Schallmauer 8000?

Knapp sechs Jahre hat es gedauert, bis der DAX mit dem Überbieten der Marke von 8.154 Punkten nun wieder ein neues Allzeithoch erzielen konnte.
Auch das vorherige im Jahr 2007 hatte er sich mit einem langen Leidensweg hart erkämpfen müssen. Denn bereits im März 2000 war der deutsche Leitindex getrieben vom damaligen Internetboom über die Marke von 8.000 Punkten gestiegen. Über sieben Jahre hat es damals gedauert und zwischenzeitliche Verluste von rund 70 Prozent mussten Anleger aushalten, bis der DAX dann wieder von oben auf die 8.000 Punkte-Marke schauen konnte. Nun stellt sich die Frage, ob das Vergnügen wie im Jahr 2007 wieder nur ein kurzes ist und der Markt jetzt wieder Jahre auf Talfahrt geht? Fast wirken die 8.000 Punkte wie eine Schallmauer.
Wer kauft auf neuem Allzeithoch, lautet die nicht unberechtigte Frage? Das ökonomische Umfeld hat sich dadurch schließlich nicht geändert. Wer der Ansicht ist, das dieses für die Aktienanlage spricht, der wird bereits investiert haben. Wer es hingegen nicht zum Anlass genommen hat, in Aktien zu investieren, wird es wohl kaum tun, wenn die Kurse zudem noch am Hochpunkt sich befinden. Bleiben aus dieser Perspektive nur ein paar Charttechniker, die das ökonomische Umfeld für unbedeutend erachten und bei gebrochenen Widerständen prozyklisch investieren.
Doch die Perspektive ist viel zu verengt, weil sie allein den Index fokussiert. Dieser wird am Ende aber aus den 30 in ihm enthaltenen Aktien berechnet, die im Durchschnitt betrachtet ihre Höchstkurse noch längst nicht wieder erreicht haben. Denn beim DAX handelt es sich um einen Performance-Index, der gezahlte Dividenden inkludiert. Insofern ist der jüngste DAX-Rekord mit den Rekorden an der Wall Street nicht vergleichbar. Der dortige S&P 500 Index ist ein Kursindex, der gezahlte Dividenden außen vor lässt. Sein deutsches Pendant, der DAX-Kursindex, den kaum jemand kennt, notiert derzeit bei rund 4.375 Punkten. Bis zu seinem Rekord im Jahr 2007 hat er noch knapp 1.000 Punkte Luft, die der Performance-Index seitdem an Dividenden drauf gesattelt hat. Dieses lag nämlich bei 5.302 Punkten und im März 2000 sogar bei über 6.000 Punkten.
Die rein historische Betrachtung stellt aber egal, ob Performance- oder Kursindex immer eine verengte Perspektive dar. Am Ende setzt sich der Index-Stand aus den Preisen zusammen, die Anleger für die einzelnen Unternehmen zu bezahlen bereit sind, und die heute teilweise auch andere sind als im Jahr 2000 oder 2007. Hier liegt das weitere Kurspotenzial. Denn wer Aktienkäufe als das betrachtet was sie sind, nämlich Investments in Unternehmen, den interessiert der Index nicht. Hier spielt auch die Kurshistorie eine untergeordnete Rolle. Viel entscheidender sind die fundamentalen Kennzahlen, wie Gewinn, Cash-Flow, Buchwert und Dividendenrendite. Letztere ist dann vor allem noch mit den Anlagealternativen zu vergleichen und spätestens hier fällt auf, was ich seit vielen Monaten gebetsmühlenartig wiederhole: Aktien sind spottbillig. Denn trotz des Rekordes rentieren die 30 DAX-Aktien im Durchschnitt immer noch mit rund drei Prozent, während zehnjährige deutsche Anleihen gerade noch 1,2 Prozent abwerfen. Zwar werden die Gewinne nicht mehr zweistellig wachsen können, aber sie zeigen Kontinuität. Das Ausweichen auf die Aktienanlage durch große wie kleine Anleger wird daher weitergehen.

Auch stimmungstechnisch betrachtet ist eine stärkere Korrektur nicht angezeigt. Die Skepsis gegenüber der 8.000 Punkte-Marke zeigt sich sehr deutlich bei den deutschen Börsenbriefen, wo sich der Anteil der Optimisten wieder reduziert hat. Es sollte daher niemanden abschrecken, auf Rekordniveau zu kaufen, in Wirklichkeit ist es gar keines.
Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter www.rissesblog.de
Stefan Riße, ist Fondsmanager des Investmentfonds „Riße Inflation Opportunities UI“ bei der HPM Hanseatischen Portfoliomanagement in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender N-TV. Sein aktuelles Buch „Die Inflation kommt“, belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten.
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