Börse Frankfurt-News: Notenbanken machen weiter Kurse (Wochenausblick)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Zinsstress und Rezessionsängste belasten die Wertpapiermärkte stark, ein Ende der Unsicherheit und der hohen Volatilität ist nicht in Sicht.
13. Juni 2022. Frankfurt (Börse Frankfurt). Wenn die US-Notenbank Fed die Erwartungen der Märkte mit ihrer Zinsentscheidung am Mittwoch erfüllt, könnte es eher ruhig bleiben. Nach Einschätzung von Hans-Jürgen Delp von der Commerzbank gilt eine weitere große Zinserhöhung in den USA um 50 Basispunkte als ausgemachte Sache. "Alles andere wäre eine große Überraschung mit entsprechenden Marktreaktionen", kommentiert Delp.
Notenbank im Verzug
Entscheidend ist nach Einschätzung vieler das Tempo der Zinserhöhungen. "Zinserhöhungen um 50 Basispunkte pro Sitzung sind die neue Normalität", fasst Patrick Franke von der Helaba zusammen. Das gelte auch für die kommende Sitzung. Seine Begründung: "Obwohl sie den Spielraum hatte, bewegte sich die Fed 2021 erst mal gar nicht und dann nur im Schneckentempo." Das räche sich nun: Die schnellere, stärkere Straffung berge erhebliche Rezessionsrisiken für 2023 und 2024.
Die Risikoaversion der Anleger*innen dürfte anhalten, zumal auch die Bank of England über das Zinsniveau entscheidet. Hier geht die Mehrheit von einem Zinsschritt von 25 Basispunkten aus.
Christoph Geyer, technischer Marktanalyst, bescheinigt den Marktteilnehmer*innen nicht zuletzt wegen der angekündigten Zinserhöhungen Verunsicherung. "Daher ist zwar mit einer Stabilisierung und ggf. auch einer Erholungsbewegung zu rechnen, eine nachhaltige Trendwende nach oben ist gleichwohl kaum zu erwarten."
Am Montagmorgen steht der DAX im frühen Geschäft bei 13.560 Punkten und damit deutlich tiefer. Am Freitag sind deutsche Bluechips unter 14.000 Punkten aus dem Handel gegangen. Auch an der Wall Street hatten die Indizes tiefrot geschlossen. Zunächst meldeten die USA eine unerwartet hohe Inflation für Mai von 8,6 Prozent, während Volkswirte mit Preissteigerungen von 8,3 Prozent gerechnet hatten. Außerdem war das von der Universität Michigan ermittelte Verbrauchervertrauen für Mai auf das niedrigste Niveau seit 1980 gesunken.
Fallende Kurse in Asien, neuer Corona-Ausbruch
Am Montagmorgen gaben bereits die Indizes in Asien mehrheitlich nach: Ein neuer Corona-Ausbruch in Peking in China verstärkte die Sorgen um die Wirtschaft und ihr Wachstum. Der Hang Seng verliert gut 3 Prozent, der Nikkei 225 rund 1,5 Prozent, der Shanghai Composite gibt um 1,0 Prozent nach.
"Um aus der Bärenmarkt-Rallye eine nachhaltige Aufwärtsbewegung zu machen, müssten die weltweiten Konjunkturdaten wieder verstärkt überraschen, um dem aktuell fundamentalen Gegenwind entgegenzuwirken", urteilt Robert Halver von der Baader Bank. Tatsächlich hätten Weltbank mit 2,9 statt 4,1 Prozent und OECD mit 3,0 statt 4,5 Prozent zuletzt ihre Prognose für das globale Wirtschaftswachstum 2022 deutlich gekappt.
"Fundamental sind die Perspektiven weniger erhellend", fasst Halver die Aussichten zusammen. Das breite Spektrum an untereinander verbundenen Risiken wie der Ukraine-Krieg, Zinsangst, chinesische Null-Covid-Politik oder Lieferkettenprobleme mache den Börsen weiterhin zu schaffen.
Sorge vor weiterer Schuldenkrise
Nun habe auch die EZB die Leitzins-Wende eingeleitet, doch sie werde es langsam angehen lassen, weil Rezessionsrisiken bestehen. Die würden durch starke Zinssteigerungen nur verstärkt werden. Die europäische Kette sei nun mal nur so stabil wie ihr schwächstes Glied. "Und es gibt einige muskelschwache Länder. Würde man ihnen das Stützkorsett der geldpolitischen Planwirtschaft komplett wegnehmen, geriete so manches überschuldete romanische Euro-Land in arge Finanznot", kommentiert Halver.
Die Sorge darüber zeige sich bereits an den Finanzmärkten: Die Zinsspannen dieser Länder habe sich zu deutschen Zehnjahres-Staatsanleihen binnen sechs Monaten ungefähr verdoppelt. "Würde sich diese Entwicklung fortsetzen, riskierte man im Extremfall die nächste Schuldenkrise. "Angesichts dieses existenziellen Risikos für Europa werde die EZB zukünftig eine "konstruktiv ambivalente" Geldpolitik betreiben.
Gedämpfte Kauflust in den USA befürchtet
Indessen dürfte die steigende Inflation in den USA die Kauflust der Amerikaner:innen in den nächsten Monaten dämpfen, prognostiziert Delp. Im ersten Quartal war der Konsum eine wichtige Konjunkturstütze. Im Mai dürfte es zumindest für eine Stagnation der Einzelhandelsumsätze gereicht haben, die zur Wochenmitte veröffentlicht werden., weil die Nachfrage nach Dienstleistungen wie etwa Restaurants angezogen hat. In Europa dürften sich immerhin die ZEW-Konjunkturerwartungen weiter erholt haben.
Conclusio der Commerzbank: "Die anstehenden Veröffentlichungen dürften kaum ein positives Umfeld schaffen. Immerhin könnte ein etwas umsichtigerer Auftritt der Fed kurzfristig für Entspannung sorgen."
Achtung: Verfallstermin
Kursbewegend dürfte der große Verfallstag am Freitag sein. Am großen Verfallstag laufen Optionen auf einzelne Aktien sowie große Index-Futures und Index-Optionen aus. Handelsvolumen und Kursschwankungen können überdurchschnittlich hoch sein.
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftstermine der Woche
Dienstag, 14. Juni 2022
11:00 Uhr. Deutschland: ZEW-Konjunkturerwartungen Juni
Die Commerzbank erwartet eine Steigerung von -34,3 auf -25 Punkte.
Mittwoch, 15. Juni 2022
14:30 Uhr. USA: Einzelhandelsumsätze Mai
Nach einem Anstieg von 0,9 Prozent im April ist nun ein Plus von 0,2 Prozent Konsens im Monatsvergleich.
20:00 Uhr. USA: FOMC-Zinsentscheid
Die Fed wird am Mittwoch zum zweiten Mal in Folge das Leitzinsintervall um 50 Basispunkte anheben, erwartet das Makro-Team der DekaBank. Bei diesem Zinsentscheid wird es auch eine Aktualisierung der makroökonomischen Projektionen geben: Der Konjunkturausblick dürfte nach unten, der Inflationsausblick nach oben revidiert werden. "Insgesamt dürfte die Fed bestrebt sein, alles zu unterlassen, was zu einem Anstieg der Inflationserwartungen führen könnte."
Donnerstag, 16. Juni 2022
13:00 Uhr. Großbritannien: Zinsentscheid der Bank of England
Zum fünften Mal in Folge wird mit einer Erhöhung der Leitzinsen in Großbritannien gerechnet. Analyst*innen der DekaBank erwarten einen kleinen Zinsschritt von 1 auf 1,25 Prozent: "Trotz der hohen Inflation, die in der Spitzte ab Herbst bei 10 Prozent erwartet wird, dürften größere Leitzinsschritte von 50 Basispunkten weiterhin keine Mehrheit finden."
von: Antje Erhard. 13. Juni 2022, © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)