VW-Aktie fester: Schadenersatz von Stadler & Winterkorn gefordert - erster ID.4 übergeben
Der VW-Konzern verlangt im Zusammenhang mit dem Dieselskandal Schadenersatz von seinem früheren Chef Martin Winterkorn und von Ex-Audi-Chef Rupert Stadler.
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Mit dem Beschluss des Aufsichtsrats in Wolfsburg enden jahrelange Untersuchungen, die neben der Aufarbeitung der Abgasaffäre vor vielen Straf- und Zivilgerichten auch intern angeschoben worden waren. Welche konkreten Summen von den zwei Managern verlangt werden könnten, steht bisher noch nicht fest.
Die Kontrolleure gaben ihre Entscheidung über die Regressforderungen am Freitag bekannt. Vorausgegangen waren mehrtägige Beratungen mit der Kanzlei Gleiss Lutz, die der Aufsichtsrat mit dem Fall beauftragt hatte. Die Juristen sicherten 65 Petabyte - umgerechnet 65 000 Tera- oder 65 Millionen Gigabyte - an Daten sowie mehr als 480 Millionen Dokumente, von denen 1,6 Millionen als relevant eingestuft wurden.
Darüber hinaus führten Anwälte über 1550 Interviews und Vernehmungen. VW sprach von der "umfangreichsten und aufwendigsten Untersuchung in einem Unternehmen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte".
Das Ergebnis: Winterkorn und Stadler sollen wegen Verletzungen der aktienrechtlichen Sorgfaltspflicht Schadenersatz zahlen. Das Ausmaß der Forderungen ließ der Konzern noch offen. "Entsprechende Gespräche laufen dazu an", heißt es in einem Schreiben des Aufsichtsrats an die Belegschaft, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Bei weiteren VW-Vorständen seien zwar keine Verstöße festgestellt worden. Bei den Töchtern Audi und Porsche sollen jedoch auch die Ex-Manager Ulrich Hackenberg, Stefan Knirsch und Wolfgang Hatz belangt werden. Beim früheren Volkswagen (VW)-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer sei die Forderung schon geltend gemacht worden.
Winterkorn beteuerte umgehend, er habe sich vor dem Bekanntwerden der Dieselaffäre korrekt verhalten. Über seine Anwälte teilte er mit, "alles Erforderliche getan und nichts unterlassen zu haben, was dazu geführt hätte, den entstandenen Schaden zu vermeiden oder geringer zu halten". Stadler wollte sich zur Schadenersatzforderung nicht äußern.
"Dieselgate" war Ende September 2015 aufgeflogen. Der Skandal stürzte VW in die tiefste Krise seiner Geschichte und führte in der Folge auch zu einem Verlust an Vertrauen in weite Teile der Autoindustrie.
Der Konzern stieß daraufhin eine großangelegte Analyse von Schäden und Verantwortlichkeiten an. Außerdem sollen riesige Investitionen in die E-Mobilität und flachere Hierarchien demonstrieren, dass sich das Unternehmen gewandelt hat. Doch juristische Klärungen dauern in zahlreichen Ländern noch an. Viele Beschäftigte des Autoherstellers und seiner Töchter sind genervt, dass das Thema VW nicht loslässt.
Bei Pflichtverletzungen von Führungskräften in der Wirtschaft können spezielle Manager-Haftpflichtversicherungen einspringen. Ob die Deckungssummen im vorliegenden Fall ausreichen, ist jedoch unklar. Bisher hat der Konzern weit über 30 Milliarden Euro an Rechtskosten für die Bewältigung der Abgaskrise verbucht - möglicherweise müssen die Manager also auch mit Teilen ihres Privatvermögens haften.
Der zentrale Befund laut VW: Winterkorn soll es in der Zeit nach einer Krisenkonferenz am 27. Juli 2015 unterlassen haben, "die Hintergründe des Einsatzes unzulässiger Softwarefunktionen in 2,0-Liter-TDI-Dieselmotoren, die in den Jahren 2009 bis 2015 im nordamerikanischen Markt vertrieben wurden, unverzüglich und umfassend aufzuklären". Er habe überdies nicht dafür gesorgt, "dass in diesem Zusammenhang gestellte Fragen der US-amerikanischen Behörden umgehend wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden".
Der Vorwurf gegen das frühere Vorstandsmitglied Stadler bezieht sich auf dessen Umgang mit von Audi entwickelten Dieselmotoren, die in der EU auch in Autos der Marken VW und Porsche eingebaut waren: Stadler habe es von Ende September 2016 an versäumt, dass die Motoren "im Hinblick auf unzulässige Softwarefunktionen untersucht werden".
Während der Konzern von einem "Schlussstrich" unter die Arbeit der Aufklärung spricht, betont der Aufsichtsrat in dem Schreiben an die Mitarbeiter zusätzlich, dass die Dieselkrise damit nicht beendet sei: "Die straf- und zivilrechtlichen Auseinandersetzungen laufen weiter."
Winterkorn war vor gut fünfeinhalb Jahren zurückgetreten, nachdem der Skandal in den USA ans Licht gekommen war. Nach seiner Darstellung erfuhr er von den Manipulationen erst kurz vor dem Bekanntwerden in der Öffentlichkeit. Vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages sagte er 2017: "Es ist nicht zu verstehen, warum ich nicht frühzeitig und eindeutig über die Messprobleme aufgeklärt worden bin."
Von Mitte September an wird Winterkorn wegen der Abgasaffäre auch vor Gericht stehen. Dann soll in Braunschweig ein Prozess gegen ihn und vier weitere, teils ehemalige Führungskräfte wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs beginnen. Stadler steht wegen einer möglichen Mitverantwortung bei Abgastäuschungen vor dem Münchner Landgericht.
Ein zusätzliches Verfahren gegen Winterkorn wegen mutmaßlicher Marktmanipulation hatte das Landgericht Braunschweig eingestellt, weil das erwartbare Strafmaß im Betrugsprozess höher ausfallen könnte. Die Staatsanwaltschaft warf Winterkorn, aber auch dem heutigen Konzernchef Herbert Diess und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch vor, Anleger zu spät über die finanziellen Risiken der Dieselaffäre aufgeklärt zu haben. Im Fall von Diess und Pötsch beendete die Justiz das Verfahren im Mai 2020 gegen eine Zahlung von insgesamt neun Millionen Euro an die niedersächsische Landeskasse.
Trotz des Prüfberichts attestierte der VW-Aufsichtsrat Winterkorn und Stadler "eine beeindruckende Lebensleistung": Das bleibe bestehen, "ungeachtet der Schuldfrage und nun geltend gemachter Ansprüche."
Volkswagen übergibt erste Elektro-SUV ID.4 in Dresden und Wolfsburg
Volkswagen hat mit der Auslieferung des zweiten Modells seiner vollelektrischen ID-Baureihe begonnen. Am Freitag wurden die ersten kompakten Sportgeländewagen (SUV) ID.4 an Kunden in der Gläsernen Manufaktur in Dresden sowie in Wolfsburg übergeben. Bisher seien europaweit rund 23 500 Bestellungen eingegangen, sagte Volkswagen-Vertriebsleiter Holger Santel. In diesem Jahr sollen rund 150 000 ID.4 weltweit verkauft werden. Volkswagen will damit neben Europa auch die wichtigen Märkte China und USA bedienen.
Der ID.4 wird zunächst - wie auch bereits der ID.3 - im sächsischen Zwickau gebaut und von dort auch in die USA geliefert. Zudem läuft der Mittelklassewagen in zwei Werken in China vom Band. Insgesamt plant der Autobauer in diesem Jahr den Verkauf von 450 000 Elektro- und Hybridautos. In der zweiten Jahreshälfte soll das Coupé ID.5 hinzukommen und im Sommer der größere SUV ID.6, der aber nur in China erscheint.
Volkswagen und Brose gründen Joint Venture für Autositze
Volkswagen und der Autozulieferer Brose wollen künftig bei der Entwicklung und Produktion von Fahrzeugsitzen eng kooperieren. Die beiden Unternehmen haben ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, das sich auf Sitzstrukturen und -komponenten sowie Innenraumlösungen konzentrieren soll. Die Coburger Brose beteilige sich im Zuge der Vereinbarung zur Hälfte an der Volkswagen Tochter Sitech, die sich auf Sitzgarnituren und Sitzstruktur-Komponenten spezialisiert hat.
Die industrielle Führung im Joint Venture (JV) soll die Brose Fahrzeugteile SE & Co KG übernehmen. Neben den bestehenden Entwicklungs- und Fertigungsstandorten in Osteuropa, Deutschland und China sei eine Ausweitung in Europa, Amerika und Asien geplant. Im paritätisch besetzten Vorstand werde Brose den Vorstandsvorsitzenden und den Entwicklungsvorstand, VW den kaufmännischen Vorstand und das Produktionsressort stellen.
Ziel sei es, "als Global Player auf dem hart umkämpften Markt für Fahrzeugsitze eine bedeutende Position einzunehmen", so die Unternehmen. Neben dem Geschäft mit der Wolfsburger VW will das Joint Venture auch einen signifikanten Anteil des Umsatzes mit Fahrzeugherstellern erzielen, die nicht zu Volkswagen gehören.
Im laufenden Jahr erwartet Sitech mit mehr als 5.200 Mitarbeitern den weiteren Angaben zufolge einen Umsatz von rund 1,4 Milliarden Euro. Das Geschäftsvolumen soll sich im Joint Venture bis 2030 auf 2,8 Milliarden Euro verdoppeln. Die Belegschaft soll auf etwa 7.000 Mitarbeiter wachsen.
Moody erhöht Volkswagen-Ausblick auf stabil, Rating bestätigt
Moody's hat den Ratingausblick der Volkswagen AG auf stabil erhöht und das Langfristrating mit A3 bestätigt. Die Erholung beim weltweiten Autoabsatz halte an, begründete Moody's den besseren Ausblick. Der Autokonzern dürfte seine Kreditkennzahlen 2021 bis 2022 weiter verbessern. Zudem sollte Volkswagen dieses Jahr die CO2-Emissionen auf ein Niveau reduzieren, das den strengeren Zielen sehr nahe kommen dürfte.
Via XETRA klettert die VW-Vorzugsaktie derzeit um 0,94 Prozent auf 229,85 Euro.WOLFSBURG / FRANKFURT (dpa-AFX / Dow Jones Newswires)
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