russische S7 für Flüge nach Moskau oder Hainan Airlines für Peking. Interessant wäre noch ein Partner im Nordatlantik-Raum. Unsere Verhandlungen mit Continental waren da bereits sehr weit, dann hat sich Continental aber für die Star Alliance entschieden. Trotzdem bleibt Nordatlantik für uns interessant und wir verhandeln mit mehreren möglichen Partnern.

Mit wem?
Hunold:
Wir haben mehrere Anfragen, aber es ist noch verfrüht darüber zu sprechen.

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