Irland und China halten die Märkte in Atem
Wie schlimm ist die Lage in den Euro-Schuldenländern wirklich?
Diese Frage zu beantworten fällt auch Experten schwer. Da gibt es eine irische Regierung, die partout nicht will, dass die Partnerländer mit Geld helfen. Man brauche keine Hilfe, die Finanzierung sei bis Mitte 2011 gesichert, so Dublin. Wenn das so wäre, warum drängen die Euro-Partner und sogar Großbritannien dem Inselstaat die Milliarden dann geradezu auf?
Hochkonjunktur für Crashpropheten
Betrachtet man die Begleitmusik, dann kann einem schon angst und bange werden. Selbst der ansonsten eher blasse EU Ratspräsident Herman Van Rompuy sieht nicht nur die Eurozone in Gefahr, sondern die gesamte EU. Ist die Lage wirklich so schlimm oder kochen die Medien den Fall mal wieder hoch? Van Rompuy hat seine Meinung nicht zum ersten Mal so deutlich geäußert. Schon mehrfach hat sich der EU Ratspräsident mit der gleichen Rhetorik zu Wort gemeldet, nur hat es bislang niemanden interessiert. Auch dass Länder wie Griechenland, Irland und Portugal nach wie vor in der Krise sind und Hilfen brauchen, ist auch keine neue Erkenntnis. Warum also diese Aufregung jetzt?
Anleger gehen schnell wieder zur Tagesordnung über
Manche Kommentatoren sehen eine Mitschuld bei den jüngsten Äußerungen aus Deutschland, wonach auch private Gläubiger zur Kasse gebeten werden sollen. Das habe eine neue Spekulationswelle gegen die Schuldenländer ausgelöst. Zumindest im Fall von Griechenland scheinen sich die Märkte darauf einzustellen, dass früher oder später ein Haircut kommen wird, also eine Umschuldung mit deutlichen Abschlägen bei den Forderungen. Griechische Staatsanleihen notieren nur noch bei rund 65 Prozent ihres Nennwertes. Das ist nicht mehr allzu weit weg von Lehman-Schuldverschreibungen kurz vor der Lehmanpleite. Für Deutschland bzw. die deutschen Banken wäre eine Pleite von Irland schmerzlich. Deutsche Banken haben den Iren 138,6 Milliarden Euro geliehen, allen voran die Hypo Real Estate, die sich mit 10,28 Mrd. Euro engagiert hat. Stärker von einer Pleite wären nur die britischen Banken betroffen. Auch viele Landesbanken sind wieder einmal mitten drin statt nur dabei. Die Privatbanken wie die Deutsche Bank sind mit vergleichsweise überschaubaren Summen engagiert, so dass die Hauptlast möglicher Zahlungsausfälle wieder einmal der Steuerzahler tragen dürfte. Nicht zuletzt deshalb bzw. aus der Hoffnung heraus, dass die EU ihre Sorgenkinder schon nicht im Stich lassen wird, sind die Märkte – zumindest was die Aktien anbelangt – schon wieder zur Tagesordnung übergegangen. Nach den Verlusten von Dienstag und Mittwoch legte der DAX wieder kräftig zu und stieg sogar auf ein neues Jahreshoch. Dazu beigetragen hat offenbar auch eine Beruhigung beim zweiten Aufregerthema dieser Tage – den Zinsängsten in China.
China bewegt die Rohstoffmärkte
Der Versuch der chinesischen Regierung, die Inflation im Zaum zu halten und die heiß gelaufene Wirtschaft abzukühlen, dürfte in Zinserhöhungen in China münden. Nachdem sich diese Erwartung an den Märkten verbreitete, kam es an den Rohstoffmärkten zu massiven Gewinnmitnahmen. Vor allem bei den Agrarrohstoffen ging es hart zur Sache, nachdem Premier Wen Jiabao der Spekulation mit Baumwolle, Soja, Weizen und anderen Agrarprodukten den Kampf ansagte. So soll zunächst mit Hilfe der staatlichen Vorräte das Angebot erhöht werden. Ob das jedoch hilft, um auch langfristig die Preise zu kontrollieren, muss sich erst noch zeigen, denn auch die staatlichen Vorräte sind endlich. Zumindest kurzfristig jedoch haben Wen Jiabaos Worte Wirkung gezeigt und damit ihr Soll erfüllt.
DAX bleibt auf Kurs in Richtung 7.000 Punkte
Allen Widrigkeiten zum Trotz bleibt der DAX auf Kurs in Richtung 7.000 Punkte. Aus charttechnischer Sicht hat sich die Unterstützung bei 6.650 Punkten als tragfähig erwiesen. Nach dem erfolgreichen Ausbruch über 6.800 Punkte ist aus charttechnischer Sicht mit einem Anstieg zur runden 7.000er Marke zu rechnen.
Fazit:
Die Märkte scheinen ihre Nervosität bereits wieder abgeschüttelt zu haben. Für Aktien könnte es daher wieder aufwärts gehen. Mit zwischenzeitlichen Rückschlägen muss jedoch weiterhin gerechnet werden.
Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.