DAX: Wende nach oben oder nur ein Strohfeuer?
Zumindest eine Hürde ist genommen: Während draußen vor dem Parlament in Athen...
... die Demonstranten auf die Barrikaden gingen, beschlossen drinnen die Abgeordneten mit der Mehrheit der regierenden Pasok-Partei das neue Sparpaket, das Bedingung für die Auszahlung der nächsten Kredittranchen von IWF und EU ist. An den Anleihemärkten kam es zu einer leichten Entspannung. Mehr als ein Zeitgewinn ist das neue Sparpaket jedoch nicht.
Wo soll das Wachstum herkommen?
Sparen ist die eine Seite, eine Perspektive für die Bevölkerung, die für mehr Akzeptanz beim Sparen sorgen würde, ist die andere Seite. Griechenland hat kaum konkurrenzfähige Wirtschaftszweige, die für Wachstum sorgen könnten. Auf der anderen Seite werden EU-Fördergelder in Milliardenhöhe nicht abgerufen. Viele Bauvorhaben scheitern beispielsweise, weil Griechenland wegen des strengen Sparprogramms die geforderten Eigenmittel nicht bereitstellen kann. Würde Brüssel diese Anforderungen ändern, könnten Strukturhilfen im Volumen von 17 Mrd. Euro nach Griechenland fließen, die für neue Wachstumsimpulse sorgen würden. Von alleine wird sich Griechenlands Wirtschaft jedoch nicht so schnell wieder erholen. Ich sehe zudem die Gefahr, dass auch die politische Ebene des Landes destabilisiert wird, sollte nicht die Bevölkerung für den Reformkurs gewonnen werden. Dabei wäre es möglich, das Land zukunftsfit zu machen, wenn nur der Wille dazu bei wirklich allen Beteiligten da wäre. Auch private Investoren wären wohl nach einer Reform der griechischen Verwaltung mit entsprechenden Anreizen bereit sich zu engagieren.
USA: Die Zeit läuft ab
Auch in den USA wird die Schuldenproblematik immer drängender. Erwartungsgemäß haben sich die beiden Parteien in Washington noch nicht auf eine Anhebung der Schuldengrenze geeinigt. Sollte dies nicht bis zum 2. August geschehen, wären die USA pleite. Die Rating-Agentur S&P hat bereits angekündigt, US-Staatsanleihen dann direkt auf D herabzustufen, dem Finanz-Super-GAU. Ich glaube jedoch nicht, dass es die Parteien soweit kommen lassen. Schon desöfteren gab es ähnliche Auseinandersetzungen, die in letzter Minute entschärft wurden. Auch diesmal wird dies wohl so kommen, denn der Schaden für die USA und auch für die Blockierer im Kongress wäre viel zu groß, als dass parteitaktische Spielchen gerechtfertigt wären.
Atomausstieg endgültig beschlossene Sache
Auch in Deutschland gab es eine wichtige Parlamentsabstimmung. Der Bundestag beschloss heute mit breiter Mehrheit den Atomausstieg. Für die großen Versorger steht es damit fest, dass sie ein neues Geschäftsmodell brauchen. Der Klageweg vor Gericht wird daran kaum etwas ändern. Die Aktien von RWE und E.ON könnten jedoch das Schlimmste hinter sich haben. RWE hat in den letzten 18 Monaten rund 40 Prozent eingebüßt. Selbst eine nicht auszuschließende Kapitalerhöhung oder die mögliche Kürzung von Dividenden ist nach Meinung von Analysten inzwischen eingepreist. Etwas besser sieht es bei E.ON aus, allerdings ist der Kursverlust von rund 35 Prozent im gleichen Zeitraum ebenfalls kein Grund zur Freude. Neben dem Atomausstieg beschloss der Bundestag auch das Gesetz zur Beschleunigung des Netzausbaus. Der ist dringend nötig, um die Erneuerbaren Energien flächendeckend einsetzen zu können.
DAX bestätigt seine Seitwärts-Range
Schon im Vorfeld der Entscheidung in Athen gab es am Aktienmarkt deutliche Gewinne. Vor allem Versicherungen und Bankaktien waren gefragt. Der DAX konnte den Widerstand bei 7.240 Punkten überwinden und hat am Freitag wieder Kurs auf die obere Begrenzung seiner Seitwärts-Range bei 7.430 Punkten genommen. Ein Ausbruch aus dem Seitwärtsintervall, das nach unten durch die runde 7.000er Marke begrenzt wird, bleibt abzuwarten.
Fazit:
Der größte Belastungsfaktor ist erst einmal vom Markt genommen – allerdings nur kurzfristig. Neben Griechenland dürfte nun zunehmend auch die Lage in den USA ins Blickfeld geraten. Die Aktienmärkte werden daher voraussichtlich ihre volatile Seitwärtsbewegung bis auf weiteres fortsetzen.
Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.