"Der Markt kann diese Zinssätze nicht länger durchhalten" - Anleihekönig Jeffrey Gundlach erwartet 2024 drastische Leitzinssenkungen
Wenn es um Anleihen und Zinssätze geht, ist Jeffrey Gundlach nie um einen Kommentar verlegen. Diesen Eindruck konnte man zumindest in den vergangenen Monaten gewinnen, als der "Anleihekönig" inmitten der jüngsten Zinsturbulenzen oft zu seiner Einschätzung befragt wurde. Kürzlich gab Gundlach eine aufsehenerregende Prognose ab.
• Gundlach erwartet für Frühsommer 2024 ein US-Leitzinsniveau von nur 2,5 Prozent
• "Anleihekönig" erkennt viele Frühsignale für bevorstehende US-Rezession
• Auch hohe Staatsverschuldung zwinge die Fed zu Zinssenkungen
Beim letzten Zinsentscheid am 1. November entschieden die Fed-Notenbanker einstimmig, das Leitzinsniveau in den USA nicht zu verändern und somit weiterhin im Korridor zwischen 5,25 und 5,5 Prozent zu belassen. Damit lässt die Fed nach elf Zinserhöhungen - sieben im vergangenen Jahr und vier im laufenden Jahr - nun zum zweiten Mal in Folge den Fuß vom Gas. Zwar bekräftigte Fed-Chef Jerome Powell, dass weitere Zinsanhebungen möglich seien, um die weiterhin hohe Inflation zu bändigen. Direkt daran anschließend betonte er jedoch auch, dass das Risiko zunehme, die Geldpolitik zu sehr zu verschärfen.
So rechnen denn auch mittlerweile die meisten Marktbeobachter damit, dass der Zinsgipfel in den USA erreicht worden ist - angesichts des bereits sehr hohen Leitzinsniveaus, der Konjunkturflaute und den geopolitischen Risiken werde die Fed die Zinsen nicht noch weiter erhöhen, so die gängige Meinung. Die Aktienmärkte preisten diese Ansicht nach der Fed-Sitzung ein, die Börsen starteten sehr stark in den November.
Gundlach rechnet 2024 mit deutlichen Leitzinssenkungen
Auch der Gründer der Investmentfirma DoubleLine Capital LP, der in Marktkreisen berüchtigte "Anleihekönig" Jeffrey Gundlach ist sich sicher, dass der Zinsgipfel in den USA damit erreicht worden ist. Nach dem Fed-Zinsentscheid vom 1. November ging er im "CNBC"-Interview jedoch einen Schritt weiter und gab seiner Erwartung Ausdruck, dass die US-Notenbank im kommenden Jahr die Leitzinsen erheblich senken werde. "Ich glaube, dass die Zinsen fallen werden, wenn wir uns in der ersten Hälfte des nächsten Jahres auf eine Rezession zubewegen", meinte Gundlach, der sich aufgrund persönlicher Investmententscheidungen über die hohen Anleiherenditen zuletzt hocherfreut zeigte.
Die Fed werde aber auf die deutliche Verschlechterung der Konjunktur reagieren müssen und werde deshalb die Leitzinsen mit großen Zinsschritten wieder senken. Bereits im Frühsommer werde das Leitzinsniveau sich wieder auf nur noch 2,5 Prozent halbiert haben, mutmaßte Gundlach. "Die Zinskosten machen sich jetzt sehr schnell bemerkbar. Der Markt muss sich der Tatsache stellen, dass wir diese Zinssätze und dieses Defizit nicht länger durchhalten können" - dies werde in den kommenden Monaten auch die in den vergangenen Monaten äußerst falkenhaft agierende Fed einsehen müssen.
Darum rechnet Gundlach mit einer US-Rezession
Gundlach rechnet schon seit ein paar Monaten fest mit einer US-Rezession im ersten Halbjahr 2024. Er sieht eine zunehmende Anzahl an Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft unter den hohen Zinssätzen erheblich leidet. Erstens sei die Arbeitslosenquote zwar immer noch niedrig, aber zeige eindeutig eine steigende Tendenz.
Zweitens sei der vielbeachtete Rendite-Spread zwischen 2- und 10-jährigen US-Staatsanleihen (Treasury Bonds) bereits seit mehr als einem Jahr invertiert und habe kürzlich begonnen, sich wieder etwas zu verengen. Für zweijährige US-Staatanleihen erhalten Anleger aber noch immer höhere Renditen als bei zehnjährigen Anleihen - üblicherweise ist dieses Verhältnis andersherum. Vielen Ökonomen zufolge weise die Invertierung der Renditen bei kurz- und langfristigen Anleihen auf eine Rezession hin, da Anleger die langfristigen Wachstumsaussichten negativ beurteilen.
Drittens sah Gundlach auch eine erste Welle von Entlassungen. "Ich glaube wirklich, dass es zu Entlassungen kommen wird", prognostizierte Gundlach. "Wir haben Einstellungsstopps gesehen, und jetzt fangen wir an, Entlassungsankündigungen zu sehen [...] sie sind da draußen [für] Finanz- und Technologiefirmen, und ich glaube, das wird sich ausbreiten."
Gundlach sieht US-Staatsdefizit kritisch
Ein weiterer Grund zur Sorge ist für Gundlach das enorme Defizit bei den US-Staatsbilanzen. Für das vergangene Haushaltsjahr, das am 30. September endete, habe sich dieses Defizit auf beinahe 1,7 Billionen US-Dollar aufsummiert. Das Haushaltsdefizit trage zu der schwindelerregenden Gesamtverschuldung der USA bei, die sich auf fast 34 Billionen Dollar belaufe, so Gundlach. "Eine Sache, der sich der Markt stellen muss, ist, dass wir diese Zinssätze und dieses Defizit nicht länger aufrechterhalten können", sagte er. "Wir können uns diese Regierung, die wir auf dem heutigen Zinsniveau führen, nicht leisten. Das ist völlig unhaltbar."
So könnte die Fed beim nächsten Zinsentscheid im Dezember handeln
Gundlach rechnet allerdings nicht damit, dass die Zinssenkungen schon beim kommenden Fed-Zinsentscheid am 13. Dezember 2023 eingeleitet werden. Powell werde wohl den aktuellen Leitzinskorridor bestätigen. Dieser Ansicht ist auch die Mehrzahl der Analysten - laut "CME FedWatch Tool" liegt die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Zinserhöhung um 0,25 Prozent nur bei 9,8 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die Zinsen nicht verändern wird, beträgt demnach hingegen 90,2 Prozent, während eine Zinssenkung im Dezember derzeit gänzlich ausgeschlossen wird.
Redaktion finanzen.net
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