Trendwende oder Bärenmarktrally?
Die Anleger reagieren mit Zurückhaltung auf die mittlerweile steigenden Zinsen. In den USA zeigt der "CNN Fear & Greed Index", dass die Akteure mittlerweile Angst vor weiter fallenden Notierungen haben. Dies in einem Ausmaß, welches auf eine technische Gegenreaktion nach oben hindeutet.
Bei genauerer Betrachtung fällt zudem auf, dass vor allem der US-Aktienmarkt zuletzt an Breite verloren hat. Dies bedeutet, dass eine freundliche Tendenz nur noch von wenigen Titeln getragen wird. Sinkt dieser Indikator deutlich, macht er ebenfalls auf eine mögliche Erholung aufmerksam.
Letztes Aufbäumen?
Mit Blick auf die Saisonalität, welche sich aus den vergangenen Jahrzehnten errechnen lässt, fällt auf, dass im Juli oftmals eine Erholung zu beobachten war. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass die Anleger auf gute Quartalszahlen hoffen, die dann ab August anstehen. Häufig werden die Erwartungen allerdings enttäuscht, weshalb sich im August und September eine negative Tendenz ergibt. Hinsichtlich des Voran¬schreitens des Bärenmarktes, in welchem der Aktienmarkt nach sechs Monaten rückläufiger Notierungen steckt, scheint noch kein guter Zeitpunkt für den Aufbau mittelfristiger Long-Positionen zu sein. So ist die Stimmung aktuell zwar schlecht, eine Panik ist allerdings noch nicht zu erkennen. Oftmals enden Trendbewegungen schließlich mit einer finalen Tendenz, die sich durch eine hohe Dynamik auszeichnet. Für den aktuellen Fall fehlt also noch eine Art "Ausverkauf", bei welchem auch fundamental interessante Titel abgegeben werden.
Eurokrise 2.0?
Die Zinswende in den USA sorgt für Zurückhaltung unter den Akteuren. Während US-Notenbankchef Powell nach der letzten Anhebung einen erneuten Zinsschritt um 75 Basispunkte in Aussicht gestellt hat, geht die Europäische Zentralbank eher mit einer homöopathischen Dosierung vor. Schließlich würde eine ähnlich deutliche Vorgehensweise wie die der FED hierzulande eine neue Euro-Krise auslösen. Eigentlich wäre es sinnvoll gewesen, die Jahre nach der Finanzkrise zu nutzen, um vor allem die Schulden der südlichen EU-Länder abzubauen. Allerdings lassen sich mit klaren Einschnitten keine Wahlen gewinnen. Und so verlässt man sich nach wie vor darauf, dass die EZB auch weiterhin unterstützend eingreift, wenn sie die Anleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten kauft. Hier darf man gespannt sein, was die europäischen Währungshüter bei ihrer nächsten Sitzung bekannt geben. Der Druck nimmt jedenfalls deutlich zu, da die Inflation einerseits deutlich höher ausfällt, als von der EZB erwartet. Dazu kommt noch das Problem, dass die Teuerung voraussichtlich doch länger auf einem hohen Niveau verharren wird. Die Aussichten sind daher erst einmal verhalten. Saisonal hellt sich die Situation allerdings ab dem Ende des dritten Quartals wieder auf!
Stephan Feuerstein
Stephan Feuerstein ist Chefredakteur des Börsenbriefes Hebelzertifikate-Trader. Bereits seit Anfang der 90er Jahre beschäftigt er sich mit dem Thema Börse, speziell der Technischen Analyse. Infos: www.hebelzertifikate-trader.de Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.