EZB-Ausblick: Draghi bleibt trotz besserer Konjunktur dovish
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte die Geldpolitik am heutigen Donnerstag unverändert lassen.
Die rund 50 von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte erwarten, dass sowohl die Leitzinsen als auch das Volumen der Anleihekäufe unverändert bleiben werden, nachdem der Rat seine Politik erst im Dezember einer umfassenden Prüfung unterzogen hatte.
Die EZB wird ihre geldpolitischen Entscheidungen am Donnerstag um 13.45 Uhr bekannt geben. Beobachter rechnen zudem damit, dass EZB-Präsident Mario Draghi in seiner gegen 14.30 Uhr beginnenden Pressekonferenz darauf bedacht sein wird, einen insgesamt "dovishen" Eindruck zu hinterlassen, um eine Aufwertung des Euro zu verhindern.
EZB-Rat hat Geldpolitik im Dezember umfassend bewertet
Zur Erinnerung: Am 8. Dezember hatte der EZB-Rat beschlossen, die Leitzinsen unverändert zu lassen und das Anleihekaufprogramm um neun Monate bis Ende Dezember 2017 zu verlängern. Allerdings soll dessen Monatsvolumen ab April 2017 von 80 auf 60 Milliarden Euro verringert werden. Zudem dürfen die Eurosystem-Zentralbanken seit Jahresbeginn Anleihen mit einer Restlaufzeit von nur noch einem Jahr und einer Rendite ankaufen, die niedriger als der EZB-Satz für Bankeinlagen (minus 0,40 Prozent) liegt.
EZB-Chef Draghi hatte in seiner Pressekonferenz großen Wert auf die Feststellung gelegt, dass die Verringerung des Ankaufvolumens nicht als erster Schritt eines vorab geplanten Ausstiegs (Tapering) interpretiert werden sollte. Laut Draghi hatte der Rat über ein solches Szenario überhaupt nicht geredet. Dagegen fand sich die Möglichkeit einer abermaligen Aufstockung der Ankäufe ausdrücklich als Option in der geldpolitischen Erklärung.
Seit Anfang Dezember erneut bessere Konjunkturdaten aus Euroraum
Was hat sich seit Anfang Dezember getan? Die Konjunkturdaten haben insgesamt positiv überrascht. Der Stimmungsindikator der EU-Kommission für den Euroraum stieg im Dezember auf den höchsten Stand seit 2011, gleiches galt für den Einkaufsmanagerindex. Die Inflationsrate erhöhte sich dank höherer Öl- und Nahrungsmittelpreise auf 1,1 Prozent, deutlicher als erwartet. Das hatte Rufe nach einem Ende der ultralockeren Zinspolitik aus Deutschland zur Folge.
Die jüngste nennenswerte geldpolitische Wortmeldung kam von EZB-Direktor Benoit Coeure, dem eine große Nähe zu Draghi nachgesagt wird. Coeure verwies auf die nach wie vor schwache Kerninflation (Anstieg von 0,8 auf 0,9 Prozent im Dezember) und darauf, dass die EZB eine Normalisierung ihrer Geldpolitik sehr sorgfältig vorbereiten müsse.
Das französische Ratsmitglied Francois Villeroy de Galhau sagte am Montag, einige der jüngsten Kommentare über eine Rückkehr der Inflation, die angeblich den geldpolitischen Rat unter Druck setzten, erschienen ihm stark übertrieben.
Spreads, Brexit, Trump, Italien weitere mögliche Themen der Pressekonferenz
Wie immer bei EZB-Ratssitzungen ohne eine geldpolitische Lockerung besteht ein gewisses Risiko, dass der Euro unter Aufwertungsdruck gerät. Bisher hat sich EZB-Chef Draghi dieser Herausforderung jedoch stets gewachsen gezeigt. Zudem dürfte Draghi erneut gefragt werden, wie er den Anstieg der Staatsanleiherenditen und die höheren Renditeabstände (Spreads) südeuropäischer Staaten bewertet.
Weitere Themen der Pressekonferenz könnten die ökonomischen Implikationen des geplanten britischen EU-Austritts, die beginnende Präsidentschaft Donald Trumps und die Lage des italienischen Bankensektors sein.
DJG/hab/apo/smh Dow Jones Newswires
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