Börse Frankfurt-News: "Deutschland in der Dauerrezession?" (pfp Advisory)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters reagiert auf die Hiobsbatschaften im Herbstgutachten zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland mit einer Botschaft an die Wirtschaftspolitik.
30. September 2024. Ende der vergangenen Woche wurde das sogernannte "Herbstgutachten veröffentlicht". An dieser zweimal jährlich erstellten Gemeinschaftsdiagnose wirken fünf führende Wirtschaftsforschungsinstitute mit, sozusagen das "Who's who" der nationalen?-konomen. Und sie hatten nichts Gutes zu berichten. Die Prognose für das laufende Jahr wurde genauso wie die für 2025 ordentlich gekappt. Nach jetzigem Prognosestand schrumpft das Bruttoinlandsprodukt 2024 bereits das zweite Mal in Folge, erwartet wird ein Minus von 0,1 Prozent, nachdem die Experten zuvor noch ein marginales Plus in der gleichen Größenordnung erwartet haben. Zwei Jahre in Folge im Minus wären im Nachkriegsdeutschland eine absolute Seltenheit und schon allein deshalb sollte dieses Papier, das im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erstellt wird, aufrütteln.
Dass ich den Auftraggeber noch mal explizit erwähne, begründet sich in einer Zwischenüberschrift, die sich auf Seite 69 des 92-seitigen Dokuments wiederfindet und die ich bemerkenswert finde: "Wirtschaftspolitik bislang eher Teil des Problems als Teil der Lösung". Vor dem Hintergrund, dass auch?-konomen wissen, dass man die Hand, die einen füttert, nicht beißt, eine wirklich durchschlagende Aussage. Man kann sich vorstellen, wie eine Aussage aussehen könnte von jemandem, der komplett unabhängig ist. Offensichtlich war das Kopfschütteln über manche politische (Fehl-)Entscheidungen, die uns Jahr für Jahr auch strukturell weiter zurückwerfen im beinharten internationalen Wettbewerb, dann doch so stark, dass man dieses Statement samt einiger erläuternder Hinweise in das Gutachten aufgenommen hat.
"Natürlich verscherzt man es sich besser nicht mit der Politik und achtet auch auf Diplomatie" scheint mir auch ein Leitsatz zu sein, wie viele Konzernlenker seit vielen Jahren agieren. Gänzlich undiplomatisch erlebe ich als Investor indes Firmenlenker in Hintergrundgesprächen, in denen sie deutlich unverblümter ihren Unmut über Berlin und Brüssel kundtun. Zumeist nicht, um von eigenen Versäumnissen abzulenken, sondern mit nachvollziehbaren Erlebnissen und Beispielen.
Am Ende des Tages stehen auch die hierzulande ansässigen Konzerne im globalen Wettbewerb. Dass nationale Politik "die Wirtschaft endlich in den Dienst der Menschen stellt", wie es der diese Woche zurückgetretene Vorstand der Jugendorganisation der Grünen formuliert, ist der idealistische Ansatz vieler Handelnder in den Ministerien. Dass man infolgedessen die wenigen Betriebe auf die man Zugriff hat (also die Niederlassungen in der eigenen nationalen Einflusszone) überlädt mit absurden Energiekosten, mit den höchsten Abgaben der Welt und vor allem einer auch dieses Jahr wieder massiv ausgeweiteten Bürokratie, hat in einer rationalen Welt die Konsequenz, die man in der idealistischen Welt offensichtlich nicht wahrnimmt: Die Firmen werden von den Konkurrenten mit besseren Rahmenbedingungen am Markt verdrängt oder verlagern selber immer größere Teile ihrer Wertschöpfung in andere Regionen.
Erfolgreich diversifiziert sind viele Großkonzerne, weshalb (wie schon vielfach ausgeführt) der DAX mit gerade mal 15 Prozent Inlandsanteil beim Umsatz kaum noch mit dem deutschen BIP korreliert, und beim Mittelstand wird die Frage "Fliehen oder Sterben" auch immer lauter gestellt. Und solange in anderen Regionen eine Kultur herrscht, um Industrie zu werben (exemplarisch hierbei kürzlich das gewohnt laute Werben des möglichen US-Präsidenten Donald Trump um US-Werke deutscher Kfz-Hersteller, indem er ihnen "die niedrigsten Steuern, die niedrigsten Energiekosten und die geringste Regulierungslast" versprochen hat). Jeder in Berlin sollte solche Zerreißproben ernst nehmen, gleich was er von Trump hält.
Noch mal mit Bezug auf das Gutachten, das wie viele andere kompetente mahnende Stimmen dieser Tage in vielen Grafiken unterlegt, dass die deutsche Industrieproduktion (also die fundamentale Grundlage unseres Wohlstands) seit mittlerweile rund zehn Jahren dramatisch aus dem Langfristtrend "abkippt": Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Für die Konzerne ohnehin nicht, denn die stimmen einfach mit den Füßen ab und suchen sich Gefilde, in denen sie willkommen sind. Aber als deutscher Staatsbürger gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sich die Attitüde (oder alternativ die Besetzung) derer, die in der Politik Verantwortung tragen, so ändern wird, dass hier auch in zehn Jahren noch Firmen nennenswert investieren und den Wohlstand erhalten. Auch wenn der Spruch von Bill Clinton vielfach zitiert wurde, stimmt er immer noch: "ItŽs the economy, stupid!"
Von Roger Peeters, 30. September 2024, © pfp Advisory
Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow LU1865032954, einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)