Fondsmanager Bert Flossbach: EZB könnte das Primat der Inflationsbekämpfung opfern
Derzeit zeichnet sich ab, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihr derzeitiges Zinsniveau für einige Zeit beibehalten wird. Das glaubt auch Dr. Bert Flossbach. Dabei ist der Co-Gründer des Vermögensverwalters Flossbach von Storch davon überzeugt, dass die Währungshüter nicht nur die Preisniveaustabilität sondern auch die Auswirkungen auf die Staatsfinanzen fest im Blick haben.
Werte in diesem Artikel
• EZB wird Zinsen wohl noch eine Weile auf hohem Niveau belassen
• Flossbach: EZB hat auch Solvenz hochverschuldeter Staaten im Blick
• Bert Flossbach nimmt wieder Anleihen in seinen Fonds auf
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat signalisiert, dass die Zentralbank zumindest "in den kommenden Quartalen" nicht mit Zinssenkungen beginnen wird. So erklärte sie am 10. November auf der Global Boardroom-Konferenz der Financial Times, dass die Inflation in der Eurozone auf das 2-Prozent-Ziel zurückgehen werde, wenn die Zinssätze "lange genug" auf ihrem aktuellen Niveau gehalten würden.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel warnte vor unsoliden Staatsfinanzen
Ähnlich äußerte sich auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Demnach sei der EZB-Rat fest entschlossen, Preisstabilität herzustellen, also die Inflationsrate bald wieder auf 2 Prozent zu senken. Dafür müssten die Leitzinsen ausreichend lange auf einem ausreichend hohen Niveau liegen, sagte das EZB-Ratsmitglied bei einer Rede in Baden-Baden.
Bei dieser Gelegenheit warnte Nagel auch vor der Gefahr, die unsolide Staatsfinanzen für die Preisstabilität darstellen. "Denn bei hohen Schuldenquoten könnten die Menschen das Vertrauen darin verlieren, dass die Last ohne Inflationssteuer noch zu stemmen ist. Die Inflationserwartungen und daher die Inflation selbst könnten deshalb steigen", argumentiert der Währungshüter.
Dr. Bert Flossbach lenkt Blick auf Staatsfinanzen
Auch Dr. Bert Flossbach, Co-Gründer des Vermögensverwalters Flossbach von Storch, sieht die Währungshüter angesichts hochverschuldeter Staaten vor enormen Problemen. So geht der Experte davon aus, dass derzeit kein Zinsgipfel erreicht sei, sondern vielmehr der Beginn eines Plateaus, dessen Länge aber nicht nur von der Hartnäckigkeit der Inflation, sondern auch von der Resilienz des Finanzsystems gegenüber anhaltend hohen oder weiter steigenden Zinsen anhängig sei.
Laut Flossbach steht die EZB nämlich vor einem Interessenskonflikt zwischen Inflationsbekämpfung und Finanzmarktstabilität. Denn auf der einen Seite müssen die Währungshüter zur Inflationsbekämpfung den Zins über die Inflationsrate heben, um die Wirtschaft abzukühlen. Doch auf der anderen Seite sei die Inflation ein Segen für die Staatshaushalte, weil steigende Preise und höhere Löhne die Steuereinnahmen sprudeln lassen. Hierdurch erhalte das Bruttoinlandsprodukt einen zusätzlichen (nominalen) Schub, der die Staatsschulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung reduziert. Dazu müssen die Zinsen aber unter der Inflationsrate bleiben (negativer Realzins), damit die zusätzliche Zinslast die Inflationsgewinne nicht aufzehrt, erklärt Flossbach, laut "Institutional Money".
Die EZB stehe in diesem Zusammenhang vor einer enormen Herausforderung, weil es bei den Staatsschulden große Unterschieden zwischen den einzelnen Euro-Mitgliedsländern gibt. So war beispielsweise im Jahr 2022 die Staatsschuldenquote Italiens mit 144 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland mit 66 Prozent.
Nach Meinung von Flossbach wird die EZB bei der Inflationsbekämpfung auch das Renditeniveau in Italien und den Risikoaufschlag im Vergleich zu Bundesanleihen genau im Auge behalten. Denn sollte sich diese Renditedifferenz stark vergrößern, so würde dies eine Fluchtbewegung hin zu den vermeintlich sicheren Bundesanleihehafen signalisieren. Um eine erneute Euro- und Bankenkrise zu verhindern, sähe sich die EZB wohl gezwungen einzugreifen und italienische Anleihen zu erwerben. Damit würde sie das Primat der Inflationsbekämpfung zu Gunsten der Finanzmarktstabilität opfern.
Wie investiert Dr. Bert Flossbach in Zeiten hoher Zinsen?
Bei seiner Kölner Fondsboutique Flossbach von Storch hat der Experte bereits auf die neue Zinswelt reagiert. Als Fondsmanager des mehr als 36 Milliarden Euro schweren Fonds "Multiple Opportunities" setzt er inzwischen wieder auf Anleihen, nachdem man diese zuvor lange Zeit vergebens im Portfolio des Flaggschiff-Fonds suchte.
Laut "Das Investment" besteht der Fonds bereits wieder zu 17 Prozent aus Bonds, darunter US-Treasuries, aber auch Unternehmensanleihen von Volkswagen und JPMorgan. Auf Nachfrage habe der Experte zudem erklärte, dass er nicht abgeneigt sei, die Anleihe-Position noch weiter auszubauen, sollte sich das Renditeumfeld weiter verändern. Hierbei setzt er jedoch auf Qualität. In Hochzinspapiere (High Yield) investiere er dagegen nicht, weil er das Verhältnis von Risiko und Ertrag für nicht attraktiv halte.
Auch bei seinen Aktien-Engagements konzentriere sich Flossbach auf Qualitätstitel wie Apple, Microsoft, Alphabet oder Amazon. Denn auch wenn die Bewertungen einiger Tech-Titel in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen seien, die Qualität der Konzerne sei dies auch, argumentiert der Fondsmanager.
Redaktion finanzen.net
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