Nasdaq 100: Die Erfolgsaktien 2010
Die Wachstumswerte des amerikanischen Nasdaq 100 profitieren von der weltweiten Konjunkturerholung. Diese Trends versprechen auch für 2010 Erfolg.
Werte in diesem Artikel
von Sven Parplies und Tim Schäfer, €uro am Sonntag
Das Hudson Theater am legendären Broadway gehört zu den edlen Adressen New Yorks. In dem 1903 errichteten Gebäude begeisterten einst Musiklegenden wie Louis Armstrong, Elvis Presley und Barbra Streisand das Publikum. Auch John Malone, Milliardär und Chef des amerikanischen Medienkonglomerats Liberty Media, nutzt gern die Bühne.
120 Vermögensverwalter, Fondsmanager und Analysten sitzen in roten Plüschsesseln des großen Konzertsaals und lauschen gebannt seinem Vortrag. Denn Liberty Media ist ein Börsenstar – 250 Prozent hat die Aktie im vergangenen Jahr an Wert gewonnen. Und das, obwohl die Medienbranche weltweit in einer schweren Krise steckt.
Auch Liberty Media geht es nicht wirklich gut. 2008 machte der Konzern, zu dem neben diversen Fernsehsendern und Internetdiensten unter anderem ein Profi-Baseballteam gehört,knapp 800 Millionen Dollar Verlust. 2009 erwarten Analysten einen moderaten Gewinn von 200 Millionen Dollar. Malone treibt die Umstrukturierung voran: Wichtiger Meilenstein ist die Fusion der Satellitenradiobetreiber Sirius und XM. Zusammen erreichen sie 18,5 Millionen Kunden und 2,5 Milliarden Dollar Umsatz. Da immer mehr Autos mit Satellitenradio ausgerüstet werden, sieht Malone gerade in diesem Bereich enormes Potenzial.
Liberty Media gehört zu den erfolgreichsten Aktien im amerikanischen Nasdaq-100-Index. Für viele Privatanleger noch immer Synonym für wahnsinnige Kursübertreibungen zur Jahrtausendwende, hat er im vergangenen Jahr alle großen Standardindizes der westlichen Welt hinter sich gelassen. Auf Dollarbasis legten die 100 Aktien im Schnitt knapp 54 Prozent zu. Der Dow Jones mit den Schwergewichten der US-Wirtschaft schaffte 22, der DAX 24 Prozent. Zum Start ins neue Jahr zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab: An den ersten vier Handelstagen lag bereits ein halbes Dutzend Nasdaq-100-Aktien zweistellig im Plus.
Hinter den extremsten Kursgewinnen des vergangenen Jahres stehen Unternehmen, die in der Finanzkrise als Pleitekandidaten ausgemacht wurden und entsprechend drastisch an Wert verloren haben. Liberty Media stürzte von 25 auf zwei Dollar. Virgin Media – mit 290 Prozent Kursplus der Topwert des vergangenen Jahres – kollabierte von 29 auf wenig mehr als drei Dollar. Dennoch hat die Nasdaq-Rally Substanz, wie ein breiter Blick in die Bilanzen verdeutlicht: Lediglich drei der 100 Indexmitglieder haben laut Datenbank von €uro am Sonntag im vergangenen Jahr Verluste erwirtschaftet. 2010 dürften sogar nur zwei – das Biotechunternehmen Vertex Pharma und Virgin Media – rote Zahlen schreiben.
Selbst eine Dividende ist für etliche Wachstumswerte kein Fremdwort mehr: Jedes dritte Indexmitglied dürfte in diesem Jahr die Aktionäre über eine Ausschüttung am Gewinn beteiligen. Fünf Unternehmen weisen eine Dividendenrendite von mehr als drei Prozent aus. Beim Halbleiterunternehmen Microchip Technology sind es sogar rund fünf Prozent – Werte, die üblicherweise nur defensive Standardwerte vorweisen können.
Rechnerisch könnten deutlich mehr Techies eine Ausschüttung finanzieren. Laut Daten des Finanzdienstes Bloomberg hatten die Unternehmen aus dem Nasdaq 100 zuletzt 133 Milliarden Dollar an Cash in ihren Bilanzen, also rechnerisch 1,3 Milliarden für jedes Indexmitglied.
Der tatsächliche Wert der Reserven ist sogar deutlich größer, da finanzstarke Unternehmen ihr Geld nicht einfach auf dem renditeschwachen Bankkonto parken. Beim Netzwerkausrüster Cisco Systems etwa stehen neben 4,8 Milliarden Dollar Cash auch 30,6 Milliarden an Investments, vor allem in Staatsanleihen, zu Buche. Der Multimediakonzern Apple kommt inklusive Investments auf fast 34 Milliarden Dollar. Die größten Reserven im Nasdaq hat der Softwaregigant Microsoft – neben 8,8 Milliarden Dollar Cash noch knapp 28 Milliarden, die kurzfristig investiert sind.
Die Erfahrungen aus der unheilvollen Vergangenheit haben den amerikanischen Wachstumswerten in der jüngsten Krise offenbar geholfen. Als die Interneteuphorie zur Jahrtausendwende verpuffte, kollabierten auch an der Nasdaq die Aktienkurse. Im März 2001 begann dann eine acht Monate lange Rezession, die in dem Terroranschlag vom 11. September gipfelte. Auf die IT-Industrie kamen radikale Budgetkürzungen zu. Kapitalerhöhungen waren selbst für Unternehmen mit solidem Geschäftsmodell praktisch nicht mehr platzierbar. Einen Sinneswandel in den Führungsetagen hat Scott Kessler, Chefaktienanalyst für Technologiewerte bei Standard & Poor’s, ausgemacht: Dort gehe man inzwischen äußerst konservativ mit Firmenvermögen um, lobt der Stratege.
Kostendisziplin und solide Bilanzen überzeugten offensichtlich auch die Investoren. Zumal sich jetzt die Anzeichen für eine kräftige Umsatz- und Ergebnisausweitung mehren: Die Auftragsbücher von Chipherstellern und Softwarehäusern füllen sich, die Margen ziehen an. Die Einführung des neuen Betriebssystems Windows 7 dürfte den PC-Absatz erhöhen, kalkuliert Experte Kessler. Aufgrund der wachsenden Zuversicht rechnet er zudem mit mehr Übernahmen und Fusionen, die die Aktienkurse zusätzlich antreiben dürften.
Auch der technologische Fortschritt spielt vielen Wachstumswerten in die Hände. „Das mobile Internet oder Energieeffizienz sind Themen, die das Leben nachhaltig verändern und vielen Unternehmen neue Wachstumsmärkte öffnen“, bekräftigt Walter Holick von der Fondsgesellschaft DWS.
Die wohl berühmteste Wachstumsgeschichte ist Apple. Einst ein Computerhersteller, ist der Konzern mit iPod und iPhone zu einem Multimediagiganten aufgestiegen. Schreibtischcomputer und Laptops machen inzwischen nur noch knapp 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Ende des Monats will Apple sein neuestes Produkt – einen Minicomputer mit Internetzugang – vorstellen. Als wegweisend gilt auch der Kauf des auf Mobilfunkwerbung spezialisierten Unternehmens Quattro Wireless.
Kreativität bei Produktentwicklung und Marketing lassen sich an den Geschäftszahlen von Apple ablesen – selbst 2008 und 2009, in den finsteren Monaten der Finanzkrise, konnte Apple in jedem Quartal das Ergebnis aus dem Vorjahreszeitraum überbieten. Der Kursknick der Aktie in jener Zeit ist also lediglich auf eine verzerrte Wahrnehmung der Börsenteilnehmer zurückzuführen.
Auch Intuitive Surgical konnte sich dank innovativer Produkte vom allgemeinen Konjunkturtrend abkoppeln. Der Spezialist für medizinische Roboter erreichte nach langer Entwicklungszeit und Patentstreitigkeiten 2004 erstmals die Gewinnzone. Seit 2006 ist der Überschuss jedes Jahr gestiegen. Wichtigstes Produkt ist der Medizinroboter Da Vinci. Im Schnitt 1,4 Millionen Dollar kostet das Gerät. Nicht nur die zunehmende Verbreitung, auch der Unterhalt bereits verkaufter Geräte füllt die Kassen von Intuitive Surgical.
Dass selbst einst orientierungslose Internetneugründungen erfolgreiche Geschäftsmodelle entwickeln können, demonstriert Priceline.com: Das Unternehmen vermittelt Urlaubsreisen über das Internet. Da Priceline nicht als Ausrichter auftritt, ist das Geschäftsrisiko gering, die Profitabilität hoch. Seit 2006 lag der Gewinn nur einmal unter dem Vergleichswert des Vorjahrquartals. Und noch immer gelingt es dem Management, die Börse zu überraschen: Im November vermeldete Priceline einen Quartalsgewinn von fast 20 Prozent über den Konsensschätzungen der Analysten.
Problem für Investoren: Mit den deutlichen Kursgewinnen der vergangenen Monate sind die Bewertungsniveaus vieler Titel deutlich angestiegen. Auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses notiert der Index inzwischen fast auf dem Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre. Zwei Strategien bieten sich daher an: Angesichts massiver Liquiditätsreserven der großen Investoren und der sich weiter verbessernden Konjunkturindikatoren dürften die Topperformer des vergangenen Jahres weiterhin Potenzial haben.
Berechnen lässt sich die Dynamik einer Aktie über ihr Momentum. Dieses wird errechnet, indem man den aktuellen Kurs einer Aktie in Relation zum eigenen Durchschnittskurs der vorangegangenen Monate setzt. Einen attraktiven Wert in dieser Kategorie weist neben dem Halbleiterunternehmen Marvell Technology auch der Speicherkartenspezialist SanDisk aus.
Auch Analystenurteile dürften in einem positiven Marktumfeld Aktienkurse beflügeln. Zwölf Indexmitglieder wurden im Dezember von den Börsenprofis ausschließlich positiv bewertet, am häufigsten der Internetgigant Google: 16 Analysten haben die Aktie auf ihrer Kaufliste bestätigt. Die Kursziele reichen bis 810 Dollar.
Auf zehn positive Bewertungen kommt der IT-Dienstleister Cognizant. Das im US-Bundesstaat New Jersey ansässige Unternehmen profitiert von dem Trend, Geschäftsteile in billigere Regionen der Welt auszugliedern. Auch wenn die Branche zuletzt schwächelte, konnte Cognizant die Börse überzeugen. Für das laufende Jahr trauen Analysten dem Unternehmen einen Gewinnzuwachs von gut 15 Prozent zu. Ebenfalls hoch im Kurs steht mit neun Kaufempfehlungen Activision Blizzard. Der Spielehersteller profitiert von seiner neuesten Schöpfung, dem rustikalen Ballergame „Call of Duty“, das im November innerhalb von fünf Tagen 550 Millionen Dollar umsetzte – so viel wie kein anderes Computerspiel je zuvor.
Langfristig orientierte Anleger sollten hingegen stärker fundamentale Kriterien berücksichtigen. Software- und IT-Unternehmen dürften nach Krisenmonaten jetzt verstärkt mit Aufträgen rechnen: „Viele Unternehmen haben Investitionen lange hinausgezögert. Die sich verbessernde Konjunktur löst diesen Nachfragestau jetzt auf und dürfte für positive Überraschungen sorgen“, kalkuliert Gunther Kramert, Technologieexperte der Fondsgesellschaft Union Investment. Die Kurse von Schwergewichten wie Microsoft und Cisco Systems wiederum sind durch ihre hohen Cashbestände verhältnismäßig gut abgesichert. Apple hat sich zusätzlich als außerordentlich kreatives Unternehmen einen Bewertungsaufschlag verdient.
Gute Chancen dürfte auch der Festplattenhersteller Seagate haben. Obwohl die Aktie im vergangenen Jahr 286 Prozent an Wert gewonnen hat, ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit knapp über acht für einen Technologiewert moderat. Das dürfte Aktionären mehr bedeuten als opulente Präsentationen am New Yorker Broadway.
Marvell Technology: Smarter Gewinner
Der Halbleiterspezialist profitiert vom Siegeszug der Multimediahandys (Smartphones). Die Anfang Dezember veröffentlichten Quartalszahlen lagen mit 35 Cent Gewinn je Aktie acht Cent über der Erwartung. Bei einem für 2010 erwarteten Gewinnanstieg von rund 36 Prozent ist die Aktie noch immer moderat bewertet. Charttechnisch dürfte der Ausbruch über die wichtige Hürde von 20 Dollar geglückt sein. Die Aktie ist, wie alle Werte der Branche, riskant, aber weiter kaufenswert.
Microsoft: Schluss mit Langeweile
Selbstverständlich war es nicht, doch Microsofts neues Betriebssystem Windows 7 kommt offenbar bei den Computernutzern gut an. Nachdem der Softwaregigant bereits im September mit seinen Quartalszahlen die Erwartungen der Börse übertroffen hatte, könnte deshalb auch beim nächsten Bericht am 28. Januar eine Überraschung drin sein. Kursfantasie könnte auch der Verkaufsstart der neuen Version der Bürosoftware Office im Sommer bringen. Hohe Cashposition als Kurspuffer.
Seagate: Turbulenter Turnaround
Der weltgrößte Festplattenhersteller profitiert von der nach dem Schock der Finanzkrise wieder steigenden Nachfrage nach Computern. Seagate hat die Kosten massiv gesenkt. Die Streichung der Dividende schmerzt, doch der deutliche Kursanstieg der Aktie entschädigt. Angesichts der moderaten Bewertung sehen Analysten noch Aufwärtspotenzial. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 21,47 Dollar, also knapp 15 Euro.
US-Techies: Fonds & Zertifikate
Wachstumswerte sind riskante Investments, da ihre Geschäftsmodelle meist stark von Konjunkturschwankungen abhängen. Deshalb bieten sich zur Risikostreuung Zertifikate und Fonds an. Am kostengünstigsten sind Indexzertifikate wie sie unter anderem die Deutsche Bank (ISIN: DE0007093395) bietet. Unter den auf Technologiewerte spezialisierten Aktienfonds überzeugt vor allem der Vitruvius Growth Opportunities (ISIN: LU0117772870, €uro-FondsNote 1) mit Schwergewichten wie Apple, Intel, Hewlett-Packard und Google als große Positionen. Auch der Seligman Global Technology (ISIN: LU0081655481, €uro-FondsNote 2) und der Henderson Global Technology Fonds (ISIN: LU0070992663, €uro-FondsNote 2) haben in der Vergangenheit überdurchschnittlich gut abgeschnitten.
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