Alle Zeichen auf Wachstum

JPMorgan: Die Normalisierung der Geldpolitik wird noch zehn Jahre brauchen

19.04.17 21:20 Uhr

JPMorgan: Die Normalisierung der Geldpolitik wird noch zehn Jahre brauchen | finanzen.net

Die Zinsen werden nicht über Nacht sprunghaft ansteigen und die Notenbanken werden ihre Geldpolitik nicht von heute auf morgen ändern - davon ist Robert Michele, Chief Investment Officer bei JPMorgan Asset Management überzeugt. Dieses Szenario bietet auch Chancen.

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Wer mit einer baldigen Normalisierung der Geldpolitik gerechnet hat, der muss sich diesen Zahn zumindest von Robert Michele, dem Chief Investment Officer und Leiter der Global Fixed Income, Currency & Commodities Group bei JPMorgan Asset Management, ziehen lassen. Dieser vertritt in einer Mitteilung von JPMorgan nun die Auffassung, dass die aktuelle Situation erst der Anfang des Übergangs von einer jahrelangen geldpolitischen Unterstützung hin zu umfangreicheren fiskalpolitischen Anreizen sei. Dabei gesteht Michele zwar zu, dass "die wirtschaftliche Erholung seit der Finanzkrise inzwischen schon weit fortgeschritten" sei, sie aber "noch lange nicht an ihrem Ende angelangt" ist. Die Zentralbanken bräuchten demnach noch einige Zeit, um dem System Liquidität zu entziehen - sehr viel mehr Zeit als viele Anleger wohl erwartet haben: zehn Jahre. "Die US-Notenbank wird unseres Erachtens nach bis zur vollständigen Normalisierung der Geldpolitik etwa eine Dekade benötigen", so Michele.

Vor allem der Abbau der "aufgeblähten Bilanz" werde einige Zeit in Anspruch nehmen. Demgegenüber hätten die Europäische Zentralbank und die Bank of England noch nicht einmal mit dem Normalisierungsprozess begonnen, die Bank of Japan sei sogar "noch sehr weit davon entfernt". Wenn Michele recht hat, hat die lange Wartezeit bis zur Normalisierung der Geldpolitik jedoch auch Vorteile. Politische Entscheidungsträger etwa hätten so noch eine lange Vorbereitungszeit für ihre Fiskalpolitik. Auch die Märkte sollten einen solch sanften Zinsanstieg gut verkraften können, bemerkt Michele weiter.

Alle Zeichen stehen auf Wachstum - auch über dem Trend

Seit der Wahl Donald Trumps zum neuen US-Präsidenten warten die Märkte gespannt auf die Umsetzung einiger marktrelevanter Wahlversprechen. Nun, nach dem Scheitern der Gesundheitsreform, hoffen die Märkte, "dass sich die Regierung und der Kongress (…) auf Steuersenkungen und Deregulierung fokussieren und warten nun ab, wie sich fiskalische Ausgaben in der Wirtschaft bemerkbar machen könnten", vermutet Michele. Daneben geht der JPMorgan Chief Investment Officer von drei weiteren Zinserhöhungen in diesem Jahr aus. Doch seit dem Ende des letzten Jahres habe sich die Welt verändert, so Michele. "Die Fed scheint die Sache nicht länger im Alleingang anzugehen. Zentralbanken rund um die Welt beginnen damit, ihre extrem lockere Haltung zu korrigieren und setzen auf Wachstum, Inflation, höhere Kreditqualität und mehr Konsum. Wir stehen am Beginn eines Umschwungs von Geldpolitik hin zu Fiskalpolitik" stellt Michele fest. Die Zeichen stehen somit also auf globales Wachstum, Michele geht sogar von einem Wachstum über dem Trend aus - zumindest für die kommenden drei bis sechs Monate. Immerhin betrage das US-Wachstum selbst ohne fiskalische Anreize zwei Prozent, Europa und Japan würden bereits über Trendniveau wachsen und auch Chinas Konjunktur stabilisiere sich zusehends. Hinzu kommen die Schwellenländer, die ein "unerwartet hohes Wachstum" verzeichneten.

Divergenz-Risiko reduziert sich

Dieses Szenario ist geeignet, die Divergenz-Sorgen der Anleger zu zerstreuen: Die Befürchtung, in den USA würden die Zinsen steigen, während der Rest der Welt an der lockeren Geldpolitik festhält - was den US-Dollar stärken und das globale Wachstum ausbremsen würde -, dürfte sich angesichts der aktuellen Lage als eher unbegründet herausstellen. Ein Risikofaktor könnten jedoch die protektionistischen Tendenzen der USA darstellen. Auch die ausbleibende oder sich verzögernde Umsetzung der angekündigten US-Fiskalpolitik könnte die Märkte noch nachhaltig enttäuschen. Michele sieht für dieses Szenario jedoch eine Wahrscheinlichkeit von lediglich 20 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession oder Krise ist aus Micheles Sicht mit fünf Prozent fast verschwindend gering.

Wo liegen Chancen für Anleger?

Robert Michele rät Anlegern in der aktuellen Lage auf Anleihen zu setzen, Unternehmensanleihen ganz genau. Für die "beste Anlageidee" hält Michele US-Hochzinsanleihen: "Der Sektor bietet eine relativ attraktive Rendite und historisch betrachtet können die Risikoaufschläge von Hochzinsanleihen einen Teil des Zinsanstiegs abfedern." Außerhalb der USA sieht Michele deutliche Chancen bei Schwellenmarktanleihen in Lokalwährung. In jedem Fall sollten Anleger zum Zeitpunkt, in dem die Wachstums- und Inflationsprognosen steigen, die "gesamte Vielfalt der zur Verfügung stehenden Instrumente für Anleiheninvestitionen einsetzen", rät Michele. So könnten weiterhin attraktive Erträge bei einer gleichzeitigen Steuerung der Risiken erzielt werden.

Redaktion finanzen.net

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