Tapering - Nur eine Scheindebatte
In Euroland zeigt sich die Konjunkturstimmung im III. Quartal 2013 von einer zunehmend stabilen Seite.
Setzt man die aktuelle Geschäftslage euroländischer Unternehmen zu deren Geschäftserwartungen gemäß den vier typischen Phasen eines Konjunkturzyklus zueinander in Beziehung, ist eine anhaltende Stimmungsverbesserung der euroländischen Wirtschaft nicht zu leugnen. Bei minimaler Verbesserung der Geschäftslage haben sich insbesondere die perspektivischen Geschäftserwartungen aufgehellt.
In China konnte sich der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe mit einem Wert von 50,3 knapp in expansivem Terrain - ein Hinweis auf eine verlangsamte, jedoch stetige Wachstumsdynamik - stabilisieren.
Unterdessen nimmt die US-Konjunktur weiter Fahrt auf. Der ISM Index für das Verarbeitende US-Gewerbe stieg mit einem Wert von 55,4 auf den höchsten Stand seit Juni 2011 und signalisiert eine klare Fortsetzung der Erholung der US-Industrie. Der bislang vor allem durch die Liquiditätsschwemme der US-Notenbank stimulierte Aktienaufschwung bekommt somit zunehmend seine fundamentale Rechtfertigung.
Fed-Tapering auf dem fundamentalen Prüfstand
Während sich die industrielle Seite der US-Volkswirtschaft verbessert hat, spiegelt die konjunkturelle Datenlage insgesamt noch kein robustes Bild wider.
Denn mehrere Wirtschaftsindikatoren liegen deutlich von den von der US-Notenbank angepeilten Zielwerten entfernt, die ein striktes geldpolitisches Handeln erfordern würden. So liegt die US-Arbeitslosenquote mit aktuell 7,4 Prozent noch deutlich über der Zielmarke von 6,5 Prozent. Zwar zeigt sich ein Aufwärtstrend in Form eines Stellenaufbaus oberhalb des geldpolitischen Zielwerts von durchschnittlich 200 Tausend Stellen. Die unterdurchschnittlich schwache Arbeitsmarktentwicklung im Juli - lediglich 162 Tausend Stellen wurden neu geschaffenen - verdeutlicht allerdings noch die Anfälligkeit dieses Indikators
Auch die US-Inflationsrate zeigt sich mit aktuell 1,8 Prozent deutlich unter dem Zielwert von 2,5 Prozent. Zuletzt sprach die Fed sogar das Risiko einer langfristig zu geringen Preissteigerung an. Deflationierung gilt in den USA nach den Erfahrungen der Depression Anfang der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts als das Grundübel schlechthin. Nicht zuletzt ist auch das Wirtschaftswachstum in den USA noch weit entfernt von dem geldpolitisch angepeilten Quartalswachstum von 3 Prozent. Vor diesem Hintergrund halten sich die diskutierten Befürchtungen vor einem „Taper-Off“ der US-Notenbank - also eine eindeutige Verknappung der Liquiditätsversorgung - in Grenzen.
Tapering? Ja und!
Grundsätzlich stellt die teilweise panikartige Diskussion über die Auswirkung des „Tapering“ eine Scheindebatte dar. Spielen wir dazu das Tapering doch einmal konkret durch. Unterstellen wir, das die Fed im September das Tapering - der Dezember-Termin dürfte aufgrund des dann kurzfristig bevorstehenden Wechsels an der Spitze der US-Notenbank ansonsten zu ereignisreich sein - tatsächlich mit einer Reduzierung der monatlichen Anleihenaufkäufen von derzeit 85 auf etwa 65 Mrd. US-Dollar beginnt. Nehmen wir weiter an, dass die Notenbank im Februar 2014 die Aufkäufe auf 40 Mrd., im Mai 2014 auf 20 Mrd. US-Dollar und Endes des Sommers im nächsten Jahres schließlich komplett einstellt.
Die befürchteten Auswirkungen auf die Zinsmärkte dürften dennoch ausbleiben. Das legt zunächst die Betrachtung der Überschussreserven der US-Geschäftsbanken bei der Fed nahe. Gab es bereits 2006 und 2007 - als die US-Wirtschaft mit hohen Wachstumsraten aufwartete und die Geschäftsbanken kaum Überschussreserven bei der Fed unterhielten - schon keine Liquiditätsprobleme für die Realwirtschaft, so reichen die aktuell vorhandenen Überschussreserven der Geschäftsbanken mühelos aus, sogar jedes Hyper-Wachstum in den USA zu finanzieren. Jeder, aber auch wirklich jeder Kreditwunsch von Unternehmen und Privaten könnte übererfüllt werden.
Im Übrigen zeigte sich, dass das Ende eines jeden quantitativen Lockerungsschubs der Fed - QE 1 von November 2008 bis März 2010 und QE 2 von November 2010 bis Juni 2011 - in Erwartung einer weniger opulenten Überschussliquidität eine Korrektur bei riskanteren Anlageklassen wie Aktien bewirkte und die Renditen am US-Staatsanleihemarkt drückte. Ein Ende der quantitativen Maßnahmen hat also jeweils zu einer höheren Risikowahrnehmung und zu einer Hinwendung zur Sicherheit von Staatstiteln geführt.
Wenn schon die Beendigung von früheren Aufkaufprogrammen den Zinsmärkten keinen Schaden zugefügt haben, wieso sollte ein nur allmähliches Auslaufen des aktuellen Liquiditätsprogramms dies dann hervorrufen? Das Grundproblem des Tapering für die Zinsmärkte ist die unheilvolle und irritierende Diskussion über die Frage, kommt es, und wenn ja, in welcher Stärke. Der Beginn des Tapering würde - kombiniert mit einem transparenten und nachvollziehbaren Zeitplan - endlich Fakten schaffen und die Zinsirritationen der letzten Wochen beenden.
Schadensbegrenzung durch die Fed
Schließlich spricht gegen Verwerfungen an den Finanzmärkten auch ein wahrscheinliches „Kompensationsgeschäft“ der Fed. Um die Irritationen eines tatsächlich stattfindenden Tapering zu minimieren, könnte die US-Notenbank die Notwendigkeit einer grundsätzlich günstigen Zinspolitik weiter sehr laut betonen und damit die Aussicht auf ultraniedrige Zinsen noch weiter verlängern. Durch diese strategische „Zins-Führung“ würden die Finanzmärkte langfristig zur Ruhe verführt. Die Angst, dass nach Tapering Zinserhöhungen als nächste Schritte folgen, verflöge schnell.
Zur Umsetzung dieser neuen geldpolitischen Strategie böten sich zwei Möglichkeiten an. Die Fed könnte den Zielwert der Arbeitslosenquote, ab der man zinspolitisch restriktiv reagieren würde, von 6,5 Prozent auf 6 Prozent senken. Zweitens könnte sie den Zielwert der Arbeitslosenquote abhängig von der Entwicklung der Erwerbsbeteiligung in den USA oder der Preissteigerungsrate machen. So würden beispielsweise Inflationsraten von unter 2 Prozent den geldpolitischen Zielwert der Arbeitslosenquote senken.
Mit dieser geldpolitischen Sanftmut wären auch keine Markteinbrüche bei Aktien zu erwarten. Im Gegenteil, eine grundsätzlich weiter lockere Geldpolitik der Fed, kombiniert mit einer fundamentalen Wiedererstarkung der US-Konjunktur sind Steilpässe für US-Aktien.
Draghi tapert den Tapering-Effekt
In Euroland gilt es für EZB-Chef Draghi, den Ausstrahleffekten zuletzt gestiegener US-Anleiherenditen entgegenzusteuern. Der Zinsaufschlag von US- zu deutschen Staatsanleihen insbesondere oberhalb der fünfjährigen Laufzeiten hat sich seit Beginn der „Tapering“-Debatte nahezu verdoppelt. Um entsprechende negative Renditeanpassungseffekte der euroländischen Staatsanleihemärkte an das vorgelaufene US-Zinsniveau zu verhindern, wird die EZB eingreifen müssen. Denn Euroland braucht deutlich stärker als die USA noch jede geldpolitische Unterstützung. Insofern ist zu erwarten, dass bei der EZB im Herbst nach der Bundestagswahl sowie einem anzunehmenden, milden Urteil des Bundesverfassungsgerichts in punkto Anleihenaufkäufe bei Bedarf auch noch die letzten Stabilitätshüllen fallen werden.
Insgesamt ist damit kein Ende des weltweit positiven Liquiditätsumfeldes für die Finanzmärkte zu befürchten. Selbst bei einer Abschwächung und letztlich Einstellung der Anleihenaufkäufe der US-Notenbank nimmt die globale Liquiditätsausstattung - getrieben von der EZB und insbesondere der Bank of Japan - weiter zu. Der Treibstoff für die internationalen Aktienmärkte geht damit für absehbare Zeit noch lange nicht aus.
Berichtsaison mit Sorgenfalten…aber dennoch keine große Gefahr für deutsche Aktien
Gestützt durch die lockere internationale Geldpolitik entwickeln sich deutsche Unternehmensgewinne - gemessen an den MSCI Aktienindices - stabil. Insbesondere deutsche Technologie- und Pharmawerte warten mit einer anhaltend stabilen Gewinnentwicklung auf. Auch Industriewerte - als eine deutsche Kernbranche - gehen aus ihrem Seitwärtstrend in einen leichten Aufwärtstrend über. Versorger haben unter den anhaltenden Auswirkungen der Energiewende zu leiden, was eine schwache Gewinnentwicklung nach sich zieht. Finanzwerte haben mit anhaltendem Gegenwind aus der Politik zu kämpfen. Denn die Gefahr einer deutlich zunehmenden Regulierung und erhöhter Eigenkapitalvorschriften werden zum Anlass genommen, frühere gewinnträchtige, aber auch risikoreichere Geschäftszweige abzubauen.
„Unternehmen mit optimistischer Perspektive“
Zwar haben insbesondere zyklische DAX-Schwergewichte wie BASF und Siemens unter der schwachen Konjunkturentwicklung im II. Quartal 2013 gelitten. Siemens gab sogar eine Gewinnwarnung für das Gesamtjahr 2013 heraus. Auch Volkswagen verzeichnete einen Gewinneinbruch und Sportartikelhersteller Adidas senkte die Umsatzprognose.
Mit Blick auf das 2. Halbjahr 2013 zeigen sich jedoch die Ausblicke der Unternehmen im DAX mehrheitlich zuversichtlich. Die Deutsche Post hob dank positiver Sondereffekte im II. Quartal die Jahresgewinnprognose um knapp 2 Prozent an. Der Pharmahersteller Merck präsentierte aufgrund zunehmender Erfolge aus dem laufenden Restrukturierungsprogramm einen ebenfalls stabilen Ausblick.
Und das passiert in der 33. Kalenderwoche
Auf Unternehmensebene neigt sich die deutsche Berichtsaison dem Ende zu. Nachdem K+S bereits seine Gewinnprognose für 2013 gekürzt hat, dürfte Analysten zufolge auch das Quartalsergebnis aufgrund der schwachen Kalipreisentwicklung dürftig ausfallen. Während E.ON weiter unter den Folgen des Atomausstiegs leiden dürfte, profitiert Konkurrent RWE von verbesserten Konditionen beim Gaseinkauf. Bei ThyssenKrupp werden sich allmählich Fortschritte beim Konzernumbau positiv bemerkbar machen.
Auf Makroebene stehen in den USA die neuesten Daten zu den Baubeginnen und -genehmigungen an, die nach einer kurzen Verschnaufpause wieder zugelegt haben dürften. Zudem weist der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed als Indikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe der USA auf eine anziehende Industrieerholung hin, was die Zahlen zur Industrieproduktion für Juli unterstreichen werden. Unterdessen weist das von der Universität von Michigan veröffentlichte Verbrauchervertrauen auf ein stabiles Konsumklima hin.
In Euroland signalisieren die nationalen BIP-Zahlen den Beginn einer sicherlich noch zaghaften wirtschaftlichen Erholung. Insbesondere in Deutschland dürfte sich die Wirtschaft von der Wachstumsschwäche des Winterhalbjahres erholt haben. Entsprechend positive Einschätzungen der deutschen Konjunktur dürften auch die ZEW Konjunkturerwartungen widerspiegeln.
Aus charttechnischer Sicht verfügt der DAX über gute Chancen auf weitere Zugewinne. Wird der Widerstand bei 8370 und 8415 Punkten dynamisch überwunden, liegt die nächste signifikante Hürde an der oberen Grenze des Aufwärtstrendkanals bei heute 8557, die zugleich das bisherige Jahreshoch darstellt. Weitere Barrieren liegen schließlich an der psychologisch wichtigen Marke bei 8750 sowie 9000 Punkten.
Im Falle einer technischen Reaktion liegt die erste Unterstützung im Bereich der jüngsten Kurslücke bei 8300 Punkten. Darunter verläuft eine solide Auffanglinie bei 8213 Punkten.
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Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.
2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.
Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.