Unternehmen: Risiken aus Pensionsverpflichtungen bleiben bestehen
Volatile Ertragschancen und das niedrige Zinsniveau machen den Pensionsplänen europäischer Unternehmen zu schaffen, so der kürzlich von Standard & Poor’s Ratings Services veröffentlichte Bericht "Pension Liability Risk Here To Stay For Corporates".
Angesichts steigender Kosten aufgrund von höherer Lebenserwartung, unterkapitalisierten Pensionsfonds und unsicheren Erträgen aus Investitionen im Rahmen der Pensionspläne versuchen die Unternehmen ihre Risiken aus Pensionsverpflichtungen möglichst zu minimieren. Dazu haben viele Unternehmen in den letzten Jahren bereits ihre Pensionspläne angepasst und das Kapitalanlagerisiko an die Arbeitnehmer abgegeben. Tesco in Großbritannien beispielsweise schliesst seinen Pensionsfonds auch für aktuell Beschäftigte.
Trotzdem müssen die bisher aufgelaufenen Verpflichtungen aus den Pensionsverträgen erfüllt werden. Doch die Kosten für das Hedging dieser Verbindlichkeiten sind hoch. Standard & Poor‘s schätzt, dass sogenannte Buy-In-Transaktionen, bei denen Versicherungen gegen Gebühren die Pensionsverpflichtungen übernehmen und später Zahlungen an die Rentenempfänger leisten, 15 bis 20% höhere Kosten verursachen gegenüber den Pensionszusagen, wie sie nach IAS 19 (International Accounting Standard 19) für Emittenten in Europa berechnet wurden.
Anstieg der Pensionsverbindlichkeiten um 22 Prozent
In einer von Standard & Poor’s durchgeführten Untersuchung von 50 Unternehmen stiegen die Pensionsverbindlichkeiten von 2013 auf 2014 um 22 Prozent an. Dies klingt zunächst alarmierend. Allerdings hat Standard & Poor‘s 2015 nur bei sehr wenigen dieser Unternehmen das Rating oder den Ratingausblick aufgrund der gestiegenen Pensionsverbindlichkeiten geändert. Denn durch eine Zunahme der in den Pensionsplänen hinterlegten Vermögenswerte konnte der tatsächliche Anstieg der Defizite abgemildert werden. Das gilt insbesondere für Unternehmen. Das niedrige Zinsniveau hilft zudem den Unternehmen sich günstiger zu refinanzieren. So war das Ausmaß des jeweiligen Pensionsdefizits oft nicht schwerwiegend genug, um eine Ratingmaßnahme zu bewirken.Hauptrisiken: niedrige Anleiherenditen und langfristig niedrige Zinsen
Die Volatilität durch die Rechnungslegung von Pensionszusagen nach IAS19 wirft die Frage auf, ob die Höhe der Pensionszusagen auch die Realität widerspiegelt. Die aktuell bilanztechnisch hohen Bewertungen von Pensionsplänen werden nach Meinung von Standard & Poor’s nicht als temporär angesehen und stellen daher ein Risiko für Unternehmen dar.Der wichtigste Einzelfaktor unter den verschiedenen versicherungstechnischen Annahmen zur Bestimmung des gegenwärtigen Nettowerts einer Pensionszusage (post-retirement benefit obligation, PBO) sind die langfristigen Zinssätze. Ungedeckte Pensionsverbindlichkeiten und andere Zusagen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge können ein signifikantes Kreditrisiko für das Unternehmen darstellen, das seinen Beschäftigten diese Benefits angeboten hat. Unternehmen mit ungedeckten Pensionszusagen haben sich praktisch Geld von ihren Mitarbeitern geliehen und mit ihnen vereinbart, dass sie dies später zurückzahlen werden. Genauso wie andere Schulden müssen auch Pensionsverbindlichkeiten über künftige Kapitalflüsse bezahlt werden. Angesichts der derzeit niedrigen Anleiherenditen und der Prognose zahlreicher Ökonomen, dass die Eurozone einer längeren Phase niedriger Inflation und niedriger Zinsen gegenübersteht, sind die Zukunftsszenarien für Pensionszusagen nicht rosig. Die Unternehmen müssen weiterhin Anstrengungen unternehmen, um die Risiken aus Pensionsverpflichtungen überschaubar zu halten.
Von Sam C. Holland, Credit Analyst bei Standard & Poor’s Ratings Services in London
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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