Riskante Gangart?

EZB erhöht Leitzins erneut im Kampf gegen Inflation - Entschlossenheit bekräftigt

16.03.23 17:29 Uhr

EZB erhöht Leitzins erneut im Kampf gegen Inflation - Entschlossenheit bekräftigt | finanzen.net

Die Euro-Währungshüter haben abermals an der Zinsschraube gedreht. Das Aktuellste zur Geldpolitik, der EZB im Überblick.

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Um der hohen Inflation weiter Herr zu werden, hat die Europäische Zentralbank erneut eine Leitzinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte auf nun 3,5 Prozent vorgenommen. Bankvolkswirte hatten überwiegend eine Anhebung um 0,5 Prozentpunkte erwartet.
Der Rat der Europäischen Zentralbank hat am Donnerstag turnusmäßig zudem die Entscheidung verkündet, die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität um ebenfalls 0,50 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent respektive 3,0 Prozent zu erhöhen.

APP-Bestände

Zu den APP-Beständen heißt es in der Pressemitteilung der EZB: "Die APP-Bestände verringern sich in einem maßvollen und vorhersehbaren Tempo, da das Eurosystem die Tilgungsbeträge von Wertpapieren bei Fälligkeit nicht vollumfänglich wieder anlegt. Bis Ende Juni 2023 werden die Bestände monatlich im Durchschnitt um 15 Milliarden Euro reduziert. Das Tempo danach wird im Zeitverlauf festgelegt."

ifo-Präsident Fuest: EZB nach US-Bankenpleite vor Dilemma

Der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, sah die Europäische Zentralbank (EZB) nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA wie auch andere Notenbanken vor dem heutigen Entscheid vor einem Dilemma, was ihre künftige Zinspolitik angeht. Die EZB stehe "vor der Abwägung Inflationsbekämpfung versus Wahrung der Finanzstabilität", sagte Fuest bei einer Pressekonferenz. Sollte sie jetzt von dem angekündigten Kurs abweichen, gäbe sie damit "ein problematisches Signal" von Besorgnis an die Finanzmärkte, erleichtere aber zugleich die Situation für die Banken.
"Vor dieser Abwägung und gegeben der Umstand, dass wir eben in Europa keinen Pleitefall derzeit haben, würde ich erwarten, dass die EZB bei ihrem Kurs bleibt und erst einmal noch den nächsten Zinsschritt geht", sagte Fuest am Mittwoch. "Ob dann die weiteren Zinsschritte folgen werden, das ist eine ganz andere Frage, da wird man die Entwicklung beobachten müssen."

"Riskant": Ex-EZB-Direktor Bini Smaghi riet EZB von 50 Basispunkten ab

Lorenzo Bini Smaghi, Chairman von Société Générale und ehemals Direktor der Europäischen Zentralbank (EZB), hat der EZB von einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte abgeraten. In einem Interview mit der Börsen-Zeitung plädierte der Italiener zudem für eine bessere Liquiditätsversorgung der Banken und eine schärfere Regulierung kleinerer Institute.
"An der Erhöhung um 50 Basispunkte festzuhalten, als ob nichts geschehen wäre, bedeutet, eine härtere Gangart einzuschlagen als bisher angenommen", so Bini Smaghi gegenüber dem Blatt. Dies könnte riskant sein und zu weiterer Instabilität führen. "Je schneller sich die Märkte stabilisieren, desto eher kann die EZB zu ihrer auf die Senkung der Inflation ausgerichteten Politik zurückkehren", argumentierte er.

EZB erwartet geringere Inflation und stärkeres Wachstum

Die Europäische Zentralbank geht in diesem Jahr von einer geringeren Inflation und einem stärkeren Wirtschaftswachstum in der Eurozone aus als vor drei Monaten erwartet. Die Notenbank wies am Donnerstag aber auch darauf hin, dass die Vorhersage bereits Anfang März erstellt worden seien, bevor es zu den jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten kam.

Die Notenbank rechnet in diesem Jahr im Schnitt mit einer Inflationsrate von 5,3 Prozent. In ihrer Dezember-Prognose war die EZB von 6,3 Prozent ausgegangen. Für 2024 sagt sie eine Teuerungsrate von 2,9 Prozent (Dezember-Prognose 3,4 Prozent) voraus. Für 2025 wird eine Rate von 2,1 Prozent (2,3 Prozent) erwartet.

Die Notenbank strebt für den Währungsraum mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an. Getrieben wird die Inflation seit Monaten vor allem von Energie- und Lebensmittelpreisen, die nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kräftig anzogen.

Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage in diesem Jahr um 1,0 Prozent wachsen und damit stärker als die im Dezember noch vorhergesagten 0,5 Prozent. Im kommenden Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt um 1,6 Prozent (1,9) zulegen. Für 2025 wird ebenfalls ein Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent (1,8) erwartet. Der Anstieg fällt damit geringer aus als in den Projektionen vom Dezember erwartet.

Lagarde: Finanzmarktturbulenzen sind Abwärtsrisiko für Wachstum

Die jüngsten Finanzmarktturbulenzen stellen aus Sicht der Europäischen Zentralbank (EZB) ein Abwärtsrisiko für das Wachstum dar. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte in der Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung, die Turbulenzen könnten zu einer unerwartet starken Straffung der Kreditkonditionen und einer Schwächung des Vertrauens führen. Zugleich seien die Marktzinsen in den vergangenen Tagen wegen dieser Turbulenzen stark gesunken.

EZB-Präsidentin: Entschlossenheit der EZB hat nicht nachgelassen

Die Entschlossenheit der Europäischen Zentralbank (EZB), ihr mittelfristiges Inflationsziel von 2 Prozent zu erreichen, hat nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde nicht nachgelassen. Lagarde sagte in ihrer Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung, dass der Wegfall einer Zins-Guidance nicht weniger Entschlossenheit bedeute, sondern der hohen Unsicherheit geschuldet sei.

"Wenn sich unser Basisszenario als valide erweist, wenn die Spannungen nachlassen, dann haben wir noch viel mehr zu tun", sagte sie mit Blick auf mögliche weitere Zinserhöhungen. Allerdings sei seit dem 1. März (dem Cut-Off-Date der Stabsprojektionen) sehr viel passiert, die Auswirkungen der Finanzspannungen seien darin noch nicht berücksichtigt.

"Das Tempo, das wir anschlagen, wird völlig datenabhängig sein. Angesichts der hohen Unsicherheit ist es besser, die Entscheidung, die wir für robust halten, jetzt zu treffen und dann zu sehen, was die Daten uns sagen und zu welcher Einschätzung wir auf Basis dieser Daten kommen", sagte Lagarde. Redaktion finanzen.net / Dow Jones Newswires / Reuters / dpa-AFX

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