Es ist schon bedenklich
Die Eurokrise habe ich im April 1998 in meinem Vortrag „The Euro and the Future of the European Union“ vorausgesagt.
Es war mir und vielen anderen Ökonomen völlig klar, dass man eine gemeinsame Währung nicht auf ein so unterschiedliches Wirtschaftsgebiet wie die Europäische Union stülpen kann.
Nicht vorausgesehen habe ich, wie mittlerweile das Recht der Politik mit Füßen getreten wird. Ich ging davon aus, dass nach dem Ausbruch der Eurokrise die undemokratischen Strukturen der EU zugunsten von mehr Demokratie und Bürgernähe reformiert werden würden. Das Gegenteil ist der Fall: Nachdem wir unsere geldpolitische Souveränität in der EZB aufgegeben haben, und auch die Konvergenzkriterien und Schuldengrenzen für die Haushaltspolitik nicht mehr das Papier wert sind, auf dem sie stehen, wird es wohl darauf hinauslaufen, dass auch die Finanzpolitik „vergemeinschaftet“ wird – und zwar zweifach vergemeinschaftet im französischen Sinne. Erstens in dem inhaltlichen Sinn, dass sich eine lockere Finanzpolitik durchsetzen wird und zweitens in dem Sinn, dass Europa eine technokratische Struktur der EU-Kommission ist, in der Frankreich großes Gewicht hat. Auf der Strecke bleiben Demokratie, finanzpolitische Solidität und das deutsche Wirtschaftsmodell.
Klar, unseren Unternehmen kann das ziemlich egal sein. Sie profitieren auch von dieser EU und von schwachen nationalen Regierungen. Aber wer schützt das Vermögen der Bürgerinnen und Bürger nun? Deutschland hat abgedankt. Wolfgang Schäuble hat es letzte Woche auf der Bankentagung in Frankfurt sehr deutlich ausgedrückt: Seiner Meinung nach war Deutschland nach dem Krieg nie souverän.
Nun kommen durch die Erpressungsversuche der Ratingagenturen auch Länder wie Italien unter Druck. Italien hat ein Haushaltsdefizit von unter fünf Prozent. Die USA haben 10,8 Prozent. Italien hat seine Schulden bei den eigenen Bürgern und keine Immobilienblase. Die USA haben ihre Schulden im Ausland, eine Immobilienblase und eine marode Wirtschaft. Dennoch haben die USA „AAA“ und Italien „A2“ als Rating. Da wird mit zweierlei Maß gemessen, was die Panik in Europa verstärkt. Das kann nur im Interesse der USA sein, denn der Euro hat in den letzten Jahren kontinuierlich als Weltreservewährung zugelegt und den Status des Dollars gefährdet. Den wiederum brauchen die USA, um über die Ausgabe von Dollars ihre Außenwirtschaftsdefizite zu finanzieren.
Die europäischen Politiker werden es nicht zulassen, dass ein Land wie Italien die Zahlungsunfähigkeit erklären wird. Das ist in gewisser Weise sogar richtig, denn anders als im Fall von Griechenland wäre Europa platt, wenn Italien in ernsthafte Probleme käme. In dieser Situation wird es darauf hinauslaufen, dass wir in Europa ebenfalls weiteres Geld drucken werden, um Staaten wie Italien unter die Arme zu greifen. In der Europäischen Zentralbank würde die Bundesrepublik jedes Mal überstimmt; hier haben wir kaum noch Einfluss. Jetzt geht es nur noch darum, ob wir uns bei dem geplanten Stabilitätsmechanismus EFSF/ESM oder bei den von Barroso wieder ins Spiel gebrachten Eurobonds einigermaßen behaupten können oder nicht. Der Spielraum der Bundesregierung ist begrenzt, denn im Zweifelsfall kann sie über die Europäische Zentralbank ausgehebelt werden.
Es stehen schlechte Zeiten für die Geldwertstabilität bevor. Ich bleibe dabei, dass Aktien – nach den jüngsten Rückgängen mehr denn je – eine gute Basis für Ihr Portfolio sind.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Geschäftsführender Gesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Ziel des Instituts ist die Aktienanalyse und die Entwicklung von Aktienstrategien für Privatanleger.Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.