Tragfähigkeitsbericht

Schäuble warnt vor Schuldenkollaps Deutschlands

17.02.16 14:42 Uhr

Schäuble warnt vor Schuldenkollaps Deutschlands | finanzen.net

Den deutschen Staatsfinanzen droht vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung der Kollaps.

Laut dem neuesten Tragfähigkeitsbericht des Bundesfinanzministeriums, der am Mittwoch im Kabinett vorgestellt wurde, könnte die Schuldenstandsquote in einem pessimistischen Szenario bis 2060 auf 220 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) steigen. Selbst in der günstigsten Variante steigt die Quote auf 76 Prozent. Allerdings sind diese Werte als rechnerische Fortschreibung und nicht als Prognosen zu verstehen, wie das Finanzministerium betonte.

Der Bericht kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass die sogenannte "Tragfähigkeitslücke", die den Handlungsbedarf im Hinblick auf langfristig solide Finanzen aufzeigt, nach wie vor erheblich ist. Nach den aktuellen Berechnungen liegt diese Lücke derzeit zwischen 1,2 Prozent und 3,8 Prozent des BIP.

Haushaltsdisziplin wahren

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erteilte in diesem Zusammenhang überzogenen Ausgabenwünschen eine Absage. "Der Bericht zeigt, dass weiterhin Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen bestehen - insbesondere durch den demografischen Wandel", erklärte der CDU-Politiker. "Daher halten wir an einer soliden Haushaltspolitik fest. Damit sind wir nicht nur kurzfristig in der Lage, unvorhergesehene Krisen zu bewältigen."

Auch der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Bartholomäus Kalb, mahnte zur Zurückhaltung. "Der vom Bundesfinanzminister heute vorgelegte Tragfähigkeitsbericht macht eins klar: Es gibt keinen Raum für die überzogenen Ausgabenwünsche mancher Ministerien", erklärte Kalb. Um den nachfolgenden Generationen keinen Schuldenberg zu hinterlassen, seien in den kommenden Jahren nicht bloß ausgeglichene Haushalte, sondern sogar Einsparungen von mindestens 7 Milliarden Euro jährlich erforderlich.

Älter und weniger

In dem Bericht stellen Schäubles Experten zwei zentrale Merkmale in den Vordergrund. Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter und sie geht gleichzeitig zahlenmäßig zurück. "Verbunden mit einem massiven Rückgang der Bevölkerung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird der Anteil der Personen, die 65 Jahre und älter sind, stark zunehmen, während der Anteil der Personen im erwerbsfähigem Alter deutlich zurückgehen wird", heißt es.

Das Fazit: Dieser gravierende Wandel in der Bevölkerungsstruktur Deutschlands würde bei ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen dazu führen, dass die vom Alter der Bürger abhängigen staatlichen Ausgaben überproportional ansteigen, während sich die von wirtschaftlicher Aktivität abhängigen staatlichen Einnahmen vergleichsweise schwächer entwickeln.

Mehr Kinder

Der Bericht sucht gleichzeitig nach Auswegen aus der Misere. Dazu zählen der weitere Abbau der strukturellen Erwerbslosigkeit sowie eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Beides habe langfristig günstige Effekte auf die öffentlichen Haushalte und die sozialen Sicherungssysteme.

Auch eine verstärkte Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte würde die demografischen Folgen wesentlich mindern, erklärt das Finanzministerium. Inwieweit der aktuelle Flüchtlingszuzug Auswirkungen auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen habe, sei "derzeit allerdings noch nicht abzuschätzen".

Das Finanzministerium betont außerdem die Bedeutung des lebenslangen Lernens - ein Punkt, den auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schon seit Jahren anspricht. "Zudem wird mit steigender Lebenserwartung wichtig, dass auch die effektive Lebensarbeitszeit zunimmt", heißt es dazu von Schäubles Beamten.

Schließlich geht es auch um ganz praktische Dinge: "Langfristig dämpfen oder auf Dauer sogar umkehren lasse sich die absehbare Alterung der Gesellschaft dann, wenn die Geburtenzahlen in Deutschland wieder dauerhaft steigen."

Der vierte Tragfähigkeitsbericht ist auf der Internetseite des Finanzministeriums ( www.bundesfinanzministerium.de ) veröffentlicht.

DJG/stl/smh Dow Jones Newswires

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