Das ist der Treibstoff der Rallye!?
Lieber Geldanleger, fühlen Sie sich verwirrt und enttäuscht, weil Sie momentan kaum in Aktien investiert sind?
Wenn ja, habe ich einen kleinen Trost für Sie: Sie haben jede Menge Gesellschaft auf der Bärenseite - auch unter Börsenbrief-Schreibern.
Nachfolgend liefere ich Ihnen erstaunliche Daten, die erklären, warum die Rallye am Aktienmarkt noch nicht vorbei sein dürfte.
Mein hoch geschätzter US-Kollege Mark Hulbert beobachtet seit 1980 die Performance und die Markteinschätzungen von über 160 US-Börsenbriefen. Daraus leitet er neben Performance-Rankings, die die Rendite der betreffenden Briefe klassifizieren auch antizyklische Indikatoren für die Marktstimmung ab. So hat Hulbert bei zahlreichen Tests über viele Jahre hinweg statistisch signifikante Erkenntnisse gewonnen.
Eine davon bestätigt die uralte These "Markets climb a Wall of Worry". Frei übersetzt: Die Märkte klettern am liebsten an einer Wand der Angst nach oben. Hulbert hat herausgefunden, dass sich der Grad der Angst im Markt relativ gut an der Stimmungslage der Börsenbriefe ermitteln lässt, die versuchen, den Gesamtmarkt zu prognostizieren.
Das funktioniert so: Es wird aus allen Markttimern unter den Börsenbriefen ein Durchschnittswert aus der empfohlenen Aktiengewichtung ermittelt. Ein Beispiel: Wenn ein Anleger 100.000 US-Dollar zur Verfügung hat und ein Börsenbriefschreiber empfiehlt eine Aktiengewichtung von 30 Prozent, dann heißt dies, er soll 30.000 Euro in Aktien anlegen und den Rest in Anleihen, Immobilien, Tagesgeld, Gold oder sonstigen Anlageklassen. Je höher die empfohlene durchschnittliche Aktiengewichtung ist, umso bullischer sind die US-Börsenbriefe im Durchschnitt.
Der Hulbert Financial Digest, das ist der Börsenbrief-Beurteilungsdienst von Mark Hulbert, hat herausgefunden, dass die Stimmungslage der Briefe kontraindikativ ist. Auf Deutsch: Sind extrem viele Briefe extrem bullisch, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir uns nahe eines Markt-Tops befinden. Ist die Stimmung unter den Briefen sehr schlecht, gilt das Gegenteil: Dann befindet der Markt sich tendenziell nahe eines (lokalen) Tiefs.
Diese Erkenntnis gilt nicht nur im Extrembereich sondern auch graduell. Normalerweise ist zu beachten, dass im Laufe eines Bullenmarktes der Optimismus der Börsenbriefschreiber mit dessen Fortdauer ebenfalls mit ansteigt und bei kurzfristigen Marktkorrekturen wieder zurückgeht.
*Die aktuelle Datenlage
Die aktuelle Entwicklung des von Hulbert aus den obigen Erkenntnissen entwickelten Indikators ist jedoch äußerst ungewöhnlich:
Am 13. April 2009, also zu einem Zeitpunkt als die absoluten Mehrjahrestiefs des letzten Bärenmarktes erst wenige Wochen zurücklagen, lag die von kurzfristig orientierten Börsenbriefen durchschnittlich empfohlene Gewichtung für Aktien bei 34,6 Prozent. Das ist ein relativ niedriger Wert, aber typisch für eine solche Marktphase. Anleger und Börsenbriefschreiber standen noch unter dem Schock der Finanzkrise.
Seither hat der Dow Jones über 2.000 Punkte oder mehr als 20 Prozent zugelegt. Zwischendurch sind die Börsenbriefschreiber wie zu erwarten, optimistischer gewesen. Aber das Erstaunliche ist, dass bei der kleinsten Korrektur das Sentiment sofort in den Keller geht. Aktuell empfehlen die Markttimer also nur noch einen Aktien-Investitionsgrad von 32,3 Prozent. Das sind sogar mehr als 2,3 Prozent weniger als damals.
Sie meinen es ist möglich, dass die Akteure einfach dazugelernt haben? Theoretisch schon, praktisch eher nicht. Und das hat nichts damit zu tun, dass nun Börsenbriefschreiber im Durchschnitt keine Ahnung haben, das sind vielmehr ganz normale massenpsychologische Phänomene.
Wenn ich in meinem privaten Bekanntenkreis das Thema "Aktien" im Frühjahr dieses Jahres angeschnitten habe, erntete ich nur besorgte Nachfragen und Mitleid. Heute fragen mich die Leute schon wieder nach Tipps. Gefährlich wird es dann, wenn ich vom Taxifahrer heiße Empfehlungen geliefert bekomme.
Doch, wie gesagt: Davon sind wir noch weit entfernt. Aus marktpsychologischer Sicht gerät der neue Bullenmarkt erst dann in Gefahr, wenn die Marktteilnehmer trotz fallender Kurse sehr bullisch bleiben und einen Aktien-Investitionsgrad von weit über 50 Prozent empfehlen. Aktuell sind sie aber nicht einmal bei steigenden Kursen optimistisch.
*Der Faktor Psychologie
Der Einfluss, den die Psyche auf Marktteilnehmer hat, ist nicht zu unterschätzen. Von Mark Douglas, einem der erfolgreichsten US-Future-Trader der letzten Jahre, stammt der Satz: "Ihr Erfolg an der Börse hängt zu 80 Prozent von psychologischen Faktoren ab und nur zu 20 Prozent von der Methode."
Ein Fehler, den viele Marktteilnehmer machen ist, dass sie kurz zurückliegende Geschehnisse überbewerten. Einfaches Beispiel: Die jüngste Rallye an den Aktienmärkten führt dazu, dass viele Trader und Spekulanten rein subjektiv den Markt als "überkauft" und inzwischen zu teuer einschätzen.
Schließlich ist der Dow Jones wie beschrieben in sechs Monaten über 2.000 Punkte gestiegen. Außer Acht gelassen wird dabei, dass derselbe Index immer noch mehr als 4.000 Punkte unter seinem Höchstkurs von Ende 2007 liegt.
Eine direkte Folge davon ist, dass die allermeisten Marktteilnehmer im Verlauf der aktuellen Rallye immer noch ihre Wunden lecken. Von 450 von Hulbert untersuchten Börsenbrief-Depots befinden sich gerademal 71 oder rund 16 Prozent auf einem höheren Stand als Ende 2007 (Der Trend-Trader gehört übrigens hierzulande zu dieser Minderheit). Das führt dazu, dass die wenigsten dazu Anlass haben, optimistisch zu sein, was sich wiederum in einer sehr hohen Vorsicht gegenüber Aktien äußert.
Übrigens: Einer der Leitsprüche von Warren Buffett lautet: "Seien Sie gierig, wenn andere Angst haben, und seien Sie ängstlich, wenn andere gierig sind." Auch hier hat der alte Fuchs wieder mal Recht.
MEIN FAZIT:
- Trotz der fulminanten Rallye seit Frühjahr ist ein ungewöhnlich hoher Prozentsatz der Börsianer gegenüber Aktien bearish eingestellt.
- Ein Ende der Rallye-Bewegung kommt aber typischerweise dann, wenn die Marktteilnehmer auch bei fallenden Kursen bullish bleiben. Der Fall ist aktuell genau das Gegenteil.
- Das könnte dem Markt getreu dem Motto "Markets climb a wall of worry" weiter Flügel verleihen.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die Smarthouse Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.