Kommt die Inflation?
Seit Jahren geht es der Weltwirtschaft wie einem müden Wanderer, der sich über einen steilen Berggrat höher schleppt. Jederzeit kann sie abstürzen.
Stürzt sie rechts ab, kommt die Inflation, links lauert Deflation.
Viele konventionelle Ökonomen weisen darauf hin, dass derzeit keine inflationären Gefahren drohen, weil die Geldmengen nicht wirklich steigen. Zwar explodiert allenthalben die Geldbasis – die Notenbankbilanzen – aber die großen Geschäftsbanken nehmen dieses Geld in ihre Bilanzen, ohne es weiter zu verleihen. Als Folge scheint von dieser expansiven Geldpolitik derzeit keine inflationäre Wirkung auszugehen.
Diese Argumentation ist trügerisch. Sie wird oft von denselben Ökonomen angewandt, die weder die Subprime- noch die Euro- und Staatsschuldenkrise vorhergesehen haben. Auch damals war – im Moment – „alles in Ordnung“. Mit ihrem Vertrauen auf die Märkte sind moderne Ökonomen wenig prädestiniert, objektiv nach vorne zu blicken.
„Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen“, sagte schon der Nobelpreisträger Milton Friedman. Es erscheint naiv zu glauben, dass man die aufgeblähten Notenbankbilanzen auf Bedarf wieder herunterfahren kann. Wir bekämpfen derzeit die Krise mit demselben Mittel, mit dem wir sie verursacht haben: mehr Schulden, mehr billiges Geld. Je länger dieser Teufelskreis andauert, umso schwerer kann man ihn durchbrechen.
Irgendwann ist das Missverhältnis zwischen Zentralbankgeld, Schulden und Bruttoinlandsprodukt dann so hoch, dass die Banken beginnen werden, an der Zinsschraube zu drehen, weil ihre Inflationserwartungen steigen. Wenn dann Inflationserwartungen einmal in der Welt sind, können sie sich sehr schnell verstärken. Und dann käme die „Ketchup-Inflation“: Man kann lange an der Flasche schütteln – irgendwann kommt dann alles auf einen Schwung heraus.
Aber wie gesagt, ganz sicher ist dies nicht. Es kann der Fall eintreten, dass die inflationären Maßnahmen der Notenbanken trotz der Wucht, mit der sie betrieben werden, versagen. Dann droht das Abkippen in die Deflation.
Leider müssen wir mit dieser Unsicherheit seit Beginn der Finanzkrise leben. Ich kann sie Ihnen nicht nehmen. Unsicherheit macht unsicher. Anzuerkennen, dass wir darin leben, ist ein erster wichtiger Schritt.
Das Restrisiko der Deflation heißt aber auch, dass Sie sich so aufstellen müssen, dass eine Deflation Sie nicht umwirft: Nicht zu viele Schulden in Relation zum Vermögen, Goldreserven, etwas Liquidität sollten vorhanden sein.
Und nun fahre ich auf die Goldmesse, wo mich die „harte Szene“ erwartet. Dort werde ich eine Lanze für Aktieninvestments brechen, denn für viele Goldfans ist das Teufelszeug.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Geschäftsführender Gesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Ziel des Instituts ist die Aktienanalyse und die Entwicklung von Aktienstrategien für Privatanleger.Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.