Schwaches Geldmengenwachstum deutet auf lockere Geldpolitik
Das Geldmengenwachstum und die Kreditvergabe im Euroraum haben sich im Juli weiter abgeschwächt.
Damit bleibt der mittelfristige Inflationsdruck schwach, obwohl die Wirtschaft des Euroraums nach anderthalb Jahren Rezession wieder wächst. Die Europäische Zentralbank (EZB) kann demnach ihre sehr lockere Geldpolitik fortführen.
Nach Mitteilung der EZB überstieg die breite Geldmenge M3 ihr Vorjahresniveau im Juli nur noch um 2,2 Prozent. Das war der schwächste Wert seit anderthalb Jahren. Je stärker die Geldmenge wächst, desto höher ist nach Ansicht der EZB das Risiko für eine beschleunigte Inflation. Ihr Referenzwert für Inflationsfreies M3-Wachstum liegt bei 4,5 Prozent. Dieser Wert ist aber seit der Finanzkrise nicht wieder ereicht worden.
Die EZB ist zur Bewahrung mittelfristiger Preisstabilität verpflichtet, die sie bei einer Jahresinflation von knapp 1,9 Prozent gewährleistet sieht. Mit 1,6 Prozent lag die Inflation zuletzt sogar etwas niedriger. Nach eigenen Angaben rechnet die EZB damit, dass der Preisdruck auf absehbare Zeit niedrig bleiben wird. Die aktuellen Geldmengendaten dürften sie in dieser Auffassung bestätigen.
Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass im EZB-Rat in nächster Zeit Diskussionen über eine straffere Geldpolitik geführt werden, obwohl die Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,3 Prozent gewachsen ist. Es war der erste Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) seit anderthalb Jahren.
Der Leitzins der EZB liegt seit Mai 2013 auf dem Allzeittief von 0,5 Prozent. Allerdings liegen die Zinsen, die sich die Banken gegenseitig für Kredite ein Rechnung stellen, noch niedriger. Das liegt daran, dass die EZB den Instituten ihrerseits Kredite in beliebiger Höhe gibt, sofern diese über die entsprechenden Sicherheiten verfügen. Die deshalb vorhandene Überschussliquidität wird zu einem großen Teil wieder bei der EZB angelegt, die dafür jedoch keine Zinsen mehr zahlt. Das drückt das Zinsniveau auf dem gesamten Geldmarkt.
Wie aus den Geldmengendaten weiter hervor geht, ist die Kreditvergabe im Euroraum trotz des zuletzt verzeichneten Wirtschaftswachstums weiterhin schwach - sie hat sich sogar weiter abgeschwächt. So schrumpfte die Buchkreditvergabe an den privaten Sektor mit einer Jahresrate von 1,9 (Vormonat: 1,6) Prozent. Die Kreditvergabe an die Realwirtschaft lag um 3,7 (3,2) Prozent unter Vorjahresniveau.
Dass die Kreditvergabe schwach ist, sollte jedoch nicht als Anzeichen für eine bevorstehende Konjunkturabschwächung im Euroraum interpretiert werden. Im Allgemeinen zieht die Kreditvergabe erst an, wenn die Wirtschaft eine Weile gewachsen ist.
ING-Volkswirt Martin van Vliet findet die schwache Kreditdynamik gleichwohl bedenklich: "Eine nachhaltige Konjunkturerholung ohne eine höhere Kreditvergabe der Banken ist schwer vorstellbar", sagte er. UniCredit-Ökonomin Loredana Federico glaubt, dass eine Erholung der Kreditvergabe nicht vor Jahresende einsetzen wird.
Richtig schwach waren vor allem die Daten aus einigen südeuropäischen Ländern, in denen viele Unternehmen gerne Kredit haben würden, aber keinen bekommen. In Portugal, Spanien und Griechenland unterschritt das Volumen aller Kredite an den Privatsektor das Vorjahresniveau um 6,2, 13,3 und 4,7 Prozent.
Zugleich erlauben die von der EZB veröffentlichten Daten Rückschlüsse auf das Anlageverhalten der Banken und privaten Investoren. Aus diesen Daten wird deutlich, dass die spanischen und italienischen Banken ihre Staatsanleihebestände im Juli erstmals seit dem Frühjahr nicht weiter erhöht haben. Italienische Institute verkauften Staatsanleihen für netto 6,279 Milliarden Euro und die spanischen für 5,824 Milliarden. Im Mai und Juni hatten die Banken dieser beiden Länder noch Staatsanleihen für netto 68 Milliarden Euro gekauft.
Die Einlagen privater Kunden bei den Geschäftsbanken, während der Finanzkrise ein guter Indikator für die Risikoaversion der Anleger, entwickelten sich bis auf wenige Ausnahmen unauffällig. Spaniens Bankeinlagen verringerten sich gegenüber dem Vormonat um 2,3 Prozent und Zyperns um 2,4 Prozent.
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