EZB weiter auf Straffungskurs: Leitzins im Euroraum steigt erneut
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am frühen Nachmittag ihren aktuellen Leitzins-Entscheid bekannt gegeben.
Der Leitzins im Euroraum steigt erneut um 25 Basispunkte und liegt damit nun bei 4,5 Prozent. Es ist die zehnte Erhöhung in Folge, seit die EZB Mitte 2022 mit ihrem Straffungskurs begonnen hatte.
Experten waren sich im Vorfeld über den Kurs der EZB so uneinig wie selten, und auch an den Finanzmärkten war die Ungewissheit groß, wie sich die Währungshüter entscheiden würden.
EZB im Dilemma zwischen Inflation und sich eintrübender Konjunktur
Für die EZB galt es erneut, zwischen der sich eintrübenden Konjunktur und der nach wie vor hartnäckigen Inflation abzuwägen. Als Antwort auf den zeitwesie extrem hohen Preisauftrieb schraubte die EZB die Leitzinsen seit Juli 2022 in einer beispiellose Serie von Zinserhöhungen kräftig nach oben. Der wichtige Zinssatz ist inzwischen so hoch wie zuletzt zu Beginn der weltweiten Finanzkrise Anfang Oktober 2008.
Die höheren Zinsen sind für Sparerinnen und Sparer gut: Festgeld und Tagesgeld lohnen sich wieder mehr. Höhere Leitzinsen verteuern tendenziell aber auch Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Teurere Kredite sind aber zugleich auch eine Last für die Wirtschaft. So hat die EU-Kommission gerade erst ihre Konjunkturprognosen für die Europäische Union und für Deutschland nach unten geschraubt. Die Behörde rechnet für die EU und für die Eurozone im laufenden Jahr nur noch mit 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum. Die deutsche Wirtschaft wird nach dieser Einschätzung 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen. Aufgrund der Konjunktursorgen waren zuletzt Forderungen nach einer Zinspause lauter geworden.
Inflation bleibt hartnäckig
Von ihrem Ziel stabiler Preise bei einer mittelfristigen Teuerungsrate von zwei Prozent im Euroraum ist die EZB allerdings nach wie vor weit entfernt. Im August schwächte sich der Anstieg der Verbraucherpreise im Währungsraum der 20 Länder nicht weiter ab. Die jährliche Inflationsrate verharrte einer erste Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge bei 5,3 Prozent.
Die jüngsten Daten zeigten, "wie hartnäckig das Biest Inflation" sei, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel kürzlich dem "Handelsblatt". "Wir sind zwar ein gutes Stück bei der Inflationsbekämpfung vorangekommen. Unseren Zielwert für die Inflation haben wir aber längst noch nicht erreicht."
EZB rechnet mit langsamerem Rückgang der Inflation
Die hohe Inflation im Euroraum wird nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) langsamer zurückgehen als noch vor drei Monaten erwartet. Für das laufende Jahr rechnet die Notenbank nun mit einer Teuerungsrate von 5,6 Prozent, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. In ihrer Juni-Prognose war die EZB noch von 5,4 Prozent Inflation im Jahresschnitt 2023 ausgegangen.
Für 2024 sagt die Notenbank ebenfalls eine höhere Teuerungsrate von 3,2 (Juni-Prognose: 3,0) Prozent voraus, 2025 wird inzwischen eine etwas niedrigere Rate von 2,1 (2,2) Prozent erwartet. Die EZB strebt für den Währungsraum der 20 Länder mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an.
Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage in diesem Jahr um 0,7 Prozent wachsen und damit noch etwas schwächer als die im Juni vorhergesagten 0,9 Prozent. Im kommenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt demnach um 1,0 (Juni-Prognose: 1,5) Prozent zulegen. Für 2025 erwartet die EZB einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 1,5 (1,6) Prozent im Währungsraum.
EZB signalisiert Ende der Zinserhöhungen
Zum weiteren geldpolitischen Kurs heißt es: "Auf der Grundlage seiner derzeitigen Einschätzung ist der EZB-Rat der Ansicht, dass die Leitzinsen ein Niveau erreicht haben, das, wenn es für einen ausreichend langen Zeitraum beibehalten wird, einen wesentlichen Beitrag zur rechtzeitigen Rückkehr der Inflation zum Zielwert leisten wird."
Die künftigen Beschlüsse des EZB-Rats würden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie nötig auf einem hinreichend restriktiven Niveau gehalten würden. "Der EZB-Rat wird weiterhin einen datenabhängigen Ansatz verfolgen, um die angemessene Höhe und Dauer der Restriktionen zu bestimmen." Insbesondere würden die Zinsentscheidungen auf der Einschätzung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund der eingehenden Wirtschafts- und Finanzdaten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission beruhen.
Weitgehend Lob aus Wirtschaft und Finanzbranche für die EZB-Zinserhöhung
Die zehnte Zinserhöhung der Europäische Zentralbank (EZB) in Folge trifft bei Vertretern aus Wirtschaft und Finanzen weitgehend auf Zustimmung.
"Die EZB will keine Zweifel an ihrer Entschlossenheit im Kampf gegen die Inflation aufkommen lassen", sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis, am Donnerstag. Die Notenbanker dürften aber mit weiteren Zinserhöhungen nicht überziehen. "Andernfalls würden sie die Wirtschaft zu stark dämpfen", warnte Schleweis.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigte Verständnis für den Zinsschritt, erwartet aber auch mehr Druck für die Firmen. "Für die Unternehmen in Deutschland wird die Durststrecke noch länger - auch wenn die Botschaft zur Bekämpfung der zu hohen Inflation wichtig ist", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Damit werden die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen allerdings noch schlechter." Dies geschehe in einer Situation, in der Aufträge wegfielen und die Konjunktur drohe abzudriften. Die notwendige Dämpfung der Nachfrage im Kampf gegen die Inflation dürfe ebenso notwendige Investitionen nicht verhindern. "Wichtig ist, jetzt Investitionen zu ermöglichen, die das Angebot vergrößern - auch das Angebot an Energie", so der DIHK-Lobbyist.
Die Euro-Wächter um Notenbankchefin Christine Lagarde beschlossen auf ihrer ersten Zinssitzung nach der Sommerpause, die Schlüsselsätze wie im Juli erneut um einen viertel Prozentpunkt zu erhöhen. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, kletterte damit von 3,75 auf 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999. Der Leitzins stieg auf 4,50 Prozent.
"Jetzt könnte der Moment erreicht sein, ab dem das Zinsniveau für eine längere Zeit auf dem nun erreichten Niveau gehalten wird, bis deutlich ins nächste Jahr hinein", sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg Asmussen. "Mit der erneuten, aber vermutlich letzten Zinserhöhung um 25 Basispunkte schreitet die EZB auf ihrem Pfad der Inflationsbekämpfung richtigerweise voran."
Lagarde: Wachstumsrisiken sind abwärts gerichtet
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) sieht nach den Worten von EZB-Präsidentin Christine Lagarde das Risiko, dass das Wachstum im Euroraum noch schwächer als derzeit prognostiziert ausfallen könnte. "Die Wachstumsrisiken sind abwärts gerichtet", sagte Lagarde zur Beginn ihrer Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung. Die Indikatoren deuteten für das dritte Quartal ein schwaches Wachstum an, nun schwäche sich auch der Dienstleistungssektor ab. Gestützt werden das Wachstum vom robusten Arbeitsmarkt. Der EZB-Stab hatte zuvor seine Wachstumsprognosen für 2023 bis 2025 gesenkt.
Der EZB-Rat hat beschlossen, seine Leitzinsen um 25 Basispunkte anzuheben. Zugleich deutete er an, dass es - basierend auf seiner derzeitigen Einschätzung - keine weiteren Zinsschritte mehr geben müsse, wenn die Zinsen ausreichend lange auf dem aktuellen Niveau blieben. Er betonte aber zugleich die Datenabhängigkeit seiner Politik und bekräftigte die Aussage, dass er seine Entscheidungen vom Inflationsausblick, der Dynamik der zugrundeliegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission abhängig machen werde.
Lagarde: Zinssenkung wurde im Rat nicht diskutiert
Eine Senkung der Leitzinsen ist nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde derzeit kein Thema im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). "Dieses Wort (Zinssenkung) wurde nicht mal erwähnt", sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung. Sie machte zudem deutlich, dass auch weitere Zinserhöhungen nicht ausgeschlossen seien. Der EZB-Rat könne nicht sagen, ob das Zinshoch schon erreicht sei oder wie lange die Zinsen hoch bleiben müssten. "Der EZB-Rat ist datenabhängig", sagte sie.
Zuvor hatte der EZB-Rat beschlossen, seine Leitzinsen um 25 Basispunkte anzuheben. Zugleich deutete er an, dass es - basierend auf seiner derzeitigen Einschätzung - keine weiteren Zinsschritte mehr geben müsse, wenn die Zinsen ausreichend lange auf dem aktuellen Niveau blieben. Er betonte aber zugleich die Datenabhängigkeit seiner Politik und bekräftigte die Aussage, dass er seine Entscheidungen vom Inflationsausblick, der Dynamik der zugrundeliegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission abhängig machen werde.
Redaktion finanzen.net / dpa-AFX / Dow Jones Newswires / Reuters
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