Inflation & Ukraine-Krieg: EZB belässt Leitzins auf Rekordtief - Anleihenkäufe werden schneller zurückgefahren
Bei ihrer jüngsten Zinssitzung hat sich die Europäische Zentralbank dazu entschlossen, den Leitzins nicht anzutasten.
Die Währungshüter der Eurozone treten trotz neuer Risiken für die Konjunktur infolge des Ukraine-Krieges bei ihren Anleihenkäufen etwas auf die Bremse. Das Kaufvolumen des Programms APP wird nach einer vorübergehenden Aufstockung bereits Ende Juni wieder auf 20 Milliarden Euro reduziert und könnte im dritten Quartal 2022 ganz beendet werden. Mit dieser Entscheidung vom Donnerstag reagierte der EZB-Rat auf die anhaltend hohen Teuerungsraten.
In Deutschland kletterte die jährliche Inflationsrate im Februar mit 5,1 Prozent wieder über die Fünf-Prozent-Marke. Im Euroraum lagen die Verbraucherpreise im Februar um 5,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.
Die EZB strebt mittelfristig eine stabile Gemeinschaftswährung bei einer Preissteigerung von 2 Prozent an. Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern. Sie können sich für einen Euro dann weniger leisten. Kritiker werfen der EZB schon länger vor, mit ihrer Flut billigen Geldes die Inflation sogar noch anzuheizen.
Die monatlichen Anleihenkäufe im Rahmen des APP sollen im April auf 40 Milliarden Euro verdoppelt werden. Im Mai will die EZB 30 Milliarden Euro investieren, im Juni dann noch 20 Milliarden Euro.
Bereits im Dezember hatte die Notenbank mit Sitz in Frankfurt angekündigt, dass sie im Rahmen ihres in der Corona-Pandemie aufgelegten Anleihenkaufprogramms PEPP nur noch bis Ende März 2022 zusätzliche Wertpapiere kaufen wird. Gelder aus auslaufenden PEPP-Papieren will die EZB aber bis mindestens Ende 2024 neu angelegen, auch die Gelder aus auslaufenden APP-Papieren sollen für einen längeren Zeitraum neu investiert werden.
Das Volumen des seit März 2020 laufenden besonders flexiblen PEPP-Kaufprogramms hatten die Währungshüter von zunächst 750 Milliarden Euro zwei Mal auf letztlich 1,85 Billionen Euro erhöht. Anleihenkäufe der EZB helfen Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt.
Bei den Zinsen ändert sich vorerst nichts: Der Leitzins im Euroraum bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent. Parken Banken Gelder bei der EZB, müssen sie dafür 0,5 Prozent Zinsen zahlen. Die Notenbank hat sich festgelegt, dass sie die Zinsen erst dann wieder anheben will, wenn sie kein frisches Geld mehr in den Erwerb von Wertpapieren von Staaten und Unternehmen steckt. Einige Volkswirte rechnen mit einem ersten Zinsschritt Ende dieses Jahres.
Allerdings haben sich die Aussichten für die Konjunktur eingetrübt. Russlands Krieg gegen die Ukraine trifft auch Europas Wirtschaft, die sich gerade von den Folgen der Corona-Pandemie erholt, mit Wucht. Daher betonten Europas Währungshüter in den vergangenen Wochen ihre Möglichkeit, flexibel auf weitere Entwicklungen reagieren zu können. "Die EZB ist bereit, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Preisstabilität und Finanzstabilität im Euroraum zu gewährleisten", hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor zwei Wochen bekräftigt.
Ukraine-Krieg & hohe Inflation machen Ausstieg aus expansiver Geldpolitik schwierig
Eigentlich schien die Europäische Zentralbank (EZB) bereit, den Ausstieg aus der seit Jahren ultralockeren Geldpolitik einzuläuten. Doch der russische Krieg gegen die Ukraine birgt neue Risiken für die Wirtschaft, die sich gerade von der Corona-Pandemie erholt. Das erschwert es der EZB, ihre Anleihenkäufe zurückzufahren.
Hohe Energiepreise fachen Inflationsdruck an
Vor allem steigende Energiepreise halten die Teuerung auf hohem Niveau. In Deutschland kletterte die jährliche Inflationsrate im Februar mit 5,1 Prozent wieder über die Fünf-Prozent-Marke. Im Euroraum lagen die Verbraucherpreise im Februar um 5,8 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Dies ist der höchste Wert seit Einführung des Euro als Verrechnungswährung 1999. Die EZB strebt mittelfristig eine stabile Währung bei einem Preisniveau von 2 Prozent an. Höhere Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbrauchern, sie können sich für einen Euro dann weniger leisten.
Invasion Russlands in die Ukraine belastet Welthandel enorm
Der Krieg in der Ukraine hat den Welthandel nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) binnen weniger Tage einbrechen lassen. Für Februar gehen die Kieler Ökonomen von minus 5,6 Prozent aus: "Dies ist der größte Einbruch seit Ausbruch der Corona-Krise im Frühjahr 2020. Der Erholungstrend der letzten Monate ist damit jäh unterbrochen."
Lagarde: EZB-Stab sieht Inflation 2023 bei 2,1 Prozent
Der volkswirtschaftliche Stab der Europäischen Zentralbank (EZB) rechnet damit, dass die Inflation im Euroraum 2023 bei 2,1 Prozent und 2024 bei 1,9 Prozent liegen und damit der EZB-Definition von mittelfristiger Preisstabilität in etwa entsprechen wird. Außerdem wurde die Inflationsprognose für das laufende Jahr stark angehoben. Allerdings handelt es sich dabei nur um das Basisszenario. Lagarde sagte in ihrer Pressekonferenz nach der jüngsten Ratssitzung, das Gremium habe mehrerer Szenarien geprüft. Kurzfristig könnte die Inflation auch deutlich höher liegen.
Wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde in ihrer Pressekonferenz nach der jüngsten EZB-Ratssitzung mitteilte, rechnet der Stab in seinem Basisszenario damit, dass die Verbraucherpreise 2022 um 5,1 (bisher: 3,2) Prozent steigen werden und 2023 sowie 2024 um 2,1 (1,8) und 1,9 (1,8) Prozent. Für die Kernteuerung werden 2,6 (1,9), 1,8 (1,7) und 1,9 (1,8) Prozent erwartet.
Zudem erwartet der EZB-Stab im Basisszenario einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 3,7 (4,2), 2,8 (2,9) und 1,6 (1,6) Prozent.
Zuvor hatte der Rat beschlossen, die Reduzierung seiner Nettoanleihekäufe zu beschleunigen, ohne einen Endtermin für das APP-Programm zu nennen. Das PEPP-Programm endet wie geplant mit dem ersten Quartal. Zudem stellt die EZB keine Zinssenkung mehr in Aussicht.
EZB/Lagarde: Haben keine beschleunigte Normalisierung beschlossen
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde keine beschleunigte Normalisierung ihrer Geldpolitik beschlossen. Die Beschlüsse stünden im Einklang mit denen von Dezember und Februar und bestätigten den "Schritt-für-Schritt-Ansatz" des Rates, sagte Lagarde in der Pressekonferenz nach der jüngsten Ratssitzung. Die Aussage, dass die Nettokäufe unter dem APP-Programm im dritten Quartal beendet werden könnten, sei konditioniert, fügte sie hinzu.
Lagarde zufolge gab es im Rat "sehr intensive Diskussionen", in deren Verlauf unterschiedlich Auffassungen "in alle Richtungen" geäußert worden seien. Die Beschlüsse seien ein Kompromiss. Bezüglich der Aussage, dass Zinsänderungen "einige Zeit" nach dem Ende der APP-Nettokäufe erfolgen sollten, sagte Lagarde: "Das kann 'in der nächsten Woche' bedeuten, aber auch 'Monate später'".
Redaktion finanzen.net / dpa-AFX / Dow Jones
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