US-Geldpolitik

Zinsentscheid: US-Notenbank Fed tastet Leitzinsen nicht an - einstimmige Entscheidung - erneute Erhöhung möglich

15.06.23 07:07 Uhr

Zinsentscheid: US-Notenbank Fed tastet Leitzinsen nicht an - einstimmige Entscheidung - erneute Erhöhung möglich | finanzen.net

Die US-Notenbank Fed hat ihren jüngsten Zinsentscheid bekannt gegeben, der mit großer Spannung erwartet worden war.

Die US-Notenbank Fed hat den Leitzins nicht angetastet, er verbleibt damit in einer Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent, wie die Federal Reserve (Fed) am Mittwoch mitteilte. Nach zehn Zinserhöhungen in Folge beschloss das Federal Open Market Committee (FOMC) bei der aktuellen Sitzung, den Schlüsselzins in der Spanne zu belassen. Die Zinsentscheidung fiel einstimmig. Die Zinsprojektion für 2023 wurde nach der geldpolitischen Sitzung von 5,1 auf 5,6 Prozent angehoben. Das bedeutet, dass die Fed-Mitglieder im Mittel zwei weitere Zinsanhebungen in diesem Jahr erwarten. Vor dem Zinsentscheid hatten es nicht wenige Fachleute für möglich gehalten, dass die Zinsen in diesem Jahr gar nicht mehr angehoben werden. Auch die Zinsprojektionen für 2024 und 2025 wurden angehoben.

Im März 2022 hatte der Leitzins noch knapp über der Nulllinie gelegen. Seither kämpft die Fed mit kräftigen Zinsanhebungen gegen die hohe Inflation. In den vergangenen Monaten ist die Teuerung auch gesunken, die unterliegende Kerninflation jedoch nur langsam.

Inflation schwächt sich ab

Teil der Entscheidung den Zinsen nun unangetastet zu lassen, dürften die US-Inflationsdaten gewesen sein, die am Vortag veröffentlicht wurden.

Die US-Inflation hat sich gegenüber dem Höchststand des vergangenen Jahres mehr als halbiert, liegt aber immer noch weit über dem Ziel der Federal Reserve von 2 Prozent. Wie das US-Arbeitsministerium mitteilte, stiegen die Verbraucherpreise gegenüber dem Vormonat um 0,1 Prozent und lagen um 4,0 (Vormonat: 4,9) Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Die Kernverbraucherpreise (ohne Energie und Lebensmittel) stiegen um 0,4 Prozent auf Monats- und um 5,3 (Vormonat: 5,5) Prozent auf Jahressicht.

Für dieses Jahr rechnet die Fed mit einem etwas höheren Wirtschaftswachstum. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der weltgrößten Volkswirtschaft soll demnach um ein Prozent wachsen. Das wären 0,6 Prozentpunkte mehr als noch im März prognostiziert. Für das kommende Jahr sagt die Fed ein Wachstum von 1,1 Prozent voraus.

Unterdessen rechnen die Währungshüter mit einer etwas niedrigeren Inflationsrate. Die Teuerungsrate soll 2023 durchschnittlich bei 3,2 Prozent liegen - ein Rückgang von 0,1 Prozentpunkten verglichen mit der vorigen Prognose vom März. Die Kerninflation ohne Berücksichtigung von Lebensmittel- und Energiepreisen soll dieses Jahr allerdings etwas höher bei 3,9 Prozent liegen (Prognose vom März: 3,6 Prozent).

Die Fed ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet und strebt eine Inflationsrate von 2 Prozent an.

US-Notenbankchef Powell: Fast alle Fed-Mitglieder sehen weitere Zinsanhebungen

In der US-Notenbank Fed gibt es offenbar eine große Neigung zu weiteren Zinsanhebungen. Fast alle Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses FOMC hielten es derzeit für wahrscheinlich, dass es weitere Zinsanhebungen geben werde, erklärte Fed-Chef Jerome Powell nach der Zinssitzung am Mittwoch in Washington. Powell hob jedoch auch hervor, dass die Fed sich nicht festlege und ihre konkreten Entscheidungen erst auf der jeweiligen Zinssitzung treffe. Auf der aktuellen Sitzung seien keine Entscheidungen für die Zukunft getroffen worden - auch nicht für die kommende Sitzung im Juli.

Bankvolkswirte zeigten sich überrascht von der Entschlossenheit der Fed. "Die deutlich nach oben geschraubten Leitzinsprojektionen sind heute die große Überraschung", kommentierte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. "Die Fed möchte trotz der Leitzinspause keineswegs den Eindruck einer zu lockeren Notenbank erwecken." Elmar Völker, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg, erklärte, die Fed halte sich die Option für weitere Zinsanhebungen offen.

An den Finanzmärkten erhielt der US-Dollar zunächst Auftrieb, gab dann aber wieder nach. Ähnlich war die Reaktion am amerikanischen Anleihemarkt, wo die Renditen zunächst zulegten, im Verlauf aber wieder zurückfielen. Die Aktienmärkte reagierten zunächst negativ auf die Aussicht weiterer Zinsanhebungen, fingen sich aber dann weitgehend wieder.

EZB vor Zinserhöhung?

Nach einer Zinspause der US-Notenbank Fed steuert die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die hohe Inflation auf eine weitere Erhöhung des Leitzinses zu. Volkswirte rechnen überwiegend mit einer moderaten Anhebung der Leitzinsen im Euroraum um 0,25 Prozentpunkte. Die Notenbank gibt die Entscheidung des EZB-Rates am Donnerstagnachmittag (14.15 Uhr) bekannt.

Auch die EZB hat nach Jahren mit Null- und Negativzinsen angesichts der hartnäckig hohen Teuerung die Zinsen seit Juli 2022 sieben Mal in Folge angehoben. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, liegt mittlerweile bei 3,75 Prozent. "Der Preisdruck bleibt stark", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde jüngst. "Unsere künftigen Entscheidungen werden sicherstellen, dass die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht werden."

Die Inflation im Zaum zu halten, ist die klassische Aufgabe der Notenbanken. Die Fed und die EZB streben mittelfristig Preisstabilität bei einer Inflationsrate von 2 Prozent an. Mit den deutlichen Anhebungen der Zinsen haben die Zentralbanken versucht, die hohen Verbraucherpreise zu senken. Denn steigen die Zinsen, müssen Privatleute und Wirtschaft mehr für Kredite ausgeben - oder leihen sich weniger Geld. Das Wachstum nimmt ab, Unternehmen können höhere Preise nicht unbegrenzt weitergeben - und so sinkt die Inflationsrate idealerweise wieder. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft abgewürgt wird.

Im Mai lag die Teuerungsrate im Währungsraum der 20 Euro-Staaten einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge bei 6,1 Prozent - nach 7,0 Prozent im April.

Dow Jones Newswires / dpa-AFX

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