Coronavirus-Effekt: So stehen die Chancen für eine Zinssenkung der US-Notenbank Fed im März - und das wären Alternativen
Nach Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell wartet der Markt gespannt auf den Fed-Zinsentscheid am 18. März. Doch nicht alle Experten glauben an eine Senkung der Leitzinsen zu diesem Termin.
Werte in diesem Artikel
• Fed-Chef Jerome Powell bekräftigte Reaktionsbereitschaft der Fed
• US-Daten sprechen voraussichtlich gegen Leitzinssenkung
• Experten fordern anderes Vorgehen
Das Coronavirus hat die globale Wirtschaft fest im Griff. Vor allem in den betroffenen Regionen Chinas stehen zahlreiche Fabriken still, und auch die Chinesen bleiben lieber zu Hause als für Umsätze im Einzelhandel zu sorgen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat daher vor kurzem seine Wachstumsprognose für China gesenkt und erwartet nun für das aktuelle Jahr nur noch ein Wirtschaftswachstum von 5,6 Prozent. Auch auf die Weltwirtschaft dürfte sich Covid-19 negativ auswirken: Hier erwartet der IWF für das laufende Jahr nur noch ein Plus von 3,2 Prozent. Die Bank of America schätzt laut "CNBC" sogar, dass das weltweite BIP 2020 zum ersten Mal seit der Finanzkrise um weniger als drei Prozent steigen wird.
Kündigte die Fed eine Leitzinssenkung bereits an?
Auch die Notenbanken scheinen zunehmend mit Beunruhigung auf das Coronavirus und dessen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte zu blicken. Nachdem die Märkte Ende Februar die schlimmste Börsenwoche seit Jahren erlebt hatten, veröffentlichte die Fed am 28. Februar ein Statement ihres Präsidenten Jerome Powell. Dieser versicherte, dass die US-Wirtschaft trotz des Coronavirus momentan noch robust sei. Die Risiken für die wirtschaftliche Aktivität in den USA würden jedoch steigen, so Powell. Der Fed-Chef bekräftigte jedoch einmal mehr, dass die Fed ihre Werkzeuge nutzen und angemessen reagieren werde, um die Wirtschaft zu stützen und ökonomischem Schaden entgegenzuwirken.
An den Märkten wurden diese Aussagen als Indiz dafür gewertet, dass die US-Notenbank bei ihrer Sitzung am 18. März den Leitzins senken wird. Wie aus dem "CME FedWatch Tool" der Termin- und Optionsbörse CME Group abzulesen ist, liegt die von den Marktteilnehmern angenommene Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im März momentan bei 100 Prozent. Laut "Yahoo Finance" hatte das Tool vor Powells Äußerungen die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung bei der März-Sitzung noch mit 41 Prozent ausgewiesen - nachdem sie einen Monat zuvor noch bei nur vier Prozent gelegen hatte. Die Federal Reserve hat den wichtigsten Zinssatz zuletzt am 30. Oktober 2019 nach unten geschraubt. Aktuell liegt der Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld in den USA in einem Korridor von 1,50 bis 1,75 Prozent. Für die Sitzung der US-Zentralbank am 18. März erwarten die Marktteilnehmer laut "CME FedWatch Tool" nun, dass er um 50 Basispunkte gesenkt wird. Bis Ende des Jahres wird eine Senkung um 100 Basispunkte - ausgehend vom aktuellen Niveau - erwartet.
US-Notenbank könnte noch auf Wirtschaftsdaten warten
Doch einer Zinssenkung im März könnten ausgerechnet die Daten aus der US-Wirtschaft entgegenstehen. Denn laut dem Wells-Fargo-Experten Jay Bryson dürften sich die Auswirkungen des Coronavirus noch nicht in den jetzt zur Veröffentlichung anstehenden Daten aus der Industrie niederschlagen. Es sei schlicht noch zu früh, um "viele Beweise für eine möglich Störung der Lieferkette im produzierenden Sektor zu sehen", so Bryson laut "Yahoo Finance". Ohne solche sichtbaren Auswirkungen würden der Fed jedoch wichtige Argumente für eine Zinssenkung fehlen, glaubt der Experte - zumal auch Powell selbst in seinem Statement davon sprach, dass man die Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die konjunkturelle Lage beobachten und dann entsprechend reagieren werde. Selbst im April könnten womöglich noch nicht genug belastbare Daten vorliegen, um eine so wesentliche Änderung der Geldpolitik zu rechtfertigen, so Bryson weiter.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der Fed, Richard Clarida, sprach laut "Yahoo Finance" Ende Februar davon, dass es immer noch zu früh sei, um überhaupt über die Größe und die Dauer der vom Coronavirus verursachten Effekte zu spekulieren. "Wenn Entwicklungen entstehen, die zukünftig eine wesentliche Neueinschätzung unseres Ausblicks nötig machen, dann werden wir entsprechend antworten" so Clarida. Seine Aussagen lassen ebenfalls darauf schließen, dass die Fed sich noch zurückhalten wird, bis offizielle Daten die Auswirkungen des Coronavirus auf die US-Wirtschaft belegen.
Ehemalige Fed-Mitglieder fordern schnelles Handeln
Auf Daten zu warten und den Markt genau zu beobachten, bis man weiß, wie groß der Schaden ist, ist laut dem ehemaligen Fed-Governor Kevin Warsh jedoch genau der falsche Ansatz. "Wenn die Fed wartet, bis die Daten eindeutig sind, wird es mehr Leid geben als notwendig", sagte Warsh gegenüber "CNBC". Er forderte daher, dass die Fed schnell reagiert - und zwar bevor Daten zur US-Konjunktur vorliegen, die den Effekt des Coronavirus belegen.
Auch der Wirtschaftsprofessor Narayana Kocherlakota, der bis 2015 als Präsident der regionalen Federal Reserve Bank in Minneapolis fungierte, forderte von der Fed ein schnelles Handeln - und zwar in Form einer Senkung des Leitzinses um 25 bis 50 Basispunkte noch vor der Sitzung am 18. März. Wie Kocherlakota in einem Gastbeitrag für "Bloomberg" darlegt, stellt Covid-19 ein wesentliches Risiko für die Weltwirtschaft dar, auch wenn noch nicht klar sei, wie viel Schaden die Lungenkrankheit anrichten werde. Für die US-Wirtschaft sieht der ehemalige Präsident der Minneapolis Fed ebenfalls Risiken, glaubt aber, dass diese robust genug sei, um ihnen zu widerstehen. "Aber es besteht ein substanzielles Risiko, dass eine solche Vorhersage falsch sein könnte", gesteht Kocherlakota ein. Er empfiehlt der US-Notenbank daher, mit einer Zinssenkung nicht zu warten, bis es tatsächlich zu einer Talfahrt der Wirtschaft kommt. Stattdessen solle sie präventiv handeln, zumal sie aufgrund des niedrigen Zinsniveaus ohnehin keinen großen Spielraum habe, um einen negativen Schock dann zu kompensieren, wenn er sich ereigne. Eine Leitzinssenkung um mindestens 25 Basispunkte sei laut Kocherlakota "eine günstige Versicherung für die Wirtschaft, auf die die Fed nicht verzichten sollte".
Diese Alternativen hat die US-Zentralbank
Tatsächlich befindet sich das Zinsniveau in den USA zwar etwas höher als in Europa, aber auch hier liegen die Leitzinsen nicht weit über Null. Nicht nur Narayana Kocherlakota warnt daher vor dem begrenzten Spielraum der US-Notenbank bei Zinssenkungen. Auch andere Experten wie der ehemalige Fed-Gouverneur Kevin Warsh weisen darauf hin, dass die amerikanische Zentralbank nicht über sehr viel Munition verfüge. Er empfiehlt der Fed daher, nicht im Alleingang den Leitzins zu senken, sondern sich in einer konzertierten Aktion mit anderen Notenbanken wie der EZB, der Bank of England, der Bank of Japan und der People’s Bank of China zusammenzutun. "Sie [die Fed] hat ein Messer. Es gibt eine Schießerei. Da kann man genauso gut ein paar Freunde suchen, die auch Messer haben und schauen, ob man es nicht zusammen hinbekommt", so Warsh gegenüber "CNBC".
Auch Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, spricht sich für ein gemeinsames Vorgehen der Notenbanken weltweit aus: "Eine international konzertierte Aktion der Zentralbanken wäre noch wirksamer und hätte das Potenzial, den Sell-off am Aktienmarkt zu beenden", schreibt Stephan im Newsletter "Perspektiven am Morgen" Anfang März. Denn bei einer Zinssenkung der Fed am 18. März - für die seiner Meinung nach einiges spreche - würde der Druck auf die EZB ohnehin steigen und sie müsste voraussichtlich aktiv werden, um "einem allzu starken Euro entgegenzuwirken".
Eine andere Alternative bringt Deutsche-Bank-Chefvolkswirt David Folkerts-Landau ins Spiel. Er glaubt nicht, dass Zinssenkungen momentan das richtige Mittel sind, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus zu bekämpfen. "Bei Unterbrechungen auf der Lieferseite kann die EZB den Einlagensatz auch auf minus 1 Prozent senken, das würde nichts nützen", sagte Folkerts-Landau bei einer Telefonkonferenz zwar mit Blick auf die EZB, die Situation in den USA dürfte jedoch nicht anders sein. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank empfiehlt stattdessen gezielte Kreditprogramme für Unternehmen, die in Schwierigkeiten sind.
Wie man einer Rezession auch noch entgegenwirken kann, hat kürzlich die Regierung in Hongkong demonstriert. Um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen, will Honkong jedem Einwohner über 18 Jahren 10.000 Hongkong-Dollar (umgerechnet 1.181 Euro) auszahlen. Durch eine solche Maßnahme soll der Konsum und damit auch die Realwirtschaft angekurbelt werden. Während der Fed also zwar ein größerer Spielraum bei Zinssenkungen fehlt, könnte sie relativ problemlos neues Geld drucken. Womöglich könnte also auch die US-Notenbank - zusätzlich zu einer Senkung des Leitzins - bald Helikoptergeld regnen lassen, um die US-Wirtschaft vor einem Abschwung zu bewahren und die Folgen des Coronavirus abzumildern.
Redaktion finanzen.net
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