Interview exklusiv

Herr Halver, wie reagieren DAX und Dow auf das Trump-Chaos?

28.08.17 12:39 Uhr

Herr Halver, wie reagieren DAX und Dow auf das Trump-Chaos? | finanzen.net

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, spricht im Interview über Chancen und Risiken an den Finanzmärkten sowie über Gold und die Notenbankpolitik.

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von Benjamin Summa

Die Anleger waren in der vergangenen Woche stark verunsichert über den wirtschaftspolitischen Kurs von Donald Trump, auch der Nordkorea-Konflikt drückte auf die Stimmung an der Börse. Das scheint jetzt schon wieder vergessen. Wie bewerten Sie Chancen und Risiken bis zum Jahresende?
Robert Halver: Der Nordkorea-Konflikt, die Euro-Stärke, geldpolitische Befürchtungen und Trumps Politikversuche haben ein reinigendes Gewitter verursacht. Mittlerweile ist so etwas wie eine stabile Seitenlage zu beobachten. Es bewahrheitet sich auch jetzt wieder, dass politische Börsen kurze Beine haben. Bis zum Jahresende präsentieren sich die Aussichten für die Aktienmärkte freundlicher. Dafür spricht, dass die große geldpolitische Trendwende ausbleibt, der Euro sich mittelfristig wieder abschwächt und das Thema "Dieselgate" nach einer unaufgeregten Bundestagswahl mithilfe von Umwelt- bzw. eher Kaufprämien zu einem Segen für die deutsche Autoindustrie wird.
Donald Trump bleibt aber ein grundsätzliches Handicap für die Finanzmärkte. Als mächtigster Mann der Welt kann er potenziell und tatsächlich schon mit seiner Verbalerotik viel Schaden anrichten. Trump sollte Amerika, der Welt und ihren Finanzmärkten einen Gefallen tun und ein Motto beherzigen: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold und Golf spielen ist Platin.

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Wir blicken auf eine über achtjährige Hausse zurück: Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Bewertungsniveaus an den Aktienmärkten ein?
Nur weil die Haussen in der Vergangenheit sieben oder acht Jahre gedauert haben, darf man jetzt nicht plötzlich davon ausgehen, dass es mit einem stabilen Aktienmarkt vorbei sein müsse. Die Hausse-Phasen wurden vor allem immer dann beendet, wenn die Notenbanken massive Zinserhöhungen durchführten wie die US-Notenbank 2004 bis 2006 von einem auf 5,25 Prozent. Man wird nicht so unweise sein, diese Geldpolitik zu wiederholen, in deren Folge nicht nur die Finanzmärkte, sondern die gesamte Weltkonjunktur eingebrochen sind. Angesichts dieser grundsätzlich anhaltenden geldpolitischen Planwirtschaft muss eine Bewertung des Aktienmarktes - die absolut durchaus sportlich ist - ebenso vor dem Hintergrund noch viel teurerer Anleihemärkte gesehen werden.

Der US-Dollar ist jahrelang gestiegen, nach der Trump-Wahl hat er ein Hoch erreicht. Seitdem ist er deutlich schwächer geworden. Sehen Sie hier bereits eine echte Trendumkehr?
Der Dollar ist schwach, weil wirtschaftspolitisch "Trumponomics" versprochen, aber eher "Trumphandicaps" geliefert wurden. Die Republikaner gehen mittlerweile auf Distanz zu ihrem Präsidenten und werfen ihm konjunkturell im Kongress Knüppel zwischen die Beine. Aber ohne Wirtschaftswachstum muss die US-Notenbank keinen wirklich restriktiven Kurs fahren, die Zinsen bleiben also in den USA niedrig, was wiederum den US-Dollar schwächt. Trump kommt diese Entwicklung mit Blick auf amerikanische Exporte nicht ungelegen. Der Wettbewerb, wer die schwächste Export-Währung der Welt hat, ist also in vollem Gange. Aber auch Draghi nutzt die umgekehrte Euro-Stärke. Sie sorgt über fallende Importpreise für Rohstoffe, die in Dollar notieren, für Inflationsentspannung. Eine daher weniger restriktive Geldpolitik der EZB wird den Euro zum Jahresende hin wieder abschwächen.

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Das Protokoll der letzten Fed-Sitzung zeigt, dass sich die US-Geldpolitiker nicht einig darüber sind, wie sie die wirtschaftliche Situation einschätzen sollen. Gehen Sie davon aus, dass die Zinsen nun langsamer als geplant angehoben werden?
Die konjunkturelle Ungewissheit der US-Notenbank war selten so groß wie derzeit. Es bestehen angesichts der stark gestiegenen Verschuldung privater Haushalte, die jetzt deutlich höher ist als vor der Finanzkrise, große Sorgen. Bei Kreditkarten-Verbindlichkeiten, bei Autokrediten und Studentendarlehen sehen wir neue Rekordstände und steigende Kreditausfälle. Zudem funktioniert der US-Arbeitsmarkt nur im Niedriglohnsektor gut. Amerika ist nur noch ein blasses Abbild früherer Wachstumsstärke. Auch sucht die Fed Inflation wie die Nadel im Heuhaufen. Sie findet sie nicht. In dieser Situation wird sie mit einer strikten Zinserhöhungspolitik keine Konjunkturschwächung betreiben.

Vor fünf Jahren verkündete EZB-Chef Draghi ein gewaltiges Programm zur Rettung der Eurozone. Viele Auguren malten damals Horrorszenarien an die Wand: Vor allem eine starke Inflation wurde erwartet. Diese blieb bis heute aus. Auch den Euro gibt es noch und Griechenland erholt sich langsam, aber sicher. War die Aufregung damals umsonst?
Haben Wirtschaftstheoretiker nicht immer behauptet, dass viel und billiges Zentralbankgeld unweigerlich früher oder später zu steigender, wenn nicht sogar zu galoppierender Inflation führt? Und wir sprechen von einer wahren geldpolitischen Sintflut seit 2008. Doch offensichtlich haben Globalisierung, der Vorrang von Joberhalt vor mehr Gehalt, strukturell niedrige Rohstoffpreise und vor allem eine immer noch vorhandene wirtschaftliche Unsicherheit ihre preiszurückhaltende Wirkung nicht verloren. Die Eurokrise hat man mit dem Mittel der künstlichen Befruchtung durch die Notenbanken gelöst. In Italien wurden 2017 trotz Regelverstoß Banken staatlich gerettet und Griechenland bekommt im Augenblick wieder höhere Weihen von den Ratingagenturen - das wird dazu führen, dass die EZB früher oder später selbst griechische Staatspapiere aufkaufen kann. Was nicht passt, wird eben passend gemacht. Man hat die Euro-Krise zwar in viel Geld ersäuft, aber der Preis ist hoch: Niedrigzinsen und eine Stabilitätsunion, die mausetot ist.

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Nach einer kräftigen Erholung wird Öl wieder billiger. Können Sie bitte erklären, warum das so ist?
Die OPEC kann machen, was sie will, sie verliert so oder so. Kommen die OPEC-Länder auf die Idee, Förderkürzungen zu beschließen, haben sie an steigenden Preisen nur vorübergehend Freude. Denn mit zunehmend sinkender Gewinnschwelle würde in den USA "gefrackt", was die Pumpanlagen hergeben. Diese wirtschaftliche Belebung im arbeitsplatzschwachen Mittleren Westen würde Donald Trump sicher mit drastischen Tweets als seine Wirtschaftserfolge feiern. Am Ende wäre der Ölpreis wegen Überversorgung wieder unten und die OPEC hätte auch noch Marktanteile an die USA verloren. Die OPEC war früher ein brüllender Löwe, heute ein schnurrendes Kätzchen. Meiner Meinung nach bleibt der Ölpreis langfristig schwach.

Nicht wenige sehen einen Zusammenhang zwischen niedrigen Ölpreisen und der Zunahme von Konflikten in ölfördernden Ländern: eine Staatskrise in Venezuela, der Russland-Ukraine-Konflikt und auch Saudi-Arabien und Iran stehen sich unversöhnlich wie selten gegenüber. Wie ist Ihre Lesart in dieser Frage?
Selbst die Saudis haben mittlerweile Staatsdefizite. Ölländer können ihre vielen, auch sozialen Probleme heutzutage nicht mehr wie früher wegkaufen. Das gilt auch für Russland und Venezuela. Deswegen treten zahlreiche, lange Zeit verschüttete Konflikte wieder auf und führen im Extremfall zu innen- und außenpolitischen Spannungen. Und die können wir jeden Tag in den Nachrichten beobachten.

Welchen Goldanteil für das Portfolio halten Sie angesichts der reifen Aktien- und Anleihemärkte aktuell für sinnvoll?
Die Welt kann sich nicht unendlich durch künstliche Befruchtung der Notenbanken über Wasser halten. Für unsere völlige Überschuldung kommt der Tag der Abrechnung und es beginnen die Tage der stabilsten Anlageklasse, nämlich Gold. Dann ist auch die Zeit der politischen Goldpreisdrückung zu Ende. Ich empfehle Gold bis zu zehn Prozent des liquiden Anlagevermögens. Gold geht niemals unter. Diese Eigenart haben Schuldensysteme noch nie beweisen können.

Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist freier Mitarbeiter bei finanzen.net. Er interviewt regelmäßig Finanzexperten zu aktuellen Themen.

Bildquellen: Simon Katzer, Robert Halver

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