Bulgarien-Zertifikate: Boom im Balkanstaat
Der Balkanstaat hat seine Krise überwunden. Die Wirtschaft erholt sich zunehmend. Eine Chance für mutige Zertifikate-Anleger.
von Emmeran Eder, Euro am Sonntag
Unter Kletterern genießen die Bulgaren einen guten Ruf. Gleich mehrere der weltweit größten Hersteller von Kletterwänden wie Walltopia, HRT und Composite-X haben ihren Sitz im Balkanstaat. Aufs Hochsteigen versteht sich auch die Börse in Sofia. Mit 42,3 Prozent Plus in Euro war Bulgariens Leitindex Sofix 2013 eines der Börsenbarometer mit dem höchsten Wertzuwachs weltweit. Dabei liefert das Land mit Kriminalität, Armutsflüchtlingen oder Massenprotesten meist nur negative Schlagzeilen.
Kaum bekannt ist dagegen, dass sich in Bulgarien einige Firmen befinden, die in Nischenmärkten zur Weltspitze zählen. Dazu gehören etwa Snowboard- oder Fahrradhersteller wie Drag, Müsliexporteure oder Produzenten von Entenfleisch und eingemachten Kirschen. "Arbeitskräfte sind günstig, und hier gibt es Kreativität, Innovation und originelle Produkte", erklärt Dragomir Kusow, Eigentümer von Drag, das Phänomen. Inzwischen rüstet er sogar Nationalteams mit seinen Bikes aus.
Ihm wie anderen Firmenchefs bereitet es Probleme, dass gut ausgebildete Bulgaren abwandern - besonders nach Deutschland. Der Wegzug kluger Köpfe erschwere es, qualifizierte Nachwuchskräfte zu finden, klagt Kusow.
Der Braindrain hat Gründe. Die Löhne in dem Balkanstaat sind die niedrigsten in ganz Europa. Hinzu kommt, dass seine politische Elite als korruptionsverseucht gilt. Der Polizeiorganisation Europol zufolge haben sich zwischen Politik und Wirtschaft mafiose Strukturen etabliert. Zudem existieren erhebliche rechtsstaatliche Defizite.
Gegen diese Missstände protestierten voriges Jahr Tausende von Bürgern in Sofia jede Woche und brachten so die konservative Regierung zu Fall. Doch die neu gewählte Mitte-Links-Regierung unter Führung der Sozialisten ist ebenfalls unpopulär. Auch ihr wird die Bekämpfung der Korruption nicht zugetraut. Mit sozialen Wohltaten schaffte es Ministerpräsident Plamen Oresharski aber, die Proteste zu stoppen. Und es gelang ihm, die Wirtschaft anzukurbeln, indem er eine Erhöhung des Haushaltsdefizits auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zuließ.
Gute Fundamentaldaten
Überhaupt steht Bulgarien mit seinen ökonomischen Kennziffern gut da. Es gibt einen Leistungsbilanzüberschuss, und die Staatsverschuldung liegt unter 20 Prozent des BIP. "Das ist der zweitniedrigste Wert in der EU hinter Estland", sagt Martin Stelzeneder, Analyst bei Raiffeisenbank International (RBI). Inzwischen kommt auch das Wachstum in Gang. Die Wiener Bank rechnet 2014 mit zwei und 2015 sogar mit 3,5 Prozent BIP-Zuwachs. Die ausländischen Direktinvestitionen und der Konsum, die beide in den Jahren nach der Finanzkrise einbrachen, erholen sich.
Getragen wird der Aufschwung besonders vom Export. Das Land hat sich als Zulieferer für die Auto- und Maschinenbauindustrie etabliert und dürfte von der Wirtschaftserholung in der EU, dem wichtigsten Handelspartner, profitieren. Das nahm die Börse Sofia, die nach dem Crash in der Finanzkrise jahrelang vor sich hin dümpelte, 2013 bereits teilweise vorweg. "Der Markt hatte vorher aber auch starke Kursverluste zu erleiden", sagt Aaron Alber, Osteuropa-Analyst bei RBI. Trotz der Hausse im Vorjahr sieht er weiteres Aufwärtspotenzial. "Die Unternehmensgewinne steigen kräftig bei immer noch niedriger Bewertung", meint er. Mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,2 und dem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,75 für 2014 ist der Leitindex Sofix preiswert.
Er umfasst 15 Titel und ist breit über mehrere Sektoren diversifiziert. Schon geringe Zuflüsse reichen, um die illiquide Balkanbörse nach oben zu treiben. Mit einer Kapitalisierung von 425 Millionen Euro ist der Sofix verglichen mit Österreichs Leitindex ATX (42 Milliarden Euro) ein Winzling.
Das ist aber auch zugleich das Hauptrisiko für Anleger. In Phasen hoher Volatilität ist es schwer, rasch zu verkaufen. Zudem bestehen politische Risiken. Wen das nicht abschreckt, der kann mit einem Sofix-Zertifikat der Royal Bank of Scotland (ISIN: NL 000 073 229 5) an der weiteren Aufholjagd in Sofia partizipieren. Er verzichtet dabei auf 4,8 Prozent Dividende. Setzt sich die Hausse fort, genießt Bulgarien nicht nur bei Kletterern, sondern eventuell auch bei Börsianern bald einen guten Ruf.