Strategische Asset Allokation in Zeiten der finanziellen Repression
Nach dem spektakulären Zusammenbruchvon Lehman Brothers und den darauffolgenden Turbulenzen an den Finanzmärkten...
...hat mittlerweile die „Politik des billigen Geldes“ einen gewichtigen Einfluss auf die Finanzmärkte gewonnen. Das Marktumfeld kennzeichnet sich durch niedrige Nominalzinsen in Kombination mit zum Teil negativen Realrenditen. Es ist davon auszugehen, dass das Niedrigzinsumfeld noch für geraume Zeit anhalten wird, während Experten für die Inflation einen Anstieg nicht ausschließen. Diese Kombination von Niedrigzinspolitik und inflationären Tendenzen bzw. erwarteter Inflation fassen wir unter dem Begriff der finanziellen Repression zusammen.
Das Niedrigzinsumfeld stellt Langfristinvestoren vor neue große Herausforderungen: Investoren, wie Versicherungen und Pensionsvehikel, verwalten in Europa circa 7,7 Billionen Euro1 an Vermögen. Der Korridor der Zielrendite institutioneller Investoren, das heißt der durchschnittliche Garantiezins von Lebensversicherern oder der Rechnungszins von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, liegt zumeist zwischen 3 % und 4 %. Eine auskömmliche Verzinsung für die Bedienung der Verbindlichkeiten bzw. Garantien mit Anlagen in Rentenpapieren – insbesondere im Investment-Grade-Bereich – ist aktuell schwer zu erzielen. So sind Renditen von über 4 % im Anleihesegment kaum zu finden. Lediglich bei Unternehmensanleihen minderer Bonität (Hochzinsanleihen) oder bei Schwellenländeranleihen mit längeren Laufzeiten scheinen sich noch relativ attraktive Renditen erwirtschaften zu lassen.
Parallel zum Rückgang der zu erwartenden Erträge haben sich durch die Finanzmarktkrise die zur Verfügung stehenden Risikobudgets weiter eingeengt, sodass oftmals ein „De-Risking“ der Portfolien stattfand – das heißt die Suche nach defensiven Anlagen zur Verringerung der Portfoliorisiken. Allerdings ist diese Suche nach Sicherheit in solch einem Umfeld trügerisch. Denn während die Anleger nach „sicheren Häfen“ suchen, werden diese immer seltener. So selten, dass sich zahlreiche Investoren mit niedrigsten oder negativen Realrenditen zufriedengeben und damit ihre angestrebten oder erforderlichen Zielrenditen kaum erreichen können bzw. „mit hoher Sicherheit“ verfehlen werden.
Da die strategische Kapitalanlageplanung – Strategische Asset Allokation (SAA) – den überwiegenden Teil der Schwankung des Gesamt-Anlageergebnisses determiniert, ist dieser Schritt die elementarste Entscheidung im Rahmen der Kapitalanlage. Im Folgenden wollen wir der Frage nachgehen, wie eine geeignete strategische Kapitalanlageplanung im aktuellen Umfeld der finanziellen Repression aussehen sollte. Zur Analyse verschiedener Allokationen setzen wir hierbei den Allianz Global Investors Portfolio Health Check® ein.2 Auch wenn es sich hierbei „lediglich“ um Simulationsrechnungen handelt und Prognosen keine Garantie für künftige Entwicklungen geben, lassen die Ergebnisse dennoch interessante Rückschlüsse zu.
Als Ausgangsportfolio legen wir exemplarisch ein Portfolio zugrunde, welches sich zu 70 % aus Anleihen (40 % Staatsanleihen der Euro-Kernländer sowie 30 % Unternehmensanleihen) und zu 30 % aus Aktien (Developed Markets) zusammensetzt, siehe Schaubild 1.
Unsere Analysen zeigen, dass trotz des signifikanten Aktienanteils die simulierte erwartete langfristige jährliche Rendite (10-Jahres- Horizont) des Ausgangsportfolios lediglich bei 2,9 % liegt. Damit befindet sie sich unter der angestrebten Zielrendite, die im vorliegenden Beispiel bei 4 % liegen soll. Die Renditeerwartung geht einher mit einer erwarteten Volatilität von 4,9 %. In der Historie (seit dem Jahr 2000) lag die realisierte Rendite solch einer Allokation auf Ebene der Benchmarks mit 4,2 % jährlichem Ertrag bei 4,7 % Volatilität über dem Renditeziel. Diese attraktive Rendite, welche maßgeblich durch den Zinsrückgang getragen wurde, ist in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr zu erwarten. Im Rahmen der Festlegung der SAA sind daher zwei grundsätzliche Schritte erforderlich:
• Eine Erhöhung des durchschnittlichen Anteils an risikoreichen Assets, um damit den erwarteten Ertrag des Portfolios zu steigern.
• Eine Erweiterung des Anlageuniversums über Assetklassen und Regionen unter besonderer Beachtung der Korrelationsstruktur – und damit die Nutzung des Diversifikationspotenzials. Damit lässt sich bei unverändertem erwarteten Ertrag das Risiko vermindern.
Diese Schritte und die daraus resultierenden Konsequenzen im Portfoliokontext werden wir in den folgenden Abschnitten näher betrachten.
Charakterisierung des Anlageklassen-Universums
Die nachfolgende Übersicht zeigt ein Universum an Anlageklassen, welches für eine breite Streuung der Allokation in Frage kommt (siehe Schaubild 2).
Staatsanleihen von Kernländern, insbesondere deutsche Staatsanleihen, sind der defensive Sicherheitsanker im Portfolio. Über ausgeprägte Diversifikationseigenschaften gegenüber riskanten Klassen (z. B. Aktien) verbessern sie das Rendite-Risiko-Profil der SAA. Allerdings erscheinen mit Blick auf potenzielle Zinsanstiegsszenarien in aktuellen Allokationen geringere Staatsanleihen-Quoten empfehlenswert.
Unternehmensanleihen scheinen sich mit deutlichen Spreads über AAA-Anleihen als ein attraktives Basisinvestment im Portfolio zu erweisen. Die moderate Duration, insbesondere von EUR-Emissionen, stärkt die Klasse auch vor dem Hintergrund eventueller Zinsanstiegsszenarien. Die Benchmark BofA ML Euro Corporate Index enthält Anleihen im Euroraum ansässiger Unternehmen mit einem Investment-Grade-Rating. Die Anleihen sind grundsätzlich in Euro emittiert.
Die Anlageklasse Hedge Fonds / Absolute Return deckt vornehmlich Fonds mit einem spezifizierten Renditeziel über Geldmarkt ab. Ziel ist ein Mehrertrag gegenüber Staatsanleihen bei vergleichbarem Risikoprofil, jedoch ohne die explizite Zinssensitivität von Staatsanleihen. Die Abbildung der Klasse reicht von sehr liquiden UCITS-Fonds bis hin zu weniger liquiden Hedge-Fonds-Investments, je nach Anforderung und zu allokierendem Volumen. Die Benchmark HFRI Fund of Funds Index repräsentiert ein diversifiziertes Investment in unterschiedliche Hedge-Fonds-Stile.
Volatilität als Anlageklasse partizipiert systematisch an Risikoprämien durch den Verkauf impliziter Volatilität vs. realisierter Volatilität, vornehmlich auf Basis der Schwankungen großer Aktienindizes (z. B. EuroStoxx50, S&P500). Die Benchmark risklab Variance Premium Trading Index verkörpert diese Anlageklasse.
Infrastrukturinvestments sind Anlagen, die prinzipiell als Projektfinanzierung bzw. -beteiligung in ein breites Spektrum von klassischen Infrastrukturprojekten (z. B. Autobahnen) bis hin zu erneuerbaren Energien reichen. Die Anlageklasse wird getrennt in die Ausprägungen Debt (Fremdkapitalgeber) oder Equity (Eigenkapitalgeber). Ersteres hat vorwiegend das Rendite-Risiko-Profil einer Unternehmensanleihe. Auch wenn aufgrund des speziellen Charakters von Infrastruktur Debt keine explizite adäquate Benchmark existiert, so kann im Rahmen von historischen Betrachtungen ggfs. auf Zeitreihen wie den BofA ML Euro Single A Utilities Index zurückgegriffen werden. Die zweite Ausprägung entspricht der Rolle eines Eigenkapitalgebers in Infrastrukturprojekten. Durch die deutlich unterschiedlichen Ausprägungen einzelner Projekte kann das Profil hier ebenfalls nicht pauschal durch eine Benchmark repräsentiert werden.
Immobilienanlagen (z. B. Direktinvestments) stellen ein weiteres Basisinvestment und sind naturgemäß als wenig liquide einzustufen. Die Benchmark inkludiert sowohl Wohn- als auch Bürogebäude.
Staatsanleihen von Schwellenländern bieten attraktive Spreads vor dem Hintergrund relativ geringer Verschuldungsquoten der einzelnen Länder. Die Benchmark JPM Emerging Market Bond Index Diversified beinhaltet Hartwährungsanleihen, die ausschließlich in US-Dollar notieren. Das Dollar-Risiko wird für den Euro- Investor währungsgesichert. Die Benchmark beschränkt zusätzlich das Gewicht einzelner Länder im Index, um eine ausreichende Grunddiversifikation sicherzustellen.
Globale Hochzinsanleihen bieten ebenfalls attraktive Spreads unter erhöhtem Risiko. Die Benchmark BofA ML Global High Yield Constrained Index impliziert ein globales Portfolio an Unternehmensanleihen mit einem Sub- Investment-Grade-Rating, die vornehmlich in US-Dollar, Euro und britischem Pfund notieren. Die Wechselkursrisiken werden für den Euro-Investor währungsgesichert. Die Benchmark beschränkt zusätzlich das Gewicht einzelner Unternehmen im Index, um eine ausreichende Grunddiversifikation zu sichern.
Aktienanlagen sind chancenorientierte Anlageklassen, die die Partizipation an mittel- bis langfristigen Risikoprämien ermöglichen. Die Benchmarks MSCI World und MSCI Emerging Markets sind marktbreite Indizes, die eine sehr große Abdeckung bieten. Sie beinhalten einzelne Aktien von Unternehmen großer bis mittlerer Marktkapitalisierung mit Sitz in Industrie- sowie in Schwellenländern. Im MSCI World Small Cap sind zusätzlich Unternehmen mit kleiner Marktkapitalisierung aus Industrieländern erfasst.
Ableitung und Analyse der Strategischen Asset Allokation
Auf Basis der vorgestellten Anlageklassen betrachten wir nun die quantitativen Auswirkungen auf die zu erwartenden Portfolio- Ergebnisse.
Schaubild 3 zeigt exemplarisch die Zusammensetzung eines alternativen, diversifizierten Portfolios. Der Rentenanteil wurde um 20 % reduziert zugunsten des Aktienanteils und einer 15-prozentigen Neuinvestition in alternative Anlageklassen. Zugleich wurde die Diversifikation durch eine breitere Streuung innerhalb des Renten- und des Aktien-Segmentes erhöht.
Die langfristig erwartete Volatilität des Alternativ- Portfolios sollte auf Jahressicht mit 6,4 % um 1,5 % Prozentpunkte über dem Ausgangsportfolio liegen; ebenso wie der Conditional Value at Risk (CVaR) – über ein Jahr und auf einem Konfidenzniveau von 95 % –, der auf Basis unserer Simulationen von 7,9 % auf 9,9 % ansteigt.
Im vorliegenden Fall wäre also über die Diversifikation hinaus ein „Re-Risking“ erforderlich, d. h. aufgrund der aktuellen Kapitalmarktsituation scheint es notwendig, in überschaubarem Maße zusätzliches Risikobudget bereitzustellen, um die Zielrendite langfristig zu erreichen. Allerdings wird das höhere Risiko auch adäquat entschädigt, wie die im Vergleich höhere Sharpe Ratio (0,39 vs. 0,28) anzeigt.
Das Vorhandensein eines höheren Risikos ist zwar auf 1-Jahres-Sicht zutreffend, allerdings zeigt sich, dass auf 5-Jahres-Sicht der CVaR des alternativen Portfolios auf einem vergleichbaren Niveau liegt. Dies ist u. a. ein Effekt der langfristig höheren Ertragserwartung für das alternative Portfolio.
Interessant zu beobachten ist, dass die historisch niedrigere Volatilität des Basisportfolios auf den zweiten Blick trügerisch erscheint. Denn im Rahmen einer zukunftsgerichteten Risikozerlegung des Depots wird das vergleichsweise hohe Klumpenrisiko in der Basisallokation erkennbar. Die Risikozerlegung in Form des Risikowasserfalls zeigt den Risikobeitrag jeder einzelnen Anlageklasse in Relation zu ihrem Portfolioanteil. Ganz rechts wird der Diversifikationseffekt, der sich auf der Gegenüberstellung des Gesamtrisikos und der Summe der Einzelrisiken ergibt, sichtbar. Es zeigt sich, dass den höchsten Risikobeitrag im Portfolio die Aktien besitzen. Allerdings weist das alternative Portfolio auch einen höheren Diversifikationseffekt auf, der von 4,7 % auf 6,3 % ansteigt. Dadurch ist für einen höheren erwarteten Ertrag nur ein vermindertes zusätzliches Risiko zu übernehmen.
Eine Verringerung des Portfoliorisikos durch Diversifikation ist immer dann erreichbar, wenn nicht perfekt korrelierte Anlagen mit in das Portfolio aufgenommen werden. Im Beitrag „Preparing for a Fall – Diversification and Risk Management at Times of Market Stress“3 wird empirisch gezeigt, dass der positive Effekt der Diversifikation, die Verringerung der realisierten Portfoliovarianz, auch in Krisenzeiten zu beobachten ist. Im Falle von extremen Marktverwerfungen steigen zwar mit dem Risiko einer Anlageklasse auch die Korrelationen zwischen einzelnen Anlagen kurzfristig an, dennoch sind die Anlagen in einem gut diversifizierten Portfolio nicht perfekt korreliert. Dies macht sich insbesondere über längere Anlagehorizonte bemerkbar. Durch ein höheres Gesamtrisiko in Krisenzeiten ist der relative Nutzen durch Diversifikation sogar noch höher als in ruhigen Marktphasen.
Im Rückspiegel betrachtet war das Alternativ- Portfolio zwar etwas riskanter (volatiler), aber zukunftsgerichtet sollte die ausgewogenere Assetallokation das Risiko-Ertrags-Verhältnis verbessern. Das wird vor allem bei einer Risiko-Rendite-Betrachtung im Rahmen eines von uns prognostizierten inflationären Konjunkturumfelds deutlich. Die Analyse der Portfolien in unterschiedlichen historischen Inflationsszenarien zeigt, dass das Alternativportfolio im Falle einer steigenden Inflationsrate eine höhere historisch realisierte Rendite als das Ausgangsportfolio lieferte, verbunden mit einer höheren Sharpe Ratio. Bei einer fallenden Inflationsrate war dies in Erwartung einer steigenden BIPWachstumsrate ebenso der Fall. Lediglich in einem Umfeld fallender Inflationsraten verbunden mit geringem Wirtschaftswachstum schnitt das Alternativszenario schlechter ab. Damit sehen wir, dass der Investor für das erwartete Umfeld der finanziellen Repression mit dem breiter gestreuten Portfolio, zumindest historisch betrachtet, besser aufgestellt gewesen wäre.
Understand. Act.
Die Strategische Asset Allokation ist die relevante Ertragsdeterminante in einem Portfolio. Die Entscheidung über die strategische Ausrichtung der Kapitalanlage ist somit von elementarer Bedeutung. Im aktuellen Niedrig zinsumfeld ist es allerdings eine große Herausforderung, eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften.
Der erste Schritt, um die notwendigen Renditen anzusteuern, ist daher die verstärkte Investition in chancenreiche Anlageklassen. Neben diesem „Re-Risking“ der Portfolien ist auch die breite Diversifikation der Anlagen von zentraler Bedeutung. Denn die Streuung der Risiken im Portfolio sollte grundsätzlich zu einem attraktiveren Rendite-Risiko-Profil führen.
Diversifikation allein erscheint jedoch zur effektiven Risikobegrenzung im Zeitablauf noch nicht ausreichend. Da sich die Charakteristika riskanter Anlagen in Stressphasen verändern und die Verluste aus einem Portfolio insgesamt zu groß sein können, sollte zusätzlich ein dynamisches Risikomanagement implementiert werden. Eine solche Risikosteuerung kann die effektive Begrenzung bzw. Verringerung von Verlusten und damit die Sicherung von Risikokapital ermöglichen – ohne dabei mittelfristig auf die Partizipation am Aufwärtspotenzial zu verzichten.
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