Kreditrisiko Mittelstand: Bonitätseinschätzung sorgt für Transparenz
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Standard & Poor’s Ratings Services hat zum zweiten Mal 25 ausgewählte Mittelstandsunternehmen hinsichtlich des Geschäfts- und des Risikofinanzprofils analysiert.
Die Ergebnisse wurden im November in der Publikation "Einblicke in den deutschen Mittelstand" vorgestellt. Wie im Vorjahr beruht unsere Analyse nur auf öffentlich verfügbaren Informationen. Die Analysen spiegeln eine zeitpunktbezogene Betrachtung wider und stellen kein endgültiges Rating dar. Dennoch veranschaulichen sie den Investoren, wie gut die relative Kreditwürdigkeit im aktuellen Wettbewerbsumfeld einzuschätzen ist.
Erhöhte Transparenz gefordert
Langfristig ist mehr Transparenz auf den Anleihemärkten im Mittelstand nur auf Basis einer unabhängigen Beurteilung der jeweiligen Bonität möglich. Um mittelständischen Unternehmen zunehmend den Zugang zu alternativen Finanzierungsquellen zu gewähren, müssen Anleger und Vermittler das relative Kreditrisiko der verschiedenen mittelständischen Unternehmen verstehen und einschätzen können. Doch genau das fällt den Investoren in diesem komplexen und undurchsichtigen Markt bis jetzt schwer.
Mid-Market Evaluation
Die Mittelstands-Bonitätseinschätzung bei Standard & Poor’s Ratings Services - auch Mid-Market Evaluation (MME) genannt - stellt eine relative Einschätzung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens im Mittelstand im Vergleich zu seinen Peers in der entsprechenden relevanten Industrie dar. Die MME Skala reicht von MM1 (höchste Einschätzung) bis MM8 (niedrigste Einschätzung) und MMD (Default). Anwendung findet diese Methodologie für Unternehmen mit Umsätzen bis 1,5 Mrd. Euro und Finanzverbindlichkeiten bis 500 Mio. Euro (inklusive ungezogener Kreditlinien). Diese Bonitätseinschätzung folgt in weiten Teilen dem Analyseprozess für ein klassisches Rating (siehe Grafik). Verkürzt lässt sich der Prozess wie folgt beschreiben.
Analyse des Geschäftsrisikoprofils
Das Geschäftsrisikoprofil analysieren wir auf Basis entsprechender Länderrisiken, Industrie-Risiken und der jeweiligen Wettbewerbsposition des Unternehmens. Bei den in Deutschland ansässigen Unternehmen spielt das Länderrisiko derzeit eine untergeordnete Rolle.
Die Branchenrisiken hingegen nehmen eine entscheidende Rolle ein. Aus Sicht der Kreditanalyse werden Branchen mit geringerer Zyklizität und/oder hoher Profitabilität besser beurteilt. Geringe Schwankungsbreiten von Gewinnen und Cashflows verbessern die Einschätzung der Kreditqualität insofern, dass eine verlässlichere Prognose von zukünftigen Zahlungsströmen möglich ist und geringere Volatilitäten mit geringerem Risiko einhergehen. Höhere Unsicherheit und Schwankungsbreiten von operativen Gewinnen und Cashflows werden bei der Beurteilung der Kreditqualität negativ gesehen. Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die Analyse des Kapitalbedarfs für Erhaltungs- und Erweiterungsinvestitionen. Die Kapitalintensität eines Unternehmens ist branchenabhängig. So haben beispielsweise Softwareunternehmen einen geringeren Bedarf an Investitionen in Sachanlagen als Unternehmen der verarbeitenden Industrie. Die Beurteilung der Wettbewerbsposition ist dynamisch und erfordert eine regelmäßige Überwachung.
Analyse des Finanzrisikoprofils
Jede Finanzrisikoanalyse beinhaltet eine Detailanalyse der Liquiditätsposition eines Unternehmens, in der die vorhandenen und zukünftig erwarteten freien Mittel ins Verhältnis zu den benötigten Finanzierungsmitteln gestellt werden. Wir achten besonders auf das Erreichen einer Mindestliquidität, da ein Unterschreiten Auswirkungen auf die Fähigkeit der Bedienung von Verpflichtungen haben kann.
Bei den Finanzkennzahlen betrachten wir vor allem drei Kern-Kennzahlen: Brutto Cashflow zur Finanzverschuldung (FFO-to-debt), Finanzverschuldung im Verhältnis zum operativen Ergebnis vor Zinsen und Abschreibungen (debt-to-EBITDA), sowie die Zinszahlungen im Verhältnis zum operativen Ergebnis vor Zinsen und Abschreibungen (EBITDA-Zinsdeckungsgrad).
Zusammenführung der Risikoprofile
Abschließend werden das Geschäfts- und Finanzrisikoprofil zur Bestimmung des "MME-Ankers" kombiniert. Für unsere Analyse der ausgewählten Unternehmen haben wir jeweils eine Einschätzung hinsichtlich des Geschäfts- und Finanzrisikoprofils unter Berücksichtigung der aktuellen Liquiditätslage vorgenommen. Eine komplette MME-Analyse würde darüber hinaus noch einen weiteren Schritt berücksichtigen. Dieser würde Details zur Kapitalstruktur, Management und Governance, Finanzierungspolitik und weitere Analysen zur Liquiditätssituation beinhalten.
Von Dr. Mark Währisch, Director Corporate Ratings, Standard & Poor’s Rating Services Frankfurt
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
Grafik: Der Bewertungsprozess von Standard & Poor’s Ratings Services zur Bonitätseinschätzung mittelständischer Unternehmen
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