Folgen einer unabgestimmten Notenbankpolitik
Draghi versus Bernanke – wer behält die Oberhand?
von Thomas Wüst, Geschäftsführer Valorvest Vermögensverwaltung
Während der EZB-Präsident Mario Draghi am vergangenen Dienstag noch eine weitere Lockerung der Geldpolitik in der Eurozone in Aussicht gestellt hat, spricht Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank, nur einen Tag später zum wiederholten Male von einem möglichen vorzeitigen Ausstieg aus dem Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen und Pfandbriefen. Eine aufeinander abgestimmte, internationale Notenbankpolitik zur Bewältigung einer globalen Finanzkrise, die ihren Ursprung in den USA hatte, sieht anders aus. Dabei sind sich beide Notenbankchefs der psychologischen Macht ihrer Worte sehr wohl bewusst: ihre Verbalinterventionen bewegen Märkte. Draghi rudert vorwärts – Bernanke rudert zurück. Für Investoren bietet sich im Hinblick auf die künftige Geldpolitik auf internationaler Ebene ein diffuses Bild.
Kleinster gemeinsamer Nenner
Auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner beider Notenbankchefs wird man trotz der konträren Aussagen der letzten Tage fündig: der Leitzins wird sowohl in den USA als auch in der Eurozone noch über 2014 hinaus niedrig bleiben. Insofern führt der Renditeanstieg an den internationalen Rentenmärkten, der sich nach der gestrigen Äußerungen von Ben Bernanke eingestellt hat, zunächst zu einer steileren Zinsstrukturkurve. Eine steile Zinsstrukturkurve gibt es üblicherweise dann, wenn die Inflationserwartungen entsprechend anziehen, da die Investoren in einem solchen Umfeld für länger laufende Anleihen wieder eine höhere Risikoprämie fordern. Spätestens hier reiben sich Betrachter verwundert die Augen, nachdem die US-Notenbank ihre eigene Inflationsprojektion gestern sogar kräftig reduziert hat.
Die US-Notenbank gegen den Rest der Welt?
Vor diesem Hintergrund stellt man sich natürlich die Frage, was Bernanke mit seinen verbalen Interventionen bezweckt. Hierüber lässt sich natürlich trefflich spekulieren. Ein möglicher Zweck seiner verbalen Intervention könnte sein, dass er Angst vor einer Blasenbildung an den US-Rentenmärkten hat. Verschwörungstheoretiker könnten in den jüngsten Aussagen des US-Notenbankchefs auch den Beginn eines Wirtschaftskrieges zwischen den USA und dem Rest der Welt sehen. Denn durch das konträre Verhalten der US-Notenbank zu den anderen Notenbanken der Industrienationen sind nun auch die Zinsen in den Staaten der Eurozone aber auch in den Schwellenländern gestiegen, was wiederum die betroffenen Länder in deren internationalen Wettbewerbsfähigkeit schwächt. Weltbankchef Sim Yon Kim hat daher nach der gestrigen US-Notenbanksitzung auch nicht gezögert, auf diesen internationalen Zusammenhang hinzuweisen.
Fazit für Investoren
In einer Gemengelage, in der sich die internationale Notenbankpolitik nicht mehr miteinander abstimmt, um der Finanzmarktkrise entschlossen zu begegnen, steigt die Risikoaversion der Investoren zunächst an. Insofern muss zunächst mit einer erhöhten Volatilität an den Finanzmärkten gerechnet werden. Realwirtschaftlich hat sich auch nach den letzten Verbalinterventionen der beiden Notenbankchefs wenig verändert. Die Inflationsraten bewegen sich aktuell auf einem niedrigen Niveau und die Weltkonjunktur ist nach wie vor in einer schwachen Verfassung.
Durch die fehlende Abstimmung der internationalen Notenbankpolitik hat sich jedoch das Risiko erhöht, dass die Bewältigung der Finanzmarktkrise nun doch längere Zeit in Anspruch nehmen wird. Eine breite Diversifikation der Vermögensanlagen ist daher für Anleger nach wie vor das wichtigste Gebot der Stunde. So wie sich die US-Notenbank derzeit alle Optionen für die Zukunft offen hält, sollten auch Anleger sich nicht einseitig auf ein Szenario festlegen. In diesem Sinne: Don´t fight the FED.
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