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Weltwirtschaft gewinnt an Fahrt - auch ohne China

05.05.15 15:49 Uhr

Weltwirtschaft gewinnt an Fahrt - auch ohne China | finanzen.net

Nachdem die Welt 2008 von der schlimmsten Finanzkrise getroffen wurde, scheint sich die Weltwirtschaft langsam zu erholen.

Standard & Poor’s Ratings Services rechnet mit einem Wachstum des realen BIP von 3,5% für dieses Jahr und einem Wachstum von 3,9% für das nächste. Dies zeigt der erst kürzlich veröffentlichte Bericht "Global Economic Outlook: Gaining Traction, Gaining Balance."

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Während für China weiterhin von Abschwung die Rede ist, sehen wir für die USA, die Eurozone, Japan und Indien weiteres Wachstum. Die vorsichtige Normalisierung der Geldpolitik durch die Fed sollte einen anhaltenden Trend der US-Wirtschaft zurück zur Vollbeschäftigung begünstigen.

Bedenken sind überzogen

In den USA sorgen sich einige Beobachter um die potentiell destabilisierenden Auswirkungen der Refinanzierung durch große Mengen von Staatsanleihen. Diese Bedenken sind überzogen oder unangebracht. Denn in gewisser Hinsicht findet die Finanzierung für den Rückkauf der US-Bundesanleihen längst statt.

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Dabei zeugt das sogenannte Quantitative Easing (QE) der Europäischen Zentralbank (EZB) von einem bedeutenden Kurswandel, der einen überraschend stabilen zyklischen Aufschwung untermauern sollte. Man könnte sagen, dass das mutige Handeln von Herrn Draghi den Tag gerettet hat.

Missverstandene Aufgaben der Notenbanken

Es ist ein gängiges Missverständnis, dass die US-Notenbank Fed, wenn es um ihre Geldpolitik geht, einen "Doppel-Auftrag" (Sicherung der Vollbeschäftigung und Preisstabilität) hätte, wohingegen der EZB lediglich der Auftrag der Preisstabilität zugeschrieben wird. Der Federal Reserve Act verweist für die Fed sogar auf einen weiteren Auftrag - Beibehaltung der moderaten Langzeitzinsraten.

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Der EZB könnte man zwar als Primärauftrag die Preisstabilität zusprechen, nichtdestotrotz darf die Notenbank nicht darauf reduziert werden. Schließlich ist sie auch an Vollbeschäftigung interessiert.

Informationstechnologie - Retter in der Not

Nun, da die Gegenwinde nach der Krise abnehmen, hat die Revolution der Informationstechnologie (IT) die Wirtschaft erreicht und durchdrungen. Die IT-Revolution, sowie der Aufstieg der "Wissensgesellschaft", haben die Nachfrage nach materiellen Investitionen absinken lassen, nicht zuletzt, da Wirtschaftsaktivitäten zunehmend im Wandel begriffen sind - von der alten Welt der "Ziegel und Mörtel" zur neuen Welt von "Silizium und Bits."

Japan bleibt stark - China weiterhin schwach

Der Blick nach Asien zeigt: Nach einer selbstverschuldeten Rezession ist Japan dabei, mäßiges Wachstum zu verzeichnen, während die Bank of Japan (BOJ) ihre Bemühungen weiter vorantreibt, die Deflation zu beenden. Erfolg an dieser Front könnte einen Wendepunkt der Konjunktur beinhalten.

Die Chinesische Wirtschaft wird wahrscheinlich weiterhin langsam sinken. Der Kredit- und Investitionsüberhang bleibt ein Risiko. Sollte sich dieser jedoch beginnen zu manifestieren, würden sich Politiker dieser Entwicklung wohl entschieden entgegenstellen.

Von Paul Sheard, Chief Global Economist and Head of Global Economics and Research bei Standard & Poor’s Ratings Services in New York City

Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de



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